- Elektroautos sind die grossen Gewinner der Mobilitätswende.
- Doch die Umweltverträglichkeit der Elektrofahrzeuge ist vor allem aufgrund der verbauten Rohstoffe umstritten.
- Und auch beim Recycling der Akkus muss sich laut Experten noch viel tun.
Beim Elektroauto gibt der Verwaltungsapparat Vollgas. Keine zwei Jahre werden vergangen sein, wenn Tesla-Chef
Die Regierung handelte dabei nicht uneigennützig. Sofern Deutschland seine Klimaziele erreichen will, ist die Elektrifizierung des Transportsektors alternativlos. Bis 2030, so sieht es der Beitrag zum Pariser Klimaabkommen vor, soll der CO2-Ausstoss in Deutschland um 50 Prozent sinken. PKW, Motorräder und Lastwagen müssen mindestens 65 Millionen Tonnen beisteuern. Das ist ungefähr so viel, als würde drei Jahre lang kein Flugzeug mehr abheben. Erst kürzlich hat der Verband der Automobilindustrie vorgerechnet, dass die enormen Einsparungen nur dann zu erreichen wären, wenn 2030 jedes zweite Auto elektrisch fährt. Gefühlt ist es fast schon so weit – zumindest in den Innenstädten: Dort gehören die leisen Flitzer längst zum gewohnten Bild.
Ob damit die Umweltbilanz des Strassenverkehrs gerettet wird, ist noch nicht ausgemacht. Rund 13 Kilogramm Lithium und Kobalt werden in den bis zu 700 Kilogramm schweren Akkus verbaut, ihre Fördermethoden sind hochumstritten. Schmälert das den Effekt?
Experte nennt die Debatte "heuchlerisch"
Nachfrage bei Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW-Hochschule Berlin. Er möchte zunächst mit einem Missverständnis aufräumen. "Man hört in der Diskussion oft von seltenen Erden", so der Experte. "Aber seltene Erden werden in Elektrobatterien gar nicht verwendet. Lithium und Kobalt sind auch nicht problematischer als viele andere Rohstoffe."
Quaschning hält die Kritik an Arbeitsbedingungen in Minen und Umweltschäden im Abbau für berechtigt. Die Rohstoffdebatte nur auf das E-Auto zu fokussieren, hält er allerdings für falsch. Die Rechnung ist einfach: Bis heute übersteigt der Bedarf an Lithium für Laptops, Kameras oder Stahllegierungen die Nachfrage der Autohersteller. Kobalt kommt zum Beispiel als Trocknungsmittel in vielen Farben zum Einsatz oder wird für Speziallegierungen in Flugzeugtriebwerken verwendet. Angesichts der aktuell bekannten globalen Reserven für Lithium (16 Millionen Tonnen), Kobalt (7,1 Millionen Tonnen) und Nickel (74 Millionen Tonnen) erwartet auch das Freiburger "Öko-Institut" in den nächsten Jahren keine Verknappung. "Mir kommt die Diskussion schon etwas heuchlerisch vor", kritisiert Quaschning.
Problematisch ist Lithium allerdings nicht nur, weil Rohstoffe endlich sind, sondern auch, weil ihr Abbau mit grossen Umweltschäden einhergehen kann. Um Lithium zu gewinnen, müssen Wasserschichten mit hoher Salzkonzentration an die Oberfläche gepumpt werden, was dazu führt, dass Grundwasser aus der Umgebung nachfliesst. Die Folge ist ein Absinken des Wasserspiegels, mit schweren Folgen für Tiere, Pflanzen und Menschen. In der Atacama-Wüste in Chile, einem besonders wirtlichen Ort für die Lithium-Gewinnung, kämpfen die Einheimischen mit einem mächtigen Konkurrenten um die knappen Wasserressourcen – den Minengesellschaften. Das ist die Kehrseite der Elektromobilität.
Autoindustrie hat das Lithium-Problem erkannt
Teile der Autoindustrie haben ihre Zulieferer deshalb verpflichtet, ihre Produktionsstätten aus Chile abzuziehen. Seit einigen Jahren hat Australien, wo Lithium im Bergbau gewonnen wird, Chile als grössten Exporteur verdrängt. Lithium aus Australien ist deutlich teurer, aber umweltschonender. BMW will beispielsweise ab dem kommenden Jahr seinen gesamten Lithium- und Kobalteinkauf für Autoakkus selbst organisieren und dabei ausschliesslich auf australische Produkte setzen. Einige Modelle wie etwa Tesla Model S, Audi E-Tron oder Renault Zoe kommen laut Herstellerangaben sogar ganz ohne seltene Erden aus. Auch deshalb sieht Experte Quaschning berechtigten Anlass zur Hoffnung: "Schon in wenigen Jahren werden Akkus mit einem Bruchteil der Rohstoffe von heute auskommen, problematische Rohstoffe werden ersetzt und die Rohstoffe lassen sich durch moderne Technologien deutlich umweltfreundlicher fördern und recyceln."
Bis dahin geht es erst einmal darum, die bestehenden Laufzeiten zu verlängern. Experten schätzen, dass die Lebensdauer der Akkus noch lange nicht ausgereizt ist. Die Autobauer zahlen heutzutage hohe Summen dafür, um Akkus zu entwickeln, die möglichst lange halten. 160.000 Kilometer Garantie auf die Batterie sind mittlerweile der Branchenstandard, einzelne Autohersteller wie Toyota versprechen sogar eine Million. Das ist länger als die meisten Verbrennermotoren schaffen.
Ausgediente Autoakkus haben ein zweites Leben
Wenn die Batterien zu schwach für den Motoreinsatz sind – das ist in der Regel bei einem Energiegehalt von 70 bis 80 Prozent der Fall – werden sie nicht verschrottet, sondern als stationärer Stromspeicher genutzt, zum Beispiel für erneuerbare Energien. "Secondary Life" heisst der Fachbegriff. Was geht, ist beispielsweise am Fährterminal des Hamburger Hafens sichtbar, wo ein Grossspeicher aus zusammengeschalteten BMW i3-Akkus Schwankungen im Hamburger Grossnetz ausgleicht. Auch am Leipziger Werk, wo der i3 gebaut wird, haben die Bayern einen Speicher aus 700 zusammengeschalteten Batterien errichtet, der Solar- und Windstrom speichert.
Länger als 15 Jahre hält allerdings kaum ein Akku der aktuellen Generation durch. Damit droht in den nächsten Jahren die Zahl der zu entsorgenden Akkus hochzuschnellen. Das Recycling wird dann nicht nur zu einem technischen, sondern auch einem politischen Akt.
Umweltschützer kritisieren etwa, dass die meisten Autohersteller lieber neue Rohstoffe aus Minen beziehen, als eine Infrastruktur für einen geordneten Recycling-Prozess aufzubauen. In einigen Staaten wie Italien, Österreich und der Schweiz gibt es aktuell noch keine einzige Firma, die zertifiziert ist, Lithium-Ionen-Batterien zu verwerten. Auch im eigentlichen Elektro-Vorzeigeland Norwegen sieht es ähnlich mau aus. Dieser Umstand trägt mitunter kuriose Blüten. Als ein Autofahrer im vergangenen Jahr seinen Tesla auf einer Landstrasse in Tirol (Österreich) zerlegte, dauerte es Wochen, bis ein Recycling-Unternehmen das havarierte Fahrzeug mitsamt der Batterie entsorgen konnte.
Schuld sind nicht nur die Autobauer, sondern auch die Schläfrigkeit der EU. Eine Richtlinie aus Brüssel, die die Entsorgung von Batterien regelt, stammt noch aus einer Zeit, in der Elektroautos nur Bauskizzen waren. So müssen lediglich 50 Prozent der Batterie recycelt werden, was allein durch das Entfernen von Gehäuse und Komponenten erreicht wird. Die kostenintensive Wiedergewinnung der Rohstoffe tut sich mit dieser Regelung kaum ein Unternehmen an.
Experte Quaschning mahnt deshalb, zeitnah in die Kreislaufwirtschaft einzusteigen. Technisch sei das kein Problem. "Recycling-Unternehmen haben inzwischen Verfahren entwickelt, bei denen der Akku mechanisch zerkleinert und dann in seine einzelnen Rohstoffkomponenten aufgeteilt wird. Das spart viel Energie und erlaubt sehr hohe Rückgewinnungsquoten." Es scheint also, als fehle jetzt nur noch der Wille.
Verwendete Quellen:
- Efahrer.com: Rohstoffe für E-Autoakkus: So kritisch ist deren Förderung wirklich
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Welchen Rohstoffbedarf haben Elektroautos?
- Springer Professional: Ist Second Life besser als direktes Akku-Recycling?
- ADAC: So funktioniert das Recycling
- PwC: Bis 2030 ist jeder dritte Neuwagen in der EU ein Elektroauto
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