Die Hawaiianerin Ocean Ramsey ist Meeresbiologin und einer der wenigen Menschen dieser Welt, die frei und ohne Schutz mit grossen Weissen Haien tauchen. Die 30-Jährige ist auf der ganzen Welt unterwegs, um die Tiere zu erforschen und sich für den Schutz der Meeresbewohner einzusetzen. Wir haben mit ihr über ihre aktuellen Projekte und die Faszination "Hai" gesprochen.

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Ocean, du bist auf der ganzen Welt unterwegs um Haie zu erforschen. Vergangenes Jahr warst du zum ersten Mal in Europa - und auch in Österreich. Was macht man als Haiforscherin in einem Binnenland?

Ocean Ramsey: Ich war bei einer Konferenz in Klagenfurt eingeladen, über meine Forschung zu sprechen. Von Österreich war ich begeistert – von der alten Architektur und den vielen geschichtlichen Details.

Ich habe die Möglichkeit genutzt, um mir auch Griechenland, Malta, Zypern, Italien und Frankreich anzusehen. Da ich sonst hauptsächlich im Pazifik arbeite, war das eine schöne Abwechslung.

In welche Projekte bist du aktuell involviert, woran arbeitest du gerade?

Aktuell gibt es neben meiner Forschung zwei Dinge: Demnächst geht es nach China. Ein Sänger hat sich bei mir gemeldet und angefragt, ob ich seinen vielen Fans in China etwas über den Haischutz erzählen kann.

Ocean Ramsey
Ocean Ramsey kann über sechs Minuten lang die Luft anhalten. © www.oceanramsey.com

In China ist Haiflossensuppe nach wie vor beliebt, und viele Tiere müssen auf qualvolle Weise ihr Leben lassen. Doch es gibt ein Umdenken. Dieser Sänger ist ein guter Kanal, um auf die Notwendigkeit des Artenschutzes aufmerksam zu machen. Er hat viele Follower und ist in China eine Berühmtheit.
Und dann arbeiten wir aktuell gerade an einer Serie mit dem Titel "Shark Whisperer" ("Die Haiflüsterin"). Wir filmen dafür seit vier Jahren. Wir wissen aber noch nicht, wann sie veröffentlicht wird.

Langweilig wird dir also nicht so schnell.

Nein! (lacht) Wenn ich nicht reise, bin ich in Hawaii mit meinem Forschungs- und Projektboot unterwegs, bei dem übrigens jeder Interessierte mitmachen kann.

Wie kann man sich das vorstellen?

Bis zu sechs Personen können unsere Projektboote begleiten. Sofern das Wetter passt gehe ich mit den Leuten ins Wasser, lehre über die Biologie, Physiognomie, das generelle Verhalten und die Körpersprache von Haien.
Ich zeige ihnen, wie ihr Verhalten im Wasser das Verhalten der Haie beeinflusst. Als "Safety Diver" begleite ich sie im Wasser und sammle nebenbei viele Daten für meine Forschungsarbeit.

Wie sind die Reaktionen nach der ersten Haibegegnung?

Die meisten berichten mir, dass es eine der besten Erfahrungen ihres Lebens war und dass sie danach ein völlig anderes Bild von Haien haben. Das ist mir besonders wichtig.
Für mich ist es ein Muss zu erforschen, wie man Haie vor dem Aussterben bewahren kann. Sie sind unsere Zukunft. Denn sie sind ein bedeutender Bestandteil unseres Ökosystems.

Woher kommt dein grosses Interesse an Haien?

Das existiert, seitdem ich denken kann. Mein Vater war schon ein begeisterter Taucher. Delfine, Seelöwen, Wale und jegliche Art von Fischen habe ich immer schon geliebt, aber Haie üben eine besondere Faszination auf mich aus. Ich war immer total happy, wenn ich die Chance hatte einen beim Tauchen zu sehen.
Ich kann mich auch noch an die erste Haibegegnung erinnern, da war ich noch recht klein. Es war ein wunderschöner Leopardenhai vor San Diego.
Apropos San Diego: Dort ist das Wasser kälter und klarer als vor Hawaii. Was viele vielleicht nicht wissen: Das Jagdverhalten von Haien ist in klaren Gewässern anders ist als in Gewässern mit geringer Sicht. Dafür macht es viel Spass mit den kalifornischen Seelöwen zu tauchen. Die sind wie Unterwasser-Welpen. Die hawaiianischen Mönchsrobben sind da schon zurückhaltender. (lacht)

Tauchst du mit Haien immer ohne Schutz?

Die meisten meiner Tauchgänge habe ich ohne Schutz gemacht. Einen Käfig brauchte ich nur am Anfang meiner Studien. Einerseits, um den Tieren Respekt entgegenzubringen, und andererseits, um ihre Verhaltensweisen zu beobachten und zu analysieren.

Es hat eine Zeit gedauert, bis ich die Erfahrung hatte, um auch bei Weissen Haien den Käfig zu verlassen. Mittlerweile tauche ich in mir bekannten Gebieten frei mit den Grossen Weissen.

Wie ist das Gefühl, einen Hai zu berühren? Von manchen wirst du dafür kritisiert.


Ocean Ramsey
Apnoe-Tauchen - ohne Sauerstoffflasche - ermöglicht eine grössere Nähe zu den Tieren. © www.oceanramsey.com

Ich rate generell davon ab wilde Tiere zu berühren. Auch ich mache das nur ganz selten - nur wenn es verspielte Tiere sind oder sie aufgeregt werden. Wenn ich sie berühre, dann um sie zu beruhigen oder die Hierarchieebene zu durchbrechen. Wenn es grössere Haie sind, dann achte ich darauf, ob es sich um dominante Alpha-Tiere handelt oder der Hai meine Präsenz erlaubt.
Wenn ein Tier die Berührung zulässt, ist es unglaublich. Es zeigt damit, dass es ein Vertrauen zu dir aufgebaut hat und sich nicht gestört fühlt. Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht, als ich in meinen jüngeren Jahren Pferde trainiert habe. Auch Pferde müssen erst die Sättel und die Reiter akzeptieren. Zum Gefühl selbst: Bei den meisten Haien fühlt es sich weich an, ein bisschen wie Sandpapier.

Denkst du auch an die Gefahren? Also, dass du getötet oder verletzt werden kannst?

Es hat schon Situationen gegeben, in denen Haie mir gegenüber - aufgrund menschlicher Fehler - aggressiv wurden. Das waren immer Situationen, in denen Fischfutter im Spiel war.
Haie sind wilde Tiere und Jäger. Als solche muss man sie respektieren. Doch es ist wahrscheinlicher, dass ich bei einem Autounfall auf dem Weg zu den Haien sterbe als durch einen Hai selbst. Ich bin nicht der Mensch, der viel Zeit mit Schreckensszenarien verbringt. Nicht länger als notwendig zumindest.
Ich trainiere viel und versuche, mich auf alle Situationen extrem genau vorzubereiten, um damit umgehen zu können. Ich mache auch ein Trauma-Trainingsprogramm, das genau auf diese Dinge ausgerichtet ist. Dort lernt man zum Beispiel, wie man schnell und effektiv einen Haibiss behandelt.
Ausserdem achte ich auf meine Körpersprache und darauf, dass ich mich entsprechend verhalte, wenn ich in ihre Heimat eindringe. Haie sehen uns nicht als ihre natürliche Beute, sonst hätte ich wohl kaum noch Arme und Beine.

Das bedeutet Haie sind nicht die wilden Bestien, als die sie oft dargestellt werden?

Als Expertin kann ich sagen: Haie machen sehr wenige Fehltritte. Wenn, dann durch Menschen verursachte Fehler. Die meisten Unfälle mit Haien passieren aufgrund von Verwechslungen zum Beispiel wenn Surfer wie Robben aussehen.
Wir, als die vermeintlich intelligentere Spezies, sollten unser Verhalten so anpassen, dass wir Konflikte mit Haien vermeiden. Haie sind intelligent, neugierig und verteidigen ihr Revier. Sie werden von den meisten aber völlig falsch oder gar nicht verstanden. Haie werden dämonisiert.

Wenn man als durchschnittlicher Schwimmer oder Taucher mit einem Hai in Kontakt kommt, wie sollte man reagieren?

Augenkontakt ist das Wichtigste, um nicht als Beute wahrgenommen zu werden, sondern als gleichwertiger Jäger. Man muss sich langsam aus seinem Gebiet bewegen und sich umsehen, ob es noch andere gibt, die hinter einem schwimmen können. Das zeigt dem Hai, dass man nicht an einer Konfrontation interessiert ist.

Ocean Ramsey
Ocean Ramsey wagt sich schutzlos näher an Weisse Haie heran als viele Taucher im Käfig. © www.oceanramsey.com

Sobald man zwischen drei und fünf Meter ausserhalb der Reichweite ist, ist man ausserhalb seines Territoriums. Das beruhigt das Tier. Man sollte aber immer vorbereitet sein, einen Hai wegzustossen, wenn er zu nahe kommt. Dazu muss man ihn nicht schlagen oder verletzten. Um dominante Haie abzuwehren, reicht ein kurzes Wegdrücken mit steifem Arm.
Die letzte Konsequenz ist, aus dem Wasser zu steigen. Wenn man nicht aus dem Wasser rauskommt, hilft noch ein kräftiges Anblasen der Augen oder der Schnauze, dann wird der Hai schnell auch das letzte Interesse verlieren. Sofern man nicht von Blut oder Fischresten umgeben ist.
Aber sei dir immer bewusst: Wenn du ins Meer steigst, dringst du in ihre Heimat ein. Also sei vorsichtig und sei respektvoll.

Du tauchst ja auch Apnoe, also ohne Sauerstoffgerät, nur mit reiner Atemluft. Ist das notwendig, wenn man mit Haien tauchen will?

Luftblasen werden generell als aggressiv wahrgenommen, also ist Apnoe eine friedvolle Möglichkeit sich im Ozean zu bewegen. Ohne Lärm und ohne Luftblasen ist es mir möglich, viel näher an die Haie ranzukommen.
In Hawaii nennen wir es Freediving, und so fühlt es sich auch an. Wenn ich Apnoe tauche, dann fühle ich mich viel mehr mit der Umgebung und der Natur verbunden und kann auch meine Körpersprache gegenüber den Haien besser zum Ausdruck bringen.

Wie tief kannst du mit Haien tauchen und wie lange kannst du die Luft anhalten?

Mit Training sind es 6 Minuten und 20 Sekunden. 11 Sekunden vom nationalen Rekord entfernt. Was die Tiefe anbelangt, gehe ich nie tiefer als der oberste Hai, um die Rangordnung nicht zu stören. Mein tiefster Tauchgang mit einem Hai ging auf 53 Meter.

Ocean Ramsey (30) ist Meeresbiologin und erforscht Haie auf der ganzen Welt. Eines ihrer Lieblingszitate stammt vom senegalesischen Umweltschützer Baba Dioum: "Am Ende werden die Menschen nur schützen, was sie lieben, und nur lieben, was sie verstehen." Nach dieser Maxime klärt Ocean Ramsey über das Leben mit Meerestieren auf. Im Internet informiert die Hawaiianerin über ihre Projekte.
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