Gut die Hälfte der unter 14-Jährigen informiert sich vor allem über Internetdienste und soziale Netzwerke. Dabei werden nicht immer nur die Meinungen der Nutzer verbreitet, sondern das, was die Algorithmen der grossen Tech-Unternehmen vorgeben.

Rolf Schwartmann
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Seit 2020 setzen sich soziale Netzwerke für die Bekämpfung der Corona-Pandemie ein. Sie verbreiten Verhaltensregeln und übernehmen damit eine wichtige Funktion im Gesundheitssystem. Woher beziehen sie ihr Wissen über das, was richtig ist? Die Programmierung der Algorithmen zur Gesundheitsvorsorge richtet sich hauptsächlich nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und von nationalen Gesundheitsbehörden.

Algorithmen verbreiten Meinungen, ohne sie zu hinterfragen

Ein Algorithmus vollzieht dabei die Vorgaben des Programmierers und hinterfragt nicht, ob das, was er verbreitet richtig oder gar alternativlos ist. Eine Vorgabe kann lauten: Bevorzuge die Meinung der WHO und lasse abweichende Meinungen unberücksichtigt. So können von der herrschenden Meinung abweichende Positionen, schon technisch bedingt aus der Debatte um die richtigen Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie herausgenommen werden.

Was programmiert wird, setzt sich im Netz durch und das wird immer meinungsrelevanter. Die aktuelle Mediengewichtungsstudie der Medienanstalten ergibt, dass sich jede(r) zweite Jugendliche unter 14 Jahren in Deutschland (54 Prozent) über Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Videoplattformen oder Messenger-Dienste informiert.

Was ihre Algorithmen verbreiten, entscheiden die Chefs der Tech-Unternehmen

Welche Meinungen für die Informationsquellen im Netz ausgewählt werden, bestimmen aktuell die Entscheider in den Chefetagen der Netzdienste. Kontrolliert werden sie durch interne oder von den Unternehmen selbst eingesetzte, externe Prüfgremien mit fragwürdiger Unabhängigkeit.

Seit dem Frühsommer 2020 bestimmen soziale Netzwerke auch über Rechtsfragen. Im Mai 2020 äusserte Donald Trump sich etwa kritisch zur Manipulationsanfälligkeit und damit zur Legitimität von Briefwahlen. Facebook versah diese Position mit rechtlichen Hinweisen zu Beiträgen, die ihn widerlegen sollten.

In Deutschland wären diese Hinweise von Facebook auf Kollisionskurs mit dem Grundgesetz. "Bei der Briefwahl ist die öffentliche Kontrolle der Stimmabgabe (nämlich) zurückgenommen. Auch ist die Integrität der Wahl nicht gleichermassen gewährleistet wie bei der Urnenwahl im Wahllokal." So hat es das Bundesverfassungsgericht 2013 entschieden.

Man kann nur darauf vertrauen, dass Facebook das verbindliche Verfassungsrecht kennt und es auf eine Weise in seine Algorithmen einprogrammiert, dass es auch dann nicht unterdrückt wird, wenn es sich mit der Position eines im Generalverdacht der Lüge stehenden US-Präsidenten deckt. Die Verfassung selbst jedenfalls hat sich dem Verfassungsgericht anvertraut. In der Wirklichkeit können Internetdienste sich - wenn man so will – über das Verfassungsrecht stellen.

EU-Kommission kündigt Kontrollmassnahmen an

Die EU-Kommission will am 15. Dezember mit dem Digital Service Act und dem Digital Market Act gleich zwei Rechtsakte vorstellen, mit denen neben der Meinungsmacht auch die Marktmacht der allgegenwärtigen Tech-Giganten reguliert werden soll.

Die Zeit dafür ist mehr als reif. Denn aktuell entscheiden Facebook, YouTube, Twitter & Co, was man im Netz zur Kenntnis nimmt und kontrollieren sich im Wesentlichen selbst.

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