Eigentlich ist es eine gute Sache: Das Notrufsystem eCall, das die EU ab Oktober 2015 verpflichtend für alle Neuwagen einführen will, kann und soll Leben retten. Doch die Technik ist zu mehr imstande und daher nicht unumstritten.

Mehr zum Thema Mobilität

Ende Februar hat das Europäische Parlament die Pläne der EU-Kommission zur verpflichtenden Einführung des Notrufsystems eCall in Neuwagen gebilligt. Damit hat die Technik eine weitere Hürde genommen. Jetzt müssen Gespräche mit den Regierungen der EU-Staaten geführt werden und die Verordnung den Rat passieren. Verläuft alles nach Plan, könnte die Verabschiedung noch vor der Europawahl im kommenden Mai erfolgen. Ab Oktober 2015 wäre eCall dann Pflicht für alle Neuwagen in EU-Staaten.

Was ist eCall und wie kann es Leben retten?

Das Notrufsystem registriert schwere Unfälle und setzt automatisch einen Notruf über die 112 ab. Zudem übermittelt es den aktuellen GPS-Standort des Fahrzeugs an die Rettungskräfte. Das kann wertvolle Minuten sparen und Leben retten. Aber auch manuell lässt sich per eCall ein Notruf absetzen. Das kann insbesondere dann hilfreich sein, wenn der Fahrer am Steuer erkrankt und keinen Notruf per Telefon mehr absetzen kann. Ein Herzinfarkt wäre ein solches Beispiel. Nach Schätzungen der EU-Kommission könnten durch das frühere Eintreffen der Rettungskräfte jährlich etwa 2.500 Leben gerettet werden.

Streitpunkt Nummer eins: Die totale Überwachung des Autofahrers

Die grössten Kritikpunkte am System sind die Überwachung des Autofahrers, eine mögliche Auswertung seines Fahrstils und die Datensicherung. Der Deutsche Anwaltverein spricht vom "gläsernen Autofahrer", der "Tagesspiegel" bezeichnet eCall als "Spion" im Auto. Die Kritiker fürchten, dass das System dazu genutzt werde, das Fahrverhalten des Autofahrers aufzuzeichnen, um dann die Ergebnisse gegen den Fahrer zu verwenden. Solche Bewegungsprofile liessen sich über die GPS-Technik realisieren. Das könnten Kfz-Versicherer nutzen, um besonders günstige Tarife für vorsichtige Fahrer anzubieten. Im Umkehrschluss würde das Autofahren für Schnellfahrer oder Personen, die sich der Analyse ihres Fahrstils verweigern, aber auch teurer werden.

Streitpunkt Nummer zwei: Der Wettbewerb um die Daten

Weiterhin befürchten Kritiker, dass Autohersteller ihre eigenen Systeme so gestalten könnten, dass automatisch die Pannendienste der Vertragswerkstätten infolge eines Unfalls informiert würden. Das würde für andere Anbieter einen Wettbewerbsnachteil bedeuten. Bei den Notrufsystemen, die bislang am Markt sind, ist das überwiegend der Fall.

Streitpunkt Nummer drei: Die Kosten für die Technik

Tritt die Verordnung 2015 tatsächlich in Kraft, soll das Notrufsystem laut EU-Kommission deutlich weniger als 100 Euro kosten. Derzeit ist eCall in der Regel nur zusammen mit umfangreicheren Multimediasystemen erhältlich und dementsprechend teuer. Bei der Mercedes E-Klasse kostet das Audio- und Navigationspaket, das das Notrufsystem umfasst, aktuell rund 3.000 Euro. Darüber hinaus entstehen auch den Rettungsleitstellen Kosten, da sie sich für den Datenempfang entsprechend ausrüsten müssen.  © 1&1 Mail & Media/ContentFleet

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.