Seit knapp einer Woche gilt in zwei Strassen in Hamburg das bundesweit erste Fahrverbot für Diesel-Pkw. Gerade dort fragen sich aber viele Menschen nun, wie viel solche Verbote bewirken können, wenn gleichzeitig in anderen Bereichen die Emissionen steigen, zum Beispiel bei den Kreuzfahrtschiffen.
AIDAperla, MSC Meraviglia, Seabourn Ovation, MSC Magnifica, AIDAsol - sie alle werden in den kommenden Tagen im Hamburger Hafen ankern.
Ein Spektakel für Schiffsliebhaber, aber auch ein Umweltproblem. Denn die 300 Meter langen Schiffe, die mehrere Tausend Passagiere transportieren, stossen auf See und im Hafen jeden Tag viele Tonnen schädliche Stoffe aus.
Nicht nur Karikaturist Marian Kamensky versteht vor diesem Hintergrund das Fahrverbot für Dieselautos offenbar nicht.
Für das Hamburger Abendblatt hat er ein riesiges Containerschiff gezeichnet, das eine immense schwarze Wolke absondert, davor ein Polizist, der ein Dieselauto anhält und das Bussgeld kassieren will.
Ob Kreuzfahrtschiff oder Containerschiff - die Luftverschmutzung, die sie verursachen, ist in etwa gleich.
Der renommierte Umweltexperte Axel Friedrich hat schon vor ein paar Jahren Autos mit Schiffen von rund 200 Metern Länge und einer Leistung von rund 36.000 kWh dahingehend miteinander verglichen.
Das Ergebnis: Das Schiff stösst pro Tag etwa 476 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) aus, das entspreche den CO2-Emissionen von rund 84.000 Pkw.
Ein Kreuzfahrtschiff = 400.000 Pkw?
Bei Stickoxiden und Feinstaub fiel der Vergleich noch drastischer aus. Da waren es mehrere Hunderttausend Autos, bei Schwefeldioxid sogar über 300 Millionen. Diese Stoffe sind für die Gesundheit noch schädlicher als CO2, das vor allem als Antreiber der Erderwärmung bekannt ist.
Schwefeldioxid kann in konzentrierter Form zu saurem Regen führen und greift die Schleimhäute an, Feinstaub kann Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen auslösen, Stickoxide können die Atemwege reizen.
Dass Schiffe so viele Schadstoffe emittieren, liegt daran, dass die meisten von ihnen mit Schweröl fahren, einer Art Abfallprodukt der Erdölverarbeitung.
Bei der Verbrennung dieses nicht gerade hochwertigen Öls werden diese Stoffe freigesetzt. Im Schnitt sind es pro Schiff und pro Tag 7,5 Tonnen Schwefeldioxid, 450 Kilogramm Feinstaub und 5,3 Tonnen Stickoxide - 5,3 Tonnen Stickoxide entsprechen laut Axel Friedrich rund 421.000 Pkw.
Höhere Grenzwerte als im Strassenverkehr
Kritiker solcher Statistiken sagen zwar, dass gerade Kreuzfahrtschiffe pro Tag viel mehr Menschen transportieren als ein Auto und auch mehr Strecke zurücklegen, dass sie also in einem Pro-Kopf-Vergleich nicht ganz so schlecht abschneiden würden.
Dennoch ist die Menge der Emissionen enorm. Dazu kommt, dass die Grenzwerte höher liegen als etwa im Strassenverkehr.
Für den Schwefelgehalt im Schiffstreibstoff liegt er zum Beispiel derzeit noch bei 3,5 Prozent (ab 2020 bei 0,5 Prozent), in besonders schützenswerten Gebieten, zu denen auch Nord- und Ostsee zählen, bei 0,1 Prozent.
Diesel-Kraftstoffe für Pkw und Lkw dürfen in der Europäischen Union hingegen maximal 0,001 Prozent Schwefel enthalten.
Nicht nur wegen des Schwefels muss die Schifffahrt nach Ansicht vieler Experten "grüner" werden - vor allem vor dem Hintergrund, dass die Branche wächst und künftig wohl noch viel mehr riesige Schiffe über die Meere fahren werden.
Kreuzfahrtschiffe verschmutzen mehr als Containerschiffe
Derzeit gibt es laut eines Info-Papiers des Naturschutzbund Deutschland (NABU) weltweit rund 600 Kreuzfahrtschiffe. Ihr Anteil am gesamten Schiffsverkehr macht nur fünf bis sieben Prozent aus, aber besonders in den Häfen sind sie oft grössere Luftverschmutzer als die Containerschiffe.
Denn ihre Motoren laufen auch an den Liegeplätzen rund um die Uhr. Klimaanlagen, Restaurants, Kinos und Spa wollen ja weiter betrieben werden.
"Auch bei den Handelsschiffen laufen am Liegeplatz zwar Motoren, allerdings sind das meist kleinere Hilfsmotoren", so der Leiter Verkehrspolitik beim NABU, Dietmar Oeliger, zu unserer Redaktion.
Es gibt Ideen, für Schiffe am Liegeplatz Landstrom zu nutzen, sie also gewissermassen an eine Steckdose anzuschliessen. Allerdings gibt es dagegen in der Branche grosse Widerstände, weil viele Schiffe umgerüstet werden müssten.
Flüssiggas und Hybridantriebe als Alternativen
Bleibt also noch die Möglichkeit, den Antriebsstoff zu ändern. Aus der Sicht des NABU-Experten Dietmar Oeliger wäre Erdgas in einer sehr dichten Form, als sogenanntes Flüssiggas (Liquified natural gas, LNG), die beste Alternative zum Schweröl.
Ein erstes Kreuzfahrtschiff mit diesem Antriebsstoff soll tatsächlich noch in diesem Jahr vom Stapel gehen.
"Wenn er sich durchsetzen würde, wäre das ein grosser Schritt in Sachen Luftreinhaltung, denn Schiffe mit Flüssiggas-Antrieb stossen kaum Schwefeldioxide, Feinstaub und Stickstoffoxide aus", so Oeliger.
Den Klimawandel bekäme man damit aber nicht in den Griff, denn der CO2-Ausstoss sei ähnlich hoch wie bei der Verwendung von Schweröl oder Schiffsdiesel. Andere Möglichkeiten, Kreuzfahrten umweltfreundlicher zu machen, sind Hybridantriebe, also teilweise elektrische Antriebe sowie verbesserte Abgas-Filtersysteme.
In seinem jüngsten Kreuzfahrt-Ranking stellte der NABU abermals fest, dass Russpartikelfilter nach wie vor nur in wenigen Schiffen verwendet werden. Gleiches gilt für sogenannte SCR-Katalysatoren, die den Angaben zufolge fast die gesamten Stickoxide aus den Abgasen filtern können.
Grenzwertüberschreitungen vor allem durch Pkw
Es gibt also Alternativen zum Schweröl und durchaus Bemühungen in der Branche, zumindest bei neuen Schiffen umweltschonendere Treibstoffe zu verwenden.
Möglicherweise wird die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization, IMO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, auch weitere Meeresregionen als besonders schützenswerte Gebiete einstufen. Dann müssen Schiffe, die dort fahren wollen, Katalysatoren oder Filter einbauen.
Bis es so weit ist, werden vor allem Menschen, die in Hafen-nahen Vierteln wohnen, mit einem gewissen Grad an Luftverschmutzung leben müssen. "Die Luftverschmutzung durch Schiffe ist nicht zu unterschätzen", sagt Oeliger.
Allerdings gehöre zur Wahrheit auch, dass an jenen Messstellen in Hamburg, an denen Grenzwerte überschritten wurden, die Hauptverursacher nicht die Schiffe, sondern die Autos waren.
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