• Der Umstieg aufs E-Auto oder den Hybrid wird für viele immer attraktiver.
  • Eine Umrüstung klingt da sehr verlockend: Warum sich ein neues Auto zulegen, wenn man ein vorhandenes elektrifizieren kann?
  • So leicht wie die Umrüstung in der Theorie klingt, ist sie in der Praxis aber leider nicht.

Mehr Autothemen finden Sie hier

"Wenn man ein Auto unter Strom setzt, muss man wissen, was man tut", sagt Dennis Murschel. Der Karosseriebauer aus Renningen (bei Stuttgart) hat früher bei Mercedes gearbeitet. Lange war er selbst in der Tuning-Szene aktiv und hat PS-starke Benzinautos aufgemotzt. Inzwischen konzentriert er sich aber auf den Umbau von Verbrennern zu Stromern.

Die Idee klingt verlockend. Warum ein komplett neues Auto bauen, wenn man ein vorhandenes elektrifizieren kann? Das würde nicht nur Rohstoffe und Energie sparen, sondern es Fahrzeughaltern ermöglichen, ihren "Liebling" weiterhin zu fahren. Doch ganz so leicht, wie die Umrüstung in der Theorie klingt, ist sie in der Praxis nicht.

"Natürlich kann man eine Batterie festnageln, einen Controller dranschrauben und versuchen, damit loszufahren", sagt Murschel. "Aber das ist was für Hobbybastler." Seine Kunden legten Wert auf ein Auto, das hinterher auch funktioniert – und durch den TÜV kommt. Murschel hat sich auf historische VW Käfer spezialisiert. Sie werden komplett zerlegt, entlackt und entkernt.

100.000 Euro für Umbau und Restauration

"Wenn die Autos hier ankommen, sind sie Schrott", sagt der Karosseriebauer. "Wir retten, was zu retten ist, bevor wir sie umbauen." Am Ende bleibt vom Original nicht mehr viel übrig – "Retrokäfer" heissen die restaurierten Oldtimer, die von nun an elektrisch fahren. Laut Murschel halten ihre Akkus bis zu 150 Kilometer durch.

Umbau und Restauration kosten mindestens 100.000 Euro, bei Sonderwünschen auch deutlich mehr. Noch ist die Nachfrage nach solchen Diensten recht gering, jedes Auto eine neue Herausforderung. All das macht die Arbeit langwierig und teuer. Wer Oldtimer umrüsten will, ist meist ein gut situierter Oldtimer-Enthusiast.

"Von dem Gedanken, durch einen Umbau etwas zu sparen, muss man wegkommen", sagt Murschel. Selbst die einfachste Variante ohne Restaurierung koste mindestens 30.000 Euro – ein Preis, für den man inzwischen durchaus ein kleines Elektroauto bekommt, und zwar neu.

Ohne Software klappt der Umbau nicht

"Die grösste Herausforderung beim Umbau ist die Software", erklärt Murschel. "Wenn das Auto fertig ist, müssen ABS, ESP und all die anderen Sicherheitssysteme immer noch funktionieren." Er selbst arbeite dafür mit VW zusammen. Viele andere Hersteller gäben ihre Software aber nicht frei.

Wer all das beherzigt, die hohen Kosten einpreist und ausserdem Geduld mitbringt, bekommt am Ende einen funktionsfähigen Stromer. So erging es auch Roland Schüren. Der Bäckermeister aus Hilden betreibt nicht nur einen der grössten Ladeparks für Elektroautos in Deutschland. Er hat seine Lieferfahrzeuge auch umrüsten lassen. Zwei Sprinter – früher mit Dieselmotor unterwegs – rollen nun elektrisch, genau wie ein restaurierter VW-Bully aus dem Jahr 1975, der ebenfalls für Auslieferungen zum Einsatz kommt. Gerade am Anfang hätten sich die Mitarbeiter umstellen müssen. "Jedes Fahrzeug kommt am Tag auf 150 Kilometer", sagt Schüren. "Als wir im Winter eine spontane Tour gemacht haben, mussten wir in Wuppertal zwischenladen." Doch inzwischen hätten sich alle an die batteriegetriebenen Sprinter gewöhnt.

So finden Sie kostenlose Ladesäulen für Ihr E-Auto

Die Strompreise steigen stark an, was E-Auto-Besitzern zunehmend Sorge bereitet. Es gibt aber Möglichkeiten, sein Fahrzeug kostenlos aufzuladen. (Foto: imago images/bodenseebilder.de)

Bleibt die Frage nach dem Preis. Im Internet gibt es automatische Rechner, mit denen sich die Umbaukosten abschätzen lassen. Auch dort wird schnell klar: Wer ein halbwegs alltagstaugliches Fahrzeug möchte, das schneller als 80 km/h fährt und eine passable Reichweite hat, wird kaum unter 20.000 Euro kommen – Einzelprüfungen durch den TÜV noch nicht eingerechnet.

Als preisgünstige Alternative bleibt letztendlich nur noch die private Bastelei. Ob ein solcher Eigenbau hinterher aber auch auf öffentlichen Strassen fahren darf, ist mehr als ungewiss. Tatsächlich stellt die Zulassung mitunter ein grösseres Problem dar als die Umrüstung selbst. In Tuning-Foren berichten private Bastler regelmässig von Schwierigkeiten bei der behördlichen Abnahme.

Kommt der umgebaute Oldie durch den TÜV?

Auch Umbau-Experte Dennis Murschel bietet für Kunden auf Wunsch eine "TÜV-Begleitung" an, damit diese nach der Elektrifizierung ihres Lieblingsautos keine böse Überraschung erleben. Der TÜV selbst rät, vor etwaigen Umbauten unbedingt mit den zuständigen Prüfern zu sprechen. "Das ist ein sehr diffiziles Thema", bestätigt Vincenzo Lucà vom TÜV-Süd. Zu Problemen komme es immer dann, wenn das umgebaute Auto nicht mehr den Eigenschaften entspreche, die es laut Zulassung habe.

So könne sich durch den Einbau einer Batterie etwa das Gesamtgewicht deutlich erhöhen. Nach einem Umbau können sich auch die Höchstgeschwindigkeit und die Leistung des Fahrzeugs verändern. "Das ist sicherheitsrelevant, weil die Bremsen auf bestimmte Leistungen ausgelegt sind", erläutert Lucà. Eigenbauten aus der heimischen Garage sieht er daher skeptisch. "Für solche Arbeiten gibt es Spezialisten."

Wer es trotzdem wagen möchte, kann als Hilfestellung das "VdTÜV-Merkblatt 764" konsultieren. Diese Handreichung, herausgegeben vom Verein der TÜV, erläutert detailliert, welche technischen Vorgaben bei einem Eigenbau einzuhalten sind. Beispiel: "Sämtliche HV-Leitungen, die nicht in Gehäusen verlegt sind, müssen eine orangefarbene Aussenhülle haben." Das 18-seitige Merkblatt kann über den Online-Shop des VdTÜV bezogen werden; es kostet 47,06 Euro als gedruckte Version oder 43,15 Euro als pdf-Datei.

Teurer als ein neues Auto

Wie viele Fahrzeughalter ihre Benziner pro Jahr umrüsten lassen, darüber gibt es keine Statistik. Auch der TÜV erfasst derartige Prüfungen nicht in einer eigenen Kategorie. Fest steht, dass die Rechnung vom "günstigen Umbau" nicht aufgeht. In der Regel sind solche Projekte nicht nur aufwendiger, sondern auch deutlich teurer als ein fabrikneues E-Auto.

Aber darum geht es echten Enthusiasten ja auch nicht. Roland Schüren, der Bäckermeister aus Hilden, bringt es auf den Punkt: "Eine Hochzeitstorte kostet eben mehr als ein Brötchen."

Verwendete Quellen:

  • TÜV Verband: Merkblatt: Fahrzeug und Mobilität 764; Elektrofahrzeuge im Einzelgenehmigungsverfahren
Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

  © RiffReporter

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.