Die Freude übers eigene Kind will man manchmal am liebsten mit der ganzen Welt teilen. Doch wer Kinderfotos postet, egal wo, ahnt oft gar nicht, in welchen Händen sie landen können.

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Urlaubszeit ist auch Urlaubsfotozeit und viele wollen zeigen, was sie gerade Wunderschönes mit ihrer Familie erleben. Bilder der eigenen Kinder jedoch in sozialen Medien zu posten, ist gefährlich. Viele Eltern sind sich dessen bewusst. Keiner will erleben, was etwa die Schauspielerin Nina Bott durchmachte: Vor einigen Jahren erfuhr sie, dass Fotos ihrer Kinder, die sie selbst gepostet hatte, im Darknet gelandet waren.

Auch noch so harmlos wirkende Bilder würden für schreckliche Zwecke missbraucht, "von denen wir uns keine Vorstellung machen wollen", warnte schon vor Jahren der Vizepräsident des Kinderschutzbundes Deutschland Joachim Türk im dpa-Gespräch.

Grauenhafte Vorstellung für Eltern

Auch die Initiative "schau hin!" macht unaufhörlich auf die Gefahr aufmerksam: "Pädosexuelle sichern solche Alltagsfotos, laden sie auf weiteren Plattformen hoch, kommentieren sie sexuell oder bearbeiten sie als Fotomontage und bieten die Fotos zum Tausch oder Kauf an".

Zur Erklärung: Unter "Pädokriminalität" fallen verschiedene Ausprägungen sexueller Gewalt gegen Kinder, etwa sexueller Kindesmissbrauch, Kinderhandel, Kinderprostitution und auch eben sogenannte Kinderpornografie.

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Um solche Gefahren zu umgehen, nutzen viele ein anderes Forum: Sie posten die Bilder in Messenger-Chatgruppen oder im WhatsApp-Status. Auch hier hätten Kinderfotos aber nichts zu suchen, warnt Thomas-Gabriel Rüdiger: "Sexualisierte Gewalt findet auch im sogenannten sozialen Nahbereich statt", betont der Leiter des Instituts für Cyberkriminologie der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg im Gespräch mit unserer Redaktion. Täter können auch Verwandte, Freunde, Kollegen, Handwerker, Vertrauenspersonen sein – eben Menschen, die wir vielleicht als Kontakt im Handy gespeichert haben.

Bei WhatsApp lässt sich zwar genau einstellen, wer die eigene Statusmeldung sehen kann. Nach Rüdigers Erfahrung nutzen aber die wenigsten diese Funktion oder kennen sie gar nicht. Das Bild landet also bei allen Kontakten und somit auf vielen Smartphones.

So stellen Sie ein, wer Ihren WhatsApp-Status sehen kann

  • Gehen Sie in WhatsApp in die Einstellungen. Unter "Datenschutz" finden Sie den Abschnitt "Status". Dort können Sie entweder Kontakte ausschliessen, wenn diese Ihren Status nicht sehen sollen ("Meine Kontakte ausser ...") oder die Personen angeben, für die er sichtbar sein soll ("Nur teilen mit ...").

"Für Täter wird es immer leichter"

Wer Bilder digital teilt, hat nicht mehr unter Kontrolle, was mit ihnen passiert. Jeder, der sie hat, kann sie nun weiterleiten – nicht einmal mit böser Absicht, sondern vielleicht, um Freude zu teilen. Schnell wächst der Kreis derer, die hier einen privaten Moment miterleben.

Auch wenn das Foto gelöscht wird oder nur 24 Stunden im WhatsApp-Status erscheint, können die Aufnahmen weiter kursieren. "Ein Screenshot reicht, und das Bild ist aus der Handlungshoheit der Eltern oder auch Grosseltern herausgenommen. Es ist aus meiner Sicht also immer ein Risiko, sein Kind vor allem in sozialen Medien so zu posten, deswegen kann ich nicht dazu raten", betont Rüdiger.

Mit den Bildern werden oft sensible Informationen geteilt: Ort der Aufnahme, Name der Schule, des Kindergartens oder des Fussballvereins, den das Kind zu festen Zeiten aufsucht, Ansicht des Wohnhauses. Für Täter werde es immer leichter, an Kinder heranzukommen auch wenn sie auf den Bildern nur von hinten gezeigt werden oder Smileys oder Verpixelungen auf Gesichtern platziert werden.

Was sich Eltern fragen sollten

Rüdiger lenkt den Blick zudem auf neue Möglichkeiten durch KI, die das Klonen von Stimmen ermögliche: "Das bedeutet: Man sollte darauf achten, dass Kinder auch nicht zu hören sind, also auch keine Videos posten, in denen Kinderstimmen zu hören sind." Er setzt sich für eine verpflichtende Vermittlung digitaler Bildung an jeder Schule in Deutschland ab der ersten Klasse ein: "Kinder besitzen mittlerweile schon früh selbst Smartphones und eigene Social-Media-Accounts. Wir müssen alle Altersstufen noch stärker aufklären."

Eltern seien im digitalen Bereich nicht immer gute Vorbilder: "Es ist auch eine Frage der Glaubhaftigkeit. Wie soll ich meinem Kind etwa vermitteln, dass es an fremde Menschen im Internet keine Bilder senden soll, wenn ich es selbst gleichzeitig im Profilbild oder im Status für all meine Kontakte poste?" Er rät Eltern, sich einmal die Frage zu stellen: "Warum sollen meine Kolleginnen und Kollegen eigentlich mein Kind beispielsweise beim Sport sehen?"

Süss? Viele Kinder finden das nicht

Was viele Eltern ausser Acht lassen: Kinder besitzen Persönlichkeitsrechte. Eltern verletzen sie womöglich durch das Posten und müssen sie um Erlaubnis bitten, sobald Kinder in der Lage sind, selbständige Entscheidungen zu treffen.

Das Deutsche Kinderhilfswerk gibt dabei zu Bedenken: "Was Eltern süss finden, ist den Kindern später vielleicht peinlich." Solche Aufnahmen können auch manchmal erst Jahre danach böswilligen Mitschülern als Steilvorlage für Mobbing dienen.

Schon im Kleinkindalter seien viele in der Social-Media-Welt präsent, ohne dass sie selbst darüber entscheiden konnten. "Bevor es Kindern bewusst wird, hat sich ihr digitaler Fussabdruck schon tief im Netz verankert".

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. iur. Thomas-Gabriel Rüdiger ist Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Unter dem Instagram- Account @Cyberkriminologe zeigt er digitale Risiken auf und wirbt für mehr digitale Bildung.

Verwendete Quellen

Ziemlich clever! Dieser WhatsApp-Chat könnte ihr wichtigster werden

Eine spontane Idee, To Do’s für den Tag, Serientipps und vieles mehr: Wer gerade keinen Stift zur Hand hat, aber nicht Gefahr laufen möchte, solcherlei Dinge wieder zu vergessen, kann sich eines einfachen Tricks bedienen. Einfach Nachrichten an sich selbst bei WhatsApp verschicken. (Teaserbild: picture alliance/dpa/Martin Gerten)
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