Essen - Im Frühling startet für die meisten Biker die Motorradsaison so richtig. Die Vorfreude auf die ersten Runden des Jahres ist gross. Doch nicht nur die Technik, auch der Mensch am Lenker ist besser fit für den Neustart - egal ob Anfänger oder alter Hase. Matthias Haasper vom Institut für Zweiradsicherheit (ifz) gibt Tipps.
Was sollte neben den klassischen Dingen technisch unbedingt gecheckt werden – egal ob Anfänger oder erfahrener Biker?
Matthias Haasper: Die Bremsflüssigkeit wird oft stiefmütterlich behandelt. Häufig wird irrtümlich angenommen, dass man selbst ja kaum gefahren und deshalb ein Wechsel nicht notwendig sei. Falsch! Allein durch das Stehen diffundiert Wasserdampf in das Bremssystem bei den meisten eingesetzten Bremsflüssigkeiten und verändert die gewünschten Eigenschaften einer Bremsflüssigkeit negativ. Das Einhalten der vorgeschriebenen Wartungsintervalle ist für ein Funktionieren des Bremssystems also sehr wichtig.
Von dem eigenhändigen Wechsel ist eher abzuraten. Denn die Gefahr ist gross, dass alte Bremsflüssigkeit im System, etwa auch in den Hydraulikpumpen verbleibt. Fachwerkstätten verfügen hingegen über die nötigen Werkzeuge und Kompetenzen, die den richtigen Wechsel sicherstellen.
Auch bei den Reifen gibt es einen Trugschluss: "Die haben noch ordentlich Profil, bin auch kaum gefahren", heisst es hier und da. Aber auch das schwarze Gummi altert. Reifenhersteller geben hier als Richtschnur um die 10 Jahre an. Das ist jedoch recht individuell und von mehreren Faktoren abhängig. Das Alter des Reifens kann man der DOT-Nummer auf der Reifenflanke finden. Beispiel: 1519 bedeutet, der Reifen wurde in der Kalenderwoche 15 des Jahres 2019 produziert.
Was auch viele unterschätzen: Der richtige Reifenfülldruck ist für sichere Fahreigenschaften sehr wichtig. Die erste Fahrt sollte also unbedingt in Richtung Tankstelle gehen, sofern man zu Hause nicht selbst auffüllen kann. Der korrekte Druck sollte darüber hinaus mindestens alle zwei Wochen bei kalten Reifen geprüft und falls nötig korrigiert werden. Beim Messen des Fülldrucks helfen präzise funktionierende Luftdruckprüfer.

Was raten Sie speziell Fahranfängern beim ersten Saisonstart?
Haasper: Auch wenn die Fahrschulausbildung gerade erst geschafft ist: Ein Motorradtraining sollte jetzt die nächste Massnahme sein. Die Fahrschule legt den Grundstein für sicheres Fahren, das allerdings kontinuierlich weiter optimiert werden muss. Man bedenke, dass auch Sportler immer trainieren müssen, um ihre Sache zu beherrschen. Im Strassenverkehr, also auch auf Roller und Motorrad ist das nicht anders. Also auf zum ersten Training.
Jede und jeder findet es ganz einfach etwa über das Online-Trainingsportal von ADAC, Deutschem Verkehrssicherheitsrat und ifz.
Neben dem Kauf einer eigenen Maschine sollte auch noch genug Geld vorhanden sein, um sich nicht nur einen ordentlichen Helm, sondern eine komplette Ausrüstung inklusive Motorradjacke, -hose, Schuhe/Stiefel, Handschuhe und so weiter zuzulegen. Was dabei wichtig ist, haben wir in einer Broschüre zusammengefasst, die online auf unserer Seite abrufbar ist.
Vor allem das Gefühl für eine sichere Schräglage in der Kurve muss erarbeitet werden. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Die Geschwindigkeit schon vor der Kurve reduzieren! Auf den Untergrund, die Fahrbahnbeschaffenheit achten! Wie ist das Wetter? Tiefere Temperaturen, vor allem im Frühjahr, liefern weniger Haftung der Reifen. Kann ich die Kurve einsehen? Fahrzeiten nicht zu lang wählen. Regelmässige Pausen einlegen und den Flüssigkeitshaushalt regulieren. Sprich: Ausreichend trinken! Die Kondition und vor allem die Konzentration leidet sonst.
Wenn es in der Gruppe losgeht, sollte sich niemand von den anderen Fahrerinnen und Fahrern mitreissen lassen. Jeder fährt so, wie es für sie und ihn am sichersten geht. Ein Dranbleiben um jeden Preis kann fatale Folgen haben. Dies ist insbesondere wichtig, wenn man mit den alten Hasen unterwegs ist, die meinen, schon alles zu wissen und jetzt vielleicht zeigen wollen, was sie können.

Und welche Punkte sollten erfahrene Biker, also die "alten Hasen",beim Start in die Saison unbedingt beachten?
Haasper: Das eigene Motorrad nach längerer Auszeit zu bewegen funktioniert natürlich. Dennoch verblasst das Gespür für verschiedene Fahrmanöver, wie beispielsweise Schräglage und Notbremsungen nachweislich. Gerade nach der längeren Winterpause ist es wichtig, sich erst wieder an die speziellen Gesetzmässigkeiten der Fahrphysik zu gewöhnen und sich langsam heranzutasten.
Wenn es um Tipps geht, heisst es von einigen alten Hasen gern: "Was wollen die mir noch erzählen?" oder "Ich fahre schon seit über 30 Jahren". Aber auch wenn man etwas schon lange macht, kann und sollte man trotzdem noch dazulernen. Die Sparte der Motorradtrainings hält für jeden und jede ein passendes Training bereit: Über das Basistraining hinaus gibt es Aufbautrainings, Intensivtrainings, Kurventrainings oder auch Kompakttrainings.
Ein Tipp ist direkt auf der Haut getragene Funktionswäsche speziell für Motorradfahrende, die quasi als Unterwäsche dient. Sie saugt den Schweiss nicht auf, sondern leitet ihn an äussere Kleidungsschichten weiter. Dort verdunstet er, während die Haut selbst mehr oder weniger trocken bleibt. So trägt sich die Motorradkluft gleich viel angenehmer als mit einem nassgeschwitzten Baumwollleibchen. Abriebfeste Unterwäsche erfüllt dazu noch einen sehr wichtigen Zweck: Sie reduziert im Sturzfall die Reibungshitze zwischen Haut und Futter und kann Hautverbrennungen verhindern.
Apropos Ausstattung: So toll der Helm noch aussehen mag: Unabhängig von der Nutzungsintensität kommt es im Zeitverlauf zu Materialermüdungen. Um immer auf die volle Schutzwirkung des Helmes vertrauen zu können, sollte er deshalb - als grobe Faustregel - nach etwa fünf bis sieben Jahren in Rente geschickt und durch einen neuen ersetzt werden.

Was viele nicht wissen: Auch Protektoren in der Motorradbekleidung altern, die einen schneller, die anderen langsamer. Infos über die jeweilige Haltbarkeit liefern die Produktinformationen der Hersteller. Wer hier nach- beziehungsweise aufrüsten möchte, sollte mit seiner Kombi im Fachgeschäft vorstellig werden und direkt testen, ob die neuen Dämpfer passen und korrekt sitzen.
Und egal, ob Neu-, Wiedereinsteiger oder alte Hasen: Jeder wird im Laufe seiner Fahrkarriere sicherlich die ein oder andere Kurve falsch eingeschätzt haben. Dabei ist es eigentlich relativ einfach: Rechtzeitig die Geschwindigkeit vor der Kurve reduzieren! Einfach mal darüber nachdenken und umsetzen.
Und nicht vergessen: motorisierte Zweiräder, also Einspurfahrzeuge, werden oftmals aufgrund ihrer schmalen Silhouette nicht rechtzeitig erkannt beziehungsweise beim Annähern hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Daher gilt es immer besonders defensiv und vorausschauend unterwegs zu sein. Es ist also existenziell eine Art Röntgenblick zu entwickeln, um das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer zu durchschauen und damit gewissermassen vorherzusehen.
Infokasten: Frühjahrs-Motorrad-Check zum Abhaken
Was man alles über den Start in die neue Motorradsaison wissen muss, was genau kontrolliert werden sollte sowie Tipps für unterwegs, hat das Institut für Zweiradsicherheit in der Broschüre "Frühjahrs-Checkliste Motorrad" zusammengefasst, die auch online als PDF abrufbar ist. © Deutsche Presse-Agentur