Nächster Tiefschlag für den Diesel: Richter glauben der Autobranche nicht, dass sie ältere Motoren sauber genug bekommt. Fahrverbote seien das einzig wahre Mittel. Was könnte auf Autofahrer zukommen?
All die Millionen haben ihn letztlich nicht überzeugt. Drei Millionen Diesel-Fahrzeuge rüstet Daimler nach, um deren Schadstoffausstoss zu senken. Volkswagen gar vier Millionen. Auch BMW und Audi haben Nachbesserungen an ihren Dieseln angekündigt. Aber der Stuttgarter Verwaltungsrichter Wolfgang Kern bleibt hart.
Vage Versprechen einer nicht näher definierten Autoindustrie allein reichen dem Juristen nicht aus, um die chronisch schlechte Luft im Talkessel der baden-württembergischen Landeshauptstadt zu verbessern. Sprich: Es drohen weiter Fahrverbote für viele Diesel-Fahrzeuge - wenn am Ende nicht gar für alle, wie es die am Freitag siegreiche Deutsche Umwelthilfe (DUH) gern hätte.
Eine bemerkenswerte Allianz aus der von den Grünen geführten Landesregierung und der Autobranche ist mit ihrem Plan gescheitert, die in der Daimler-Heimat besonders unpopulären Fahrverbote im letzten Moment zu verhindern. Richter Kern ist sicher: Der Schutz der Gesundheit muss weit vor den Interessen der Industrie, der Autofahrer oder der Gebrauchtwagenhändler stehen.
Diskussion schadet Diesel
Autoexperten wie Ferdinand Dudenhöffer erwarten empfindliche Folgen für die Unternehmen. "Die deutschen Autobauer müssen sich genau überlegen, wie weit sie noch mit dem Diesel kommen", meint er. Kunden, die teils 100.000 Euro für ein Fahrzeug ausgäben und verschämt zu Boden gucken müssten, weil ein Nachbar frage, wie umweltfreundlich das Fahrzeug sei - das könne man sich in der Zukunft nicht mehr erlauben.
Allein die Diskussion um Fahrverbote habe dem Diesel schon geschadet, glaubt Matthias Wissmann, der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. Die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland sei im ersten Halbjahr um gut neun Prozent zurückgegangen. "Es ist noch kein Absturz, aber es bereitet Sorgen", sagt er der "Automobilwoche".
Gebraucht und gemocht wird der Diesel - bisher - auch, weil er weniger klimaschädliches Kohlendioxid freisetzt als Benziner vergleichbarer Leistung, wie die Branche stets betont. Daher will auch kaum ein Hersteller in absehbarer Zeit darauf verzichten. Reine Elektro-Flotten und die dafür notwendige Infrastruktur sind in Deutschland noch in weiter Ferne.
Fokus liegt auf Krisengipfel
Daimler hält an seiner Sichtweise fest: Die angekündigten Nachbesserungen reichten nicht nur aus, sie brächten - was die eigenen Wagen angeht - sogar mehr als Fahrverbote. "Und das ist nach unserem Dafürhalten in der Diskussion - denn darum geht's ja eigentlich - der entscheidende Punkt", findet Chef Dieter Zetsche.
Damit liegt der Fokus auf dem nationalen Diesel-Krisengipfel am nächsten Mittwoch. "Entscheidend wird sein, was am 2. August entschieden wird", sagte der grüne Regierungschef des Autolands Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, schon vor dem Richterspruch.
Nur wenn die Industrie wirkungsvolle Nachrüstungen präsentiere, könne das Land bestehen: "Was nicht reichen wird, sind irgendwelche Ankündigungen diffuser Art." Es müsse schnell gehen und brauche Zwang: "Es kann nicht einfach eine reine Freiwilligkeitsaktion sein, wo man halt nachrüsten kann, wenn man will."
Verunsicherung ist maximal
In diesem Punkt ist sogar der Geschäftsführer der klagenden Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, auf einer Linie mit Kretschmann, der sich nicht nur in der eigenen Partei eine oft allzu autofreundliche Linie vorwerfen lassen muss. "Es muss Schluss sein mit dem Verkauf schmutziger Diesel", fordert Resch. Um dann gleich auch den bekannten Nachrüstplänen eine Absage zu erteilen: "Placebo-Lösungen mittels Software-Update an Teilen der Euro-5-Dieselflotte" reichten nicht.
Die Verunsicherung in der Branche, bei Händlern und nicht zuletzt den Diesel-Besitzern dürfte seit Freitag jedenfalls maximal sein. Schaffen es die Hersteller, beim Kunden Vertrauen für die wohl saubere neueste Diesel-Generation aufzubauen? Werden die Diesel zu Ladenhütern? Und wie wirkt sich das Debakel auf die Preise von Gebrauchtwagen aus? Dudenhöffer sieht letztere "in den Keller gehen". Und die Fahrer von Dieselautos fragen sich ohnehin schon, wie lange sie noch fahren dürfen, wo und wann sie wollen.
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