Düsseldorf (dpa/tmn) - Facebook, Twitter und Co. hatten lange Zeit viel mit dem Wilden Westen gemeinsam: Endlose Weiten und schleppende Durchsetzung des geltenden Rechts. In den USA hat sich das geändert, und auch in Deutschland soll in den sozialen Netzwerken seit Anfang des Jahres durchgegriffen werden.

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"Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken", etwas kürzer "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" oder ganz kurz "NetzDG" heisst das Werkzeug. Es soll Rechtsgrundlage zum Vorgehen gegen Fake News und Hetze sein. Gesetzwidrige Inhalte sollen keine Chance mehr haben und durch die Netzwerkbetreiber binnen kürzester Zeit gelöscht werden.

Aber was bedeutet das jetzt konkret für den einzelnen Nutzer? Nicht viel, so lange man sich an Recht und Gesetz und die Regeln zivilisierter Kommunikation hält: "Ich persönlich gehe davon aus, dass der vermeintlich "normale" Nutzer vergleichsweise wenig über soziale Medien beleidigt, verleumdet oder zum Völkermord aufruft", sagt der auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwalt Michael Terhaag aus Düsseldorf. "Insofern wird es auch viele Nutzer geben, die mit dem Gesetz zumindest unmittelbar gar nicht oder kaum in Berührung kommen."

Konkreter wird es für Firmen, Institutionen und Organisationen wie Parteien. "Da kommt es naturgemäss schon einmal häufiger zu aufgebrachten Kunden oder allgemein Andersdenkenden", sagt der Anwalt. Wird hier gehasst, gehetzt oder werden falschen Tatsachen behauptet, muss gehandelt werden.

Auch Katja Henschler von der Verbraucherzentrale Sachsen glaubt nicht an grosse Auswirkungen auf normale Nutzer sozialer Netzwerke. Durchschnitts-User seien eher passiv betroffen. Etwa indem gelöschte Kommentare nicht mehr zur Diskussion stünden. Dennoch bedeute das NetzDG, dass alle Nutzer nun Gefahr laufen, dass Einträge aufgrund der Einschätzung einzelner Mitarbeiter der Netzwerkbetreiber gelöscht würden. "Während es natürlich gut ist, dass Hasstiraden der üblen Art gelöscht werden, besteht einfach die Gefahr, dass einfach nur spitz formulierte Kritik oder auch gut gemeinte Satire dem Gesetz zum Opfer fallen", sagt auch Anwalt Terhaag.

Twitter-Option
Mit dem seit Anfang des Jahres gültigen NetzDG haben Internetnutzer erweiterte Möglichkeiten, Hass- und Hetzbotschaften zu melden. Andererseits haben Website-Betreiber die Pflicht, diese Meldungen schnell zu prüfen und gegebenenfalls einzuschreiten. © dpa / Andrea Warnecke

Allerdings gebe das Gesetz jedem nun auch das Instrument des Beschwerdeverfahrens an die Hand, erklärt Wolfgang Fritzemeyer, Jura-Professor an der Uni Koblenz. "Die Anbieter sozialer Netzwerke sind nun verpflichtet, diese Beschwerden unverzüglich zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen." Für beanstandete Beiträge gilt dabei eine Frist von sieben Tagen und von nur 24 Stunden bei offensichtlich rechtswidrigen Inhalten. Und das Gesetz verpflichtet die "grossen Player" nun, einen Zustellbevollmächtigten für dieses Verfahren zu nennen. Bislang gab es im seltensten Fall einen konkreten Ansprechpartner.

Hass und Hetze zu melden, soll ausserdem einfacher werden. "Die Anbieter sozialer Netzwerke müssen die Beschwerdeverfahren leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar implementieren", erklärt Fritzemeyer anhand des Gesetzeswortlauts. "Wer sich durch einzelne Posts oder Tweets zu Unrecht angegangen sieht oder diese auch für andere als unannehmbar bewertet, kann dies melden, muss sich dafür nur durch ein paar Fragen klicken und damit laienhaft bewerten, gegen welches Gesetz oder Paragraphen das Posting wohl verstossen könnte", sagt Michael Terhaag.

An sich seien die Anbieter bereits vor dem NetzDG verpflichtet gewesen, rechtswidrige Inhalte zu entfernen, sagt Fritzemeyer. "Eine wesentliche Änderung ist neben der Einführung des Beschwerdeverfahrens die Möglichkeit der Verhängung eines hohen Bussgeldes von bis zu 50 Millionen Euro, falls der Anbieter nicht oder nicht rechtzeitig löscht oder sperrt", sagt er. "Es wird erwartet, dass dieser finanzielle Anreiz den Anbieter dazu veranlassen wird, im Zweifel zu löschen oder zu sperren, was gemeldet wird".

Gegen eine solche Löschung könne man sich dann nur vor Gericht zur Wehr setzen. Wegen der Prozesskosten würden das aber wohl die Wenigsten tun. Damit würden durch das NetzDG Opfer von Hasstriaden, Verleumdungen und anderem nun bessergestellt. Für die übrigen Nutzer überwögen aber wohl die Einschränkungen. Auch Anwalt Michael Terhaag befürchtet eher, dass es durch die angedrohten Bussgelder zu einem "Overblocking" kommen wird. Also, dass im Zweifel lieber gelöscht als sorgfältig geprüft wird, um Strafzahlungen zu vermeiden.  © dpa

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