Berlin - Auf dem E-Auto-Markt läuft sich ein neuer Mitbewerber warm. Denn nachdem Nio bereits 250.000 Fahrzeuge in China verkauft hat, kommt die junge Automarke jetzt auch nach Deutschland. Noch im Herbst sollen die ersten Auslieferungen der elektrischen Oberklasse-Limousine ET7 beginnen. Im Frühjahr folgen voraussichtlich das grosse SUV EL7 und danach der etwas kleinere ET5.
Nio will die Kunden nicht nur mit eleganten Formen, leistungsstarken Antrieben und innovativer Ausstattung ködern, sondern auch mit einem neuen Vertriebskonzept: Statt stationärer Händler gibt es einen Online-Shop. Geplant sind lediglich noch eine Handvoll "Nio-Houses", die in den Metropolen Raum für Begegnungen bieten sollen. Anstatt sie zu kaufen, kann man die Autos nur abonnieren - zu Preisen, die beim ET7 bei 1199 Euro im Monat starten. Besteht Reparaturbedarf, kommen die Mechaniker mit einem Ersatzwagen zu den Kunden.
Viele Sensoren, wenig Stauraum
Die 5,10 Meter lange Luxuslimousine ist extrem windschnittig und sieht Startup-Konkurrenten wie dem Lucid Air oder dem Tesla Model S auf den ersten Blick ziemlich ähnlich. Die Unterschiede offenbart jedoch der zweite Blick - etwa auf das Sensor-Set für das autonome Fahren. In der Hoffnung auf baldige Software-Updates wurde es bereits eingebaut, ohne dass der ET7 mehr könnte als die Spur und den Abstand zu halten. Dafür ragen die Sensoren aber aus dem Dach hervor und stören das Gesamtbild. Auch bei den praktischen Tugenden erlaubt sich Nio ein paar Patzer. Beispielsweise gibt es keinen Frunk, nicht mal ein Handschuhfach. Zudem lassen sich die Rücklehnen nicht umklappen, um den Kofferraum zu erweitern.
Aufladen in fünf Minuten
Mehr hervortun könnte sich Nio mit der Batterie. Sie verfügt wahlweise über 75 kWh für maximal 385 Kilometer oder über 100 kWh für maximal 505 Kilometer Reichweite. Diese Werte sind zwar allenfalls gehobener Durchschnitt, genau wie die maximale Ladeleistung von 11 kW an der Wallbox und 130 kW am Gleichstrom. Doch dafür ist Nio der erste und einzige Hersteller, der auf den automatischen Batteriewechsel setzt.
Statt geduldig an der Steckdose zu stehen, fährt der ET7 in eine automatische Wechselstation. Dort wird der leere Akku binnen fünf Minuten einfach gegen einen vollen ausgetauscht. In der Theorie ist der Nio damit genauso schnell wieder flott wie ein Verbrenner. In der Praxis allerdings hat die Sache einen Haken: Während es in China bereits 1100 Wechselstationen gibt, sind es in Europa erst drei, und zum Jahresende sollen es gerade mal 20 sein.
Ein digitaler Beifahrer namens Nomi
Innen folgt Nio wiederum seinen Vorbildern Tesla und Lucid. So ist der ET7 radikal reduziert und lockt neben nachhaltigen Materialien vor allem mit einer luftigen Leere im Cockpit. Auf dem Armaturenbrett thront allerdings ein kleiner Helfer, der dem Bediensystem buchstäblich ein Gesicht gibt: Nomi heisst die charmante Assistenz, die munter drauf los plappert und dabei den Blickkontakt zum Fahrer sucht. Ähnlich wie Siri beim iPhone oder Alexa bei Amazon kann sie viel mehr als Sprachbefehle ausführen. Sie ist sogar in der Lage, vom Fahrer ein Foto zu schiessen. Datenschützer dürften daher einige Bedenken haben.
Das Fahren selbst fühlt sich relativ vertraut an. Mit 180 kW/245 PS an der Vorderachse und 300 kW/408 PS im Heck taugt die E-Limousine gleichermassen zum Cruisen und Sprinten. Schliesslich schwebt sie nicht nur auf ihren Luftfedern gelassen übers Kopfsteinpflaster, sondern jagt auch engagiert durch die Kurven. Beschleunigungswerte von 3,8 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h sind bei E-Autos allerdings keine Seltenheit. Und dass Nio bei 200 km/h schon wieder den Stecker zieht, will nicht so recht zum Tesla-Herausforderer passen. Das Model S ist genau wie der Lucid Air deutlich schneller.
Fazit: Gefährlicher Tesla-Rivale aus Shanghai
Aiways, MG, BYD: Nio ist nicht der einzige Hersteller aus China, der mit Elektroautos nach Deutschland drängt. Doch die neue Marke aus Shanghai hat wohl die besten Aussichten hier Fuss zu fassen. Das liegt vor allem am einzigartigen Bedienkonzept und dem flexiblen Abo-Modell. Und in der Zukunft dürften auch die Wechselakkus, die die Ladezeiten radikal verkürzen, und die Hardware-Vorrüstung fürs autonome Fahren einen entscheidenden Vorteil bringen. Deshalb könnte Nio seinem Vorbild Tesla durchaus gefährlich werden.
Datenblatt: Nio ET7
Motor und Antrieb | Elektroantrieb mit zwei Motoren |
Max. Leistung: | 480 kW/653 PS |
Max. Drehmoment: | 850 Nm |
Antrieb: | Allradantrieb |
Getriebe: | Eingang-Getriebe |
Masse und Gewichte | |
Länge: | 5101 mm |
Breite: | 1987 mm |
Höhe: | 1509 mm |
Radstand: | 3060 mm |
Leergewicht: | 2379 kg |
Zuladung: | k.A. |
Kofferraumvolumen: | k.A. |
Fahrdaten: | |
Höchstgeschwindigkeit: | 200 km/h |
Beschleunigung 0-100 km/h: | 3,8 s |
Durchschnittsverbrauch: | 19,0 kWh/100 km |
Reichweite: | 505 km |
Batteriekapazität: | 100 kWh |
CO2-Emission: | 0 g/km |
Kraftstoff: | Strom |
Schadstoffklasse: | k.A. |
Effizienzklasse: | A+ |
Kosten: | |
Grundpreis des Nio ET7: | ab 1199 Euro/Monat (nur im Abonnement) |
Typklassen: | k.A. |
Kfz-Steuer: | 0 Euro/Jahr |
Wichtige Serienausstattung: | |
Sicherheit: | Sieben Airbags, ESP, Spurhalte- und Abstandsregelung |
Komfort: | 3-Zonen-Klimaautomatik, Digitale Instrumente, Sitzheizung, Digitaler Beifahrer "Nomi" |
Alle Angaben laut Hersteller © dpa
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