Sextortion: sexuelle Erpressung mit Nacktbildern

Ob auf Dating-Portalen oder beim Flirten auf Social Media: Wer von sich intime Bilder oder Videos mit anderen teilt, macht sich damit verwundbar. Denn Kriminelle können das kompromittierende Bildmaterial nutzen, um ihre Opfer zu erpressen. Nicht nur Erwachsene, sondern auch mehr und mehr Jugendliche sind Opfer der Erpressungsmasche. Wir sprechen mit der Digital-Expertin Inga Klas dazu.
Ein Interview von unserer Blog-Autorin Nicole
Lesedauer: 4 Min.


"Du zahlst oder ich veröffentliche alle Nacktfotos, die Du mir geschickt hast!"

Blog: Inga, die Fälle, in denen Menschen mit ihren Nacktaufnahmen im Netz erpresst werden häufen sich weltweit. Meldungen der deutschen Polizei und Justiz zufolge sind vor allem junge Männer betroffen. Was hat es mit dieser Art von Erpressung auf sich?

Inga: Der Begriff "Sextortion" setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern "Sex" und "Extortion" (Erpressung) und bezeichnet die Erpressung mit Bildmaterial, auf dem die betroffene Person nackt oder bei sexuellen Handlungen zu sehen ist. Um an solches Bildmaterial zu kommen, verwickeln Tatpersonen mit gefälschten Profilen Personen in einen erotischen Chat.

Das Ziel ist, sie dazu zu bringen, eigene Nacktaufnahmen oder Bildmaterial mit sexuellen Handlungen im Chat zu teilen. Dieses Material wird gespeichert oder per Screenshot gesichert und dann für die Erpressung genutzt, mit der Drohung, das Material zu veröffentlichen, falls nicht bezahlt wird.

Der Kontakt kommt meistens über Chats, Videospiele oder auf sozialen Medien zustande. Ziel sind tatsächlich häufig jüngere Männer bzw. männliche Jugendliche, da in dieser Generation das Teilen von digitalen Inhalten zur sexuellen Lebenswelt dazu gehört. Entsprechend sind sie eher und schneller bereit, solche Inhalte zu teilen.
Jüngere Männer bzw. Jugendliche sind besonders häufig Ziel sexueller Erpressung
Jüngere Männer bzw. Jugendliche sind besonders häufig Ziel sexueller Erpressung
Erpressungsangriffe gibt es aber auch auf Frauen. Hier sind die Strategien allerdings oft längerfristig angelegt, die erpressten Beträge dafür oft deutlich höher. Beim so genannten "Romance Scam" wird den Betroffenen über einen längeren Zeitraum eine romantische Fernbeziehung über digitale Kanäle vorgegaukelt.

Sobald die betroffene Person sich emotional an die Tatperson gebunden hat, kommen hohe Geldforderungen, z. B. für Arztbehandlungen oder Reisekosten. Im Fokus der Tatpersonen stehen hier häufig allein lebende, ältere Personen. Sie sind zum einen häufig nicht gut informiert über derartige Angriffe und verfügen über höhere Geldsummen. Bei einsamen Menschen haben die Tatpersonen dazu oft ein leichtes Spiel, weil die Strategie auf deren nicht erfüllte Bedürfnisse abzielt.

Eine dritte Erpressungsmethode zielt vor allem auf jüngere Frauen ab. Bei der so genannten "Loverboy Methode" wird den Frauen zunächst eine Beziehung vorgegaukelt, später werden sie von den Tatpersonen allerdings zur Prostitution gezwungen. Für die Aufklärung über diese Methode setzt sich u.a. der Verein "Liebe ohne Zwang" ein.
 Unermüdlich für die Cyber-Sicherheit von Kindern und Jugendlichen unterwegs: Inga Klas vom Medien Kompetenz Team.
Unermüdlich für die Cyber-Sicherheit von Kindern und Jugendlichen unterwegs: Inga Klas vom Medien Kompetenz Team.
Zur Person: Inga Klas ist seit 25 Jahren in der Digitalbranche tätig und beschäftigt sich seit zehn Jahren mit dem Thema "Kinder und Jugendliche im Netz". Seit sechs Jahren führt sie für das Medienkompetenz Team e.V. in Karlsruhe Workshops an Schulen, Elternabende und Infoveranstaltungen rund um dieses Thema durch und lässt ihre praktischen Erfahrungen in Bildungs- und Forschungsprojekte einfließen.
Blog: Wer eine Erpressernachricht mit einer derart heftigen Drohung wie oben im Text bekommt, ist natürlich alarmiert! Schließlich will niemand, dass seine intimen Aufnahmen öffentlich gemacht werden. Aber was tut man als Betroffene(r) in solch einer Situation?

Inga: Grundsätzlich sollte man schon vor dem Verschicken solcher Bilder einmal in Ruhe die möglichen Konsequenzen durchdenken. Das gilt übrigens auch für das Verschicken von Nacktaufnahmen in einer festen Beziehung, denn auch dort kann es passieren, dass die Bilder in falsche Hände geraten oder vom Partner gegen einen verwendet werden.

Manche Menschen empfinden es als weniger kritisch, für andere wäre es eine große Katastrophe. Wenn letzteres der Fall ist, sollte man solche Aufnahmen eher nicht verschicken oder zumindest Vorsichtsmaßnahmen treffen. Dazu gibt es gute Tipps unter www.safer-sexting.de.

Falls man doch erpresst wird, gilt, wie bei vergleichbaren Delikten: Wer zahlt, hat keine Garantie, dass die Tatperson nicht weitere, dann meist höhere Forderungen stellt. Deswegen ist die Empfehlung, nicht zu bezahlen und die Erpressung bei der Polizei anzuzeigen, auch wenn das vielleicht Überwindung kostet.

Leider gehen viele Betroffene aus Scham diesen Weg nicht, so dass es eine hohe Dunkelziffer bei diesen Delikten gibt und die Tatpersonen häufig ungeschoren davonkommen. Weitere Infos dazu gibt es auf der Seite der Juuuport-Beratung.
Sextortion: Perfide Erpressung
Sextortion: Perfide Erpressung
Und noch etwas: Aktuell scheint es auch immer mehr Fälle zugeben, in denen die Cyberkriminellen nur vorgeben, intimes, kompromittierendes Bildmaterial des Opfers zu besitzen. Dazu versenden sie ihre Erpresserschreiben massenweise als Spam-Mails und hoffen auf ein paar Treffer. Auch das gilt es immer zu bedenken, wenn man ein solches Schreiben bekommt.

Eine Sache könnte den Tatpersonen das Geschäft übrigens zukünftig vermiesen: Mit der schnellen Verbreitung von KI-Anwendungen lassen sich Nacktaufnahmen mittlerweile schnell und einfach fälschen. Das könnte den Druck auf die Betroffenen im Fall einer Erpressung senken – hoffentlich – so die Denke – würde die Öffentlichkeit von gefaktem Bildmaterial ausgehen. Gleichzeitig entstehen durch KI-generierte Fakebilder aber natürlich andere Probleme.   

Blog: Blickt man sich um, so ist das Thema Sextortion ein Cybercrime-Phänomen, das auch schon Kinder und Jugendliche betrifft. Aber wie muss man sich das vorstellen? Kinder sind ja wohl kaum auf Dating-Plattformen unterwegs. Wer sind da die Täter?

Inga: Wie bereits erwähnt, finden viele Angriffe in Chats, Videospielen und auf sozialen Medien statt – genau da, wo Kinder und Jugendliche unterwegs sind. Bei jüngeren Kindern ab einem Alter von ungefähr acht Jahren treten solche Übergriffe in Form des so genannten "Cybergroomings" auf.

Dabei erschleichen sich Erwachsene oder ältere Jugendliche in Chats, Videospielen oder in sozialen Medien das Vertrauen der Kinder, um am Ende entweder Bildmaterial oder ein Treffen zu erpressen. Häufig geben sich die Tatpersonen als Kinder oder Jugendliche aus und nehmen sich viel Zeit, Informationen zu sammeln und das Vertrauen zu erschleichen.

Blog: Und wie lässt sich so etwas verhindern? Wie können Eltern und Erziehende am besten vorbauen, damit ihren Kindern so etwas nicht passiert?

Inga: Wirklich geschützt sind Kinder und Jugendliche vor solchen Angriffen nur dann, wenn sie von Erwachsenen in der digitalen Welt begleitet werden.
Kinder unter 10 Jahren sollten das Internet gar nicht alleine nutzen. Danach sollten die Kinder Schritt für Schritt in die eigenständige Nutzung begleitet werden.

Eltern müssen Kinder ganz konkret über mögliche Risiken aufklären – auch, wenn das bei so harten Themen wie sexueller Erpressung und Missbrauch besonders schwerfallen mag: Es geht schließlich um die Privat- und Intimsphäre der Kinder. Und um deren Unversehrtheit.

Dann sollten wir den Kindern auch die entsprechenden Schutzmaßnahmen beibringen: Wie sie zum Beispiel gefälschte Profile erkennen oder Nachrichten abwehren, in denen sie ausgefragt werden.

Blog: Vielen Dank für das Interview, Inga.


Quellen:

https://www.bayern.de/sextortion-betrueger-erpressen-weltweit-vor-allem-junge-maenner-mit-intimen-bildern-bayerns-justizmi-nister-eisenreich-warnt-vor-dem-cybercrime-phaenomen-sextortion-zentralstelle-cybercr/ Stand: 03.04.2025
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