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Die ersten Hacker waren alles andere als Medienstars. Meistens traten die Informatik-Spezialisten mit dem Hang zum Eindringen in fremde Netzwerke nur zwangsweise an die Öffentlichkeit - nicht selten bei Gerichtsprozessen.
Zu einer anderen Gruppe unter den Computer-Freaks gehören die Mitglieder des deutschen Chaos Computer Clubs (CCC). Andy Müller-Maghuns Gesicht zum Beispiel ist bestens bekannt. Der Software-Schrauber trifft sich schonmal promotionwirksam mit anderen Experten und tauscht sich über das Thema Sicherheit aus.
Viele seiner "Kollegen" arbeiten jedoch in der Verborgenheit, zumal das Eindringen in digitale Sicherheitssysteme illegal ist. Aus diesem Grund ist einiges über die Vergangenheit von kleinen und grösseren Zusammenschlüssen wie "Lord of Doom", "Masters of Deception", "Mindvox" oder "Cult of the dead Cow" bekannt. Über der Gegenwart oder gar der Zukunft von Hacker-Aktionen liegt ein Schatten.
Für die Pioniere wie Dead Lord (Bruce Fancher) oder Digital Lord (Patrick Karel Kroupa) war die Attraktivität von Netzwerken unbeschreiblich gross, hatte doch das Kommunizieren von Computern Ende der 70er die Faszination des Neuen. Schon 1979 knackte der damals 16-jährige Condor (Kevin David Mitnick) das System der "Digital Equipment Corporation", die später an Compaq verkauft wurde. Der Teenager kopierte aus dem Netzwerk Software auf seinen lokalen Rechner.
Sechs Jahre später brachen Fancher und Kroupa die Sicherheitscodes von Software und wollten sie ihrer Hacker-Gemeinschaft zugänglich machen. Die Mailbox-Clique warf darauf hin die beiden Mitglieder aus ihrem erlauchten Kreis. Das hinderte die Lords jedoch nicht daran, ihre Kenntnisse in dem virtuellen Artikel "Elite Access" festzuhalten.
Doch während heute bei den Programmierern von Trojanern, Würmern und Viren oft massive wirtschaftliche Interessen vorhanden sind, gab es bei den Hacker-Pionieren ideelle Überlegungen. Die Freiheit von Informationen war für sie besonders wichtig. Das verbanden die Pioniere mit der Entdeckung anderer Sphären. Die illegalen Informatiker betraten mit dem Cyberspace neuen virtuellen Raum. Nur allzu oft waren bei der Erkundung der digitalen Welt reale Drogen im Einsatz.
Für seine digitalen Raubzüge legte sich Eric Gordon Corley den Namen Emmanuel Goldstein zu. Der Name stammt aus George Orwells Roman "1984", der dem Oppositionsführer gegen Big Brother gehört. Mit der Energie eines Robin Hood und der Vision, den wirtschaftlichen Interessen der Computerindustrie entgegenzuhandeln, gründete Eric Gordon Corley im Jahr 1984 das Szene-Magazin 2600.
1999 legte sich Corley mit den grossen DVD-Vermarktern an, indem seine Zeitschrift Links zur Entschlüsselungssoftware DeCSS veröffentlichte. Den anschliessenden Prozess vor dem Distrikt-Richter Lewis A. Kaplan verlor der Informatikexperte.
Anfang der 80er Jahre baute The Mentor (Loyd Blankenship) das Computerspiel "Star Trek" nach, kurz danach brach er in das Netz der nächstgelegen Universität ein und stahl Zugangsberechtigungen für Studenten. 1986 wurde The Mentor verhaftet, woraufhin er sein Hacker-Manifest schrieb: Eine Rechtfertigung für den illegalen Kampf gegen die finanziellen Interessen der Computerbranche. 1988 beherrschten Blankenship und seine Community, Legion of Doom, das gesamte us-amerikanische Telefonnetz.
Hollywood Hacker (Stuart Goldman) hatte seinen grossen Auftritt im Jahr 1989, als er mit Freunden in das System des Fernsehsenders Fox einbrach. Die US-Zeitungen titelten damals über die Angst der Medien vor Datenklau: "Die Nachrichten-Redaktionen des ganzen Landes zittern." Stuart Goldman hatte es vor allem auf Informationen über zukünftige Sendungen und Serien abgesehen.
Am 8. März 1990 schlug der Sender zurück: Maskierte Einsatzkräfte stürmten in Begleitung eines Reporterteams die Wohnung und verhafteten den Journalisten und Programmierer.
Einen wirklich grossen Coup landete der Schotte Solo (Gary McKinnon) in den Jahren 2000 und 2001. Der Hacker brach illegal in die Systeme des US-Verteidigungsministeriums und der NASA ein. Seitdem versucht die USA den Computerspezialisten aus Glasgow in ihre Fänge zu bekommen, doch Grossbritannien hat den Kriminellen bisher nicht ausgeliefert. In Amerika droht dem Hacker eine Haftstrafe von 70 Jahren.
McKinnons Anwalt befürchtet ausserdem bei einer Überstellung an die amerikanische Justiz, dass sein Mandant als Terrorverdächtiger in Guantánamo landen könnte. Dem widersprechen die US-Behörden. Die USA werfen dem Glasgower vor, einen Schaden von 700.000 US-Dollar angerichtet zu haben. Solo bestreitet das. Er habe nur nach Akten über Ausserirdische gesucht.
Im Interview mit der BBC gab Gary McKinnon an, dass er gefunden habe, wonach er suchte. Aber in dem Augenblick, als er ein UFO-Bild herunterladen wollte, sei die Leitung gekappt worden. Auf die Frage, ob es sich bei dem Bild auch um eine Zeichnung handeln könne, antwortete der Schotte, dass er das nicht wisse. Seine Alien-Geschichte hört sich nicht schlüssig an.
Der britischen Zeitung Guardian erzählte er in einem Interview, dass er durch den Film "WarGames" 1983 zur Szene kam. Der Streifen handelt von dem Computer-Kid David Lightman, das sich in das Netzwerk der US-"Air Force" einschleicht und damit fast den dritten Weltkrieg auslöst.
Dagegen wirkt die Geschichte von Kim Schmitz fast schon langweilig. Seine Leistung bestand darin, Mitte der 90er-Jahre im Fernsehen zu demonstrieren, wie man illegal mit dem Blue-Box-Verfahren kostenlos telefoniert.
Danach fiel der auch als "Dr. Kimble" bekannte Kieler nur noch mit Wirtschaftskriminalität auf. 1994 wurde er wegen Betrugs, Bandenhehlerei und Missbrauchs von Titeln zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Sieben Jahre später prahlte der Norddeutsche damit, dem angeschlagenen Internet-Händler letsbuyit.com auf die Beine helfen zu können. Stattdessen nutzte er beim Handel mit den letsbuyit.com-Aktien sein Insiderwissen und rutschte erneut in die Illegalität ab. Das Amtsgericht München verurteilte Schmitz zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten und einer Zahlung von 100.000 Euro.
Andy Müller-Maghun steht für einen ganz anderen Typ Hacker. Er hat nichts mit zwielichtigen Aktionen und kriminellen Machenschaften zu tun. Vielmehr geht es dem Aktivisten um "social engineering". Als Mitglied des Chaos Computer Clubs (CCC) will er das Bewusstsein der Öffentlichkeit verändern.
Der ehemalige CCC-Sprecher kämpft lieber mit Worten als mit Straftaten und liess sich deswegen nicht lange bitten, als die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ihn bat, eine Regierungserklärung für das Internet zu schreiben. In diesem Oktober 2000 war der Hacker gerade in das Kontrollgremium "Internet Corporation for Assigned Names and Numbers" (ICANN) gewählt worden, das die Top Level Domains verwaltet und technische Ratschläge für das gesamte Internet gibt.
In seiner Regierungserklärung nahm Andy Müller-Maghun kein Blatt vor den Mund und schrieb von seinen Gedankenspielchen, ein Terrorist zu werden. "Verstehen Sie, frisch zementierte Betongefängnisse in die Luft zu sprengen, war schon irgendwie okay, aber ins Internet zu ziehen einfach der gründlichere Ansatz." Damit bezog sich der Hacker auf einen Anschlag der "Roten Armee Fraktion" im März 1993 in Darmstadt-Weiterstadt.
Der Besitzer des Datenreisebüros setzt sich gegen Zensur ein, auch dann, wenn es um politisch und moralisch kritische Inhalte geht. Müller-Maghun baut auf Aufklärung und die Mündigkeit der Nutzer, denen ein kritischer Umgang mit dem Medium zuzugestehen sei. Genau dafür wirbt auch der CCC. Der "galaktischen Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Rasse sowie gesellschaftlicher Stellung" geht es um die Aufdeckung von Sicherheitslücken, ohne diese kriminell und kommerziell auszubeuten.
So machte der Verein auf Sicherheitslücken in Hard- und Software sowie bei EC-Karten und Handy-Karten aufmerksam. 1998 befürchtete Club-Gründer Wau Holland auf dem jährlichen CCC-Congress in Hamburg sogar, dass die Mitglieder des Clubs die "Trüffelschweine der Industrie" werden könnten.
1981 gründete Wau Holland, eigentlich Herwart Holland-Moritz, mit Gleichgesinnten den Chaos Computer Club (CCC). Zwei Jahre später war der Computer-Aktivist Autor für die Berliner "Tageszeitung" und beobachtete für das Medium die Hacker-Szene. 1984 gab es die erste kostenpflichtige BTX-Seite des Clubs.
Im November desselben Jahres gelang Wau Holland und seinem Partner Steffen Wernéry der virtuelle Einbruch in eine Sparkassen-Filiale. Die beiden Hacker konnten die Benutzung der eigenen CCC-Seiten der Sparkasse in Rechnung stellen und häuften so auf ihrem Konto 137.000 Deutsche Mark an. Zwar überwies Holland das Geld wieder zurück, doch war der Pressewirbel enorm.
Für noch viel mehr Aufmerksamkeit sorgte 1987 das Eindringen in das NASA-System. Sofort wurden die Geheimdienste CIA und BKA auf die Eindringlinge aufmerksam. Die deutsche Polizei beschlagnahmte Hollands komplette Computer-Ausrüstung und Steffen Wernéry wurde in Frankreich verhaftet.
Wie der spätere CCC-Sprecher Andy Müller-Maghun so war auch der Vereinsgründer ein Verfechter der Meinungsfreiheit: "Wir müssen die Rechte der Andersdenkenden selbst dann beachten, wenn sie Idioten oder schädlich sind. Wir müssen aufpassen. Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit."
Wau Holland starb im Juli 2001 49-jährig an einem Schlaganfall.
Neben den kriminellen Computer-Freaks sowie den ideell und ethisch motivierten Hackern gibt es eine dritte Gruppe von Informatik-Spezialisten: Die kommerziellen Experten. Sebastian Schreiber und seine Firma Syss GmbH ist ein Vertreter dieser Gruppe. Diese Hacker vergolden ihre Fähigkeiten, indem sie Firmen ihre Dienste anbieten.
Schreiber hat die offizielle Genehmigung, in Firmennetze einzudringen und damit auf Sicherheitslücken aufmerksam zu machen. Ganz in die gängige Marketing-Sprache gekleidet, ist für die Firma Syss "oberstes Ziel, dem Kunden die Sicherheit seines Netzwerkes, wie auch seiner Webauftritte, durch umfangreiche aktive Sicherheitstests zu ermöglichen".
Als Leistungen für Kunden wie DaimlerChrysler, die Bundeswehr oder IBM bietet er Live-Hacking und Penetrationstest an. Bei der letztgenannten Dienstleistung versuchen die Fachleute die Firewall des Kunden so lange anzugreifen, bis sie in das Firmennetzwerk eingedrungen sind.
Eine ähnliche Karriere hat der Kölner Aron Spohr eingeschlagen. 1998 brach der damals 16-Jährige bei T-Online ein und sammelte Benutzerdaten ein. Drei Jahre später stellte er mit Lifeline eine Software ins Netz, mit der die Benutzer über T-Online kostenlos E-Mails versenden konnten. Heute hat der Kölner mit "Aron Spohr EDV & Internet Services" seine eigene Firma.
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