Frankfurt/Bochum - Von wegen Ölflecken auf dem Boden, Spinnweben in den Fenstern und rostige Ersatzteile in den Regalen: Wer sein Liebhaberauto zu Sebastian Hoffmann bringt, der steht eher in einem Labor als einer Werkstatt.
Statt mit Maulschlüssel und Schraubenzieher rückt der Oldtimerspezialist dem Fahrzeug mit Röntgenkameras, Ultraschallsensoren oder Spektralanalysen zu Leibe. Hoffmann ist kein gewöhnlicher Kfz-Gutachter, sondern einer der wenigen Autoforensiker im Land. Als solcher hilft er, Betrügern auf die Schliche zu kommen, die manchmal Millionen scheffeln.
Mit Akribie und Methoden, wie man sie eher aus der Medizin und aus Krimiserien wie "CSI" oder dem "Tatort" kennt, nimmt der Sachverständige für klassische Fahrzeuge bei einer Prüfstelle des Tüv Rheinland in der Frankfurter "Klassikstadt" - Treffpunkt und Veranstaltungsort für Autofans - die PS-Preziosen im Auftrag von Eigentümern, Auktionshäusern oder Kaufinteressenten unter die Lupe. Dabei prüft er, wie authentisch die Autos sind und wie ehrlich die Besitzer deren Geschichte erzählen.
Gute Auftragslage nährt die Zweifel
"Grund zum Zweifel gibt es mehr denn je", sagt Hoffmann. Zumindest seine gute Auftragslage lässt darauf schliessen. Die Werte für Oldtimer steigen derzeit ins fast Unermessliche. Gerade hat das so genannte Uhlenhaut-Coupé aus der Frühphase des Mercedes Flügeltürers mit 135 Millionen Euro einen neuen Rekordwert erreicht, wie die Marktbeobachter der US-Versicherung Hagerty berichten.
Zugleich sei es noch nie so leicht gewesen, an falsche Identitäten für ein Fahrzeug zu kommen, warnt Hoffmann: "Ein alter Fahrzeugbrief oder eine herausgetrennte Fahrgestellnummer aus einer Internet-Auktion, und schon mutiert Omas Golf LS zum frühen GTI, und aus dem Porsche 912 vom Schrottplatz in San Diego wird ein 2.7 RS." Je wertvoller die Autos, desto aufwendiger sind meist auch die Fälschungen - und desto schwerer legt man Betrügern das Handwerk. Denn Fahrgestellnummern können abgeschliffen und neu eingeschlagen werden, Schweissspuren verschwinden unter dickem Lack. Und selbst nagelneue Rahmen oder Bleche lassen sich so patinieren, dass sie auch noch auf den zweiten Blick als antik durchgehen. Doch was mit blossem Auge nicht zu sehen ist, macht in Hoffmanns Labor die Technik sichtbar: Mit magneto-optischen Prüfverfahren kann der Experte tiefere Schichten des Metalls durchdringen und so die Einschläge selbst abgeschliffener Fahrgestellnummern wieder lesbar machen. Die Spektralanalyse verrät die Zusammensetzung bestimmter Metalle und lässt Rückschlüsse auf deren Alter zu.
Nicht jede Reparatur ein Frevel Nicht jede Reparatur sei ein Frevel oder eine Fälschung, sagt Hoffmann. "Wichtig ist nur, dass die Geschichte dazu stimmt und Transparenz gewahrt wird. Erst wenn solche Arbeiten verschwiegen werden, fängt die Sache an zu stinken." Und dieser "Gestank" stört auch Versicherungen und Behörden. Zwar seien Oldtimer für Liebhaber, Sammler und Fans alter Autos oft eine emotionale Herzensangelegenheit, schreibt der Tüv Rheinland auf seiner Website, mahnt aber nicht zuletzt wegen der Zulassung zur Sachlichkeit.
Denn für das begehrte H-Kennzeichen müssen Autos nicht nur 30 Jahre alt sein, sondern sich auch weitgehend im Originalzustand befinden, fassen die Experten die Gesetzeslage zusammen. Sind Laien im Zweifel, sind Sachverständige und Gutachter gefragt.
Gutachten nicht gleich Gutachten
Gutachten ist dabei nicht gleich Gutachten, sagt Frank Wilke vom Marktbeobachter Classic Analytics in Bochum. Je nach Wert des Fahrzeugs, nach Aufwand und Detailgrad dieser Analyse reiche der Preis dafür von 20 Euro für eine Online-Wertermittlung und wenigen hundert Euro für ein Kurzgutachten bis zu manchmal 1000 Euro für ein so genanntes Wiederherstellungsgutachten.
Darin werden detailliert etwa auch alle Reparaturarbeiten protokolliert. "Aber weil sich daran nicht nur der Versicherungstarif bemisst, sondern auch die Entschädigung bei einem Unfall oder einem Diebstahl, ist das Geld auf jeden Fall gut angelegt", sagt Wilke.
Ob Hoffmanns Tiefenanalyse, für die je nach Aufwand ebenfalls auch mal fünfstellige Beträge zusammenkommen, oder ein günstigeres Oldtimer-Gutachten: Eine fundierte Einschätzung sei eine Rückversicherung, sagt Hoffmann. Diese erhöhe schon bei einem Käfer Cabrio oder jedem Youngtimer das Vertrauen ins Fahrzeug und damit den Besitzerstolz.
© dpa-infocom, dpa:221013-99-116717/2 © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.