Derzeit diskutieren Experten auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar über umstrittene Gesetze und Verkehrsregeln. Rechtsirrtümer spielen dabei natürlich auch eine gewichtige Rolle. Aber welche Mythen haben sich im Denken zahlreicher Autofahrer festgesetzt?

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Derzeit finden in Goslar der Deutsche Verkehrsgerichtstag statt, bei denen Arbeitsgruppen aus Experten und Politikern über Regeln, Urteile und die Zukunft im Strassenverkehr diskutieren. Ein Bestandteil wird dabei auch die Strassenverkehrsordnung (StVO) sein. Genau hier haben sich über die Jahre hinweg in den Köpfen vieler Autofahrer bestimmte Mythen festsetzen können – viele Autofahrer wissen nicht, wann Sie im Recht sind und wann im Unrecht. Deshalb wird es Zeit, mit den zehn am weitesten verbreiteten Verkehrsmythen im Strassenverkehr aufzuräumen.

Der Auffahrende ist immer schuld

Die Behauptung, dass der Auffahrende immer schuld ist, ist falsch. Die Schuldfrage hängt immer vom jeweiligen Unfallhergang ab. In den meisten Fällen erhält der Auffahrende allerdings zumindest eine Teilschuld - wegen Unaufmerksamkeit, zu geringem Sicherheitsabstand oder zu hoher Geschwindigkeit. Passiert ein Auffahrunfall, weil der Vorausfahrende den Vorgang provoziert hat, etwa in dem er unverhältnismässig und ohne Grund stark bremst und den Hintermann bewusst auffahren lässt, kann der Auffahrende auch schuldfrei bleiben. Allerdings muss hierfür das Fehlverhalten des Unfallgegners vollständig nachgewiesen werden.

Parkscheine müssen immer hinter der Frontscheibe liegen

Die Annahme, dass Parkscheine unbedingt hinter der Frontscheibe liegen müssen, ist ebenfalls falsch. Laut StVO Paragraph 13 Absatz 1 muss der Parkschein lediglich am oder im Fahrzeug von aussen gut lesbar angebracht sein. Trotzdem empfehlen Verkehrsexperten, den Parkschein besser hinter der Windschutzscheibe oder zumindest der vorderen Seitenscheibe zu platzieren. Andernfalls kann der Parkschein übersehen werden und ein anschliessender Einspruch gegen ein Ordnungsgeld ist die Mühe nicht Wert.

Die Verwendung der Lichthupe ist Nötigung

Laut Strassenverkehrsordnung ist die Lichthube dafür vorgesehen, durch kurze Leuchtzeichen einen Überholvorgang ausserhalb geschlossener Ortschaften anzuzeigen. Nötigung wird in einem solchen Fall erst dann daraus, wenn der Überholende gleichzeitig zu dicht auffährt und die Lichthupe permanent nutzt.

Bei Autobahnauffahrten gilt das Reissverschlussprinzip

Auch das ist so nicht richtig. Auf Kraftfahrtstrassen und Autobahnen haben in der Regel die Fahrzeuge auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt. Wer einfährt, ist wartepflichtig und darf den fliessenden Verkehr nicht behindern.

Eine Telefonnummer hinter der Scheibe bewahrt vorm Abschleppen

Wer kurz im Halteverbot stehen bleibt und eine Handynummer hinter die Windschutzscheibe legt, hat trotzdem schlechte Karten. Das Ordnungsamt steht nicht in der Pflicht, die Nummer anzurufen, sondern muss nur das Fahrzeug, das zu einer Behinderung führt, schnellstmöglich entfernen. Chance auf einen Einspruch haben Autofahrer nur dann, wenn sie zusätzlich eine Nachricht hinterlassen, wo sie sich gerade befinden und dass das Fahrzeug umgehend weggefahren werden kann. In den meisten Fällen sehen Gerichte aber selbst darin einen unverhältnismässig hohen Aufwand, um den Fahrer ausfindig zu machen.

Man darf den Pannenstreifen bei Stau nutzen

Diese Annahme ist falsch. Laut Paragraph 18 Absatz 8 der StVO dient der Pannenstreifen beziehungsweise die Standspur nicht dem normalen Verkehr, sondern ausschliesslich den Kraftfahrzeugen bei Not- oder Unfällen. Demnach ist hier nur ein Parken im Fall einer Autopanne erlaubt. Auch wenn beim Einfahren auf die Autobahn die Beschleunigungsspur nicht ausreicht, darf die Standspur nicht als Verlängerung genutzt werden.

Raser dürfen ausgebremst werden

Wer glaubt, einen Raser beispielsweise auf der Autobahn ausbremsen zu dürfen, liegt falsch. Diese Handlung wird als Selbstjustiz eingestuft und ist demnach strafbar. Bei besonders riskanten und abrupten Ausbremsmanövern kann ein derartiges Verhalten sogar als Nötigung angesehen werden. Dann drohen nicht nur Punkte und ein erhebliches Bussgeld, sondern auch ein Fahrverbot.

Bei Alkohol am Steuer ist der Führerschein weg

Ob jemand seinen Führerschein abgeben muss und für welchen Zeitraum, hängt vom Alkoholgehalt im Blut ab. Bereits ab 0,3 Promille kann der Führerschein von den Behörden einkassiert werden, zumindest dann, wenn eine sogenannte relative Fahruntüchtigkeit vorliegt. Ab 0,5 Promille wird in jedem Fall ein Bussgeld fällig und es folgt in der Regel ein Fahrverbot von maximal drei Monaten. Ab 1,1 Promille gilt ein Fahrer nicht nur als absolut fahrunfähig, sondern begeht auch noch eine Straftat. Je nach der Schwere des Vergehens kann der Führerschein dann bis zu zwölf Monate oder komplett entzogen werden.

Fussgänger dürfen eine Parklücke freihalten

Wenn ein Fussgänger eine Parklücke blockiert und darauf wartet, dass beispielsweise der Partner gleich um die Ecke kommt, um einzuparken, begeht der "Freihalter" eine Ordnungswidrigkeit. Verteidigt er gegen einen anderen Autofahrer die Parklücke mit körperlicher Gewalt, kann daraus auch schnell Nötigung werden. Wenn ein Autofahrer langsam in eine besetzte Parklücke einfährt - ohne dass der Fussgänger in der Lücke angefahren wird - gilt das in den meisten Fällen übrigens als eine Art Notwehr und nicht als Nötigung.

Ich darf im Auto mit dem Handy telefonieren

Nicht zuletzt ranken sich einige Mythen ums Handy hinter dem Steuer. Wer im Auto mit dem Handy am Ohr telefoniert, verstösst gegen das in Paragraph 23 Absatz 1a der StVO festgelegte Handyverbot. Das sollte eigentlich allen Fahrern bekannt sein. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Ist der Motor abgestellt - das gilt auch für eine Start-Stopp-Automatik an der Ampel -, darf telefoniert werden. Sobald der Motor wieder anspringt, gilt erneut das Handyverbot - so hat es das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil festgehalten. Ebenfalls erlaubt ist das Weiterreichen des Handys, allerdings darf dabei nicht auf das Display geguckt werden (Oberlandesgericht Köln). Das heisst konkret: Es ist verboten, einen Anrufer wegzudrücken oder die Uhrzeit sowie Nachrichten zu lesen.  © 1&1 Mail & Media/ContentFleet

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