München - Der eine verwendete 1893 eine Art Hängematte als Sattel, um die harten Stösse der schlechten Strassen abzufedern. Der andere machte 1939 Anleihen bei der Autoindustrie und griff die stromlinienförmigen Schwünge der amerikanischen Cruiser auf.
In den 70ern waren bei Jugendlichen Bonanzaräder mit Fuchsschwanz und Wimpel en vogue, während Sportler futuristische Rennmaschinen vorzogen. Die Geschichte des Fahrrades ist nicht nur eine Kulturgeschichte, sondern auch eine Designgeschichte - die die Neue Sammlung - Design Museum von nun an in der Pinakothek der Moderne in München zeigt.
Design und technische Innovationen untrennbar
Dennoch ist das Design der Räder natürlich eng verbunden mit der Geschichte der technischen Innovationen, sei es bei den Antrieben, den Federungen, Schaltwerken oder Bremsen. Deshalb spannt die Schau "Das Fahrrad - Kultobjekt - Designobjekt" auch zeitlich den Bogen von einer "Laufmaschine" aus dem Jahr 1817 über Hoch- und Niederräder, Falträder, Alltagsräder und moderne Sportgeräte bis hin zu einem Elektrofahrrad, das so neu ist, dass es noch gar nicht im Handel erhältlich ist.
"Es ist schwierig zu unterscheiden, was ist Technologie, was ist Design - das verschmilzt", erläuterte Kurator Josef Strasser. Neue Fertigungsmöglichkeiten beeinflussten die Gestaltung ebenso wie neue Materialien. Entsprechend vielfältig ist die Bandbreite: Neben Ausstellungsstücken aus Stahl und Aluminium finden sich Exemplare aus Holz, Karbon oder Titan - und sogar aus recyceltem Kunststoff, der im 3D-Drucker verarbeitet wurde und nahezu verlustfrei für weitere Druckvorgänge wiederverwendet werden kann.
Dabei werden auch so manche Sackgassen sichtbar, zum Beispiel bei Versuchen mit Fahrradrahmen aus Magnesium: Zwar ist Magnesium ein extrem leichtes Material, noch dazu kostengünstig und in der Gewinnung umweltfreundlich. Aber es ist leicht entflammbar. Das bekam Frank Kirk 1986 zwar durch eine entsprechende Lackierung des Rahmens in den Griff. Doch in der Fabrik fing der Magnesiumstaub in der Luft Feuer - "und das war dann das Ende der Entwicklung", schilderte Strasser.
Klappräder für Fallschirmspringer im Zweiten Weltkrieg
Manch anderes hingegen erlebte Jahrzehnte später wieder eine Auferstehung. So wurden britische Fallschirmspringer im Zweiten Weltkrieg mit Klapprädern ausgestattet, um hinter der Frontlinie mobiler zu sein. Sattel und Gabel dämpften dabei den Aufprall, weil sie maximal ausgezogen und nur leicht mit Schrauben fixiert waren, so dass sich die Rohre ineinander schieben konnten. 40 Jahre später griff das Modehaus Trussardi dieses Modell wieder auf und brachte 3000 limitierte Luxus-Exemplare mit Packtaschen, Ledergriffen und weiteren Leder-Applikationen etwa auf der Klingel auf den Markt.
Zu dieser Zeit widmeten sich auch schon zunehmend etablierte Designer der Gestaltung der Fahrräder, während es zuvor meist Entwickler und Tüftler waren, die sich der Fortbewegung auf zwei Rädern annahmen. So war etwa Karl Friedrich Drais ein erfinderischer Forstbeamter, der 1817 erstmals ein lenkbares Laufrad konstruierte. "Zu der Zeit hat man entdeckt, dass man sich auf zwei Rädern nach vorne fortbewegen kann", erläuterte Strasser. "Und das funktioniert nur durch das Balancieren, das Ausgleichen durch Lenken. Aber darauf musste die Menschheit erstmal kommen!"
Neben diesem besonderen Exemplar finden sich in der Ausstellung, die noch bis Ende September 2024 zu sehen sein wird, zahlreiche weitere Raritäten. Ein Steherrad mit übergrossem Ritzel etwa, auf dem der deutsche Radsportler Karl-Heinz Kramer im Jahr 1950 im Windschatten eines Motorrades die Spitzengeschwindigkeit von 154 Stundenkilometern erreichte. Dieser Rekord hatte übrigens bis zum vergangenen Jahr Bestand. © dpa
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