Ab 2022 verzichtet Google auf personalisierte Werbung. Der Tech-Gigant schaltet künftig Cookie-basiertes Tracking im Chrome Browser ab und führt die sogenannte Privacy Sandbox ein. Darunter verbergen sich eine Reihe neuer Funktionalitäten im Chrome Browser, die Werbung ohne Cookie-basiertes Tracking ermöglichen sollen. Der Verzicht auf personalisierte Werbung bedeutet also keinen Verzicht auf Werbung.
Gruppenwerbung statt Einzelwerbung
Den Werbekunden von Google werden künftig Profile von Nutzergruppen angeboten. Anhänger eines bestimmten Fussballclubs, Liebhaber ligurischer Spaghetti oder Fans spezieller Serien - für alles gibt es Kategorien und Gruppen.
Google ist das grösste Werbeunternehmen der Welt im Bereich der Digitalisierung, mit 52 Prozent aller Anzeigen im Wert von jährlich 292 Milliarden US-Dollar. Und Google verspricht eine bessere Welt, die ohne Tracking, ohne personalisierte Werbung und direkte pseudonymisierte Werbeansprache auskommt. Die Idee ist gut und die Strategie klug.
Google macht den Werbemarkt abhängig
Sieht man von Facebook und Apple ab, dann dürfte der Werbemarkt künftig zunehmend von Google abhängen. Nur wer den Dienst nutzt und Kunde von Google ist, kann die von Google zusammengestellten Kohorten von Nutzern mit ähnlichen Interessenprofilen finden und ansprechen.
Google kann also gut auf das Tracking verzichten und die wirtschaftliche Zukunft auf die Nutzerbeziehung gründen. Für die Digitalwirtschaft insgesamt ist es ein Problem, dass Google keine Cookies von Drittanbietern mehr zulässt. Abgesehen von Google und Apple sind nämlich faktisch alle Unternehmen aktuell auf personenbezogenes Nutzertracking angewiesen, ohne dass eine Alternative in Sicht ist.
Nur Google kann grosse Nutzergruppen bilden
Der Datenriese hat das Geschäft mit unmittelbaren Kundenbeziehungen für sich erschlossen - und profitiert viel mehr davon als andere Dienste. Der Gigant hat das grösste Werbenetz, das beliebteste mobile Betriebssystem und den mit Abstand meistgenutzten Browser im Angebot.
Hinzu kommen eigene digitale Dienste wie Google Search, YouTube, Google Maps, Google Home, Gmail und viele mehr. Dadurch kann der Gigant auch weiterhin und völlig unabhängig von Betriebssystem und Browserzugriff auf kaum vorstellbar grosse Mengen von Nutzerdaten zugreifen. Trotz des "Werbeverzichts" können Informationen von Google und seinen Kunden weiterhin auch ausserhalb der Sandbox genutzt werden und die eigenen Daten können gegen die Google-Gruppen abgeglichen werden.
Im Ergebnis können Kunden von Google-Diensten also doch wieder direkt angesprochen werden. Die Ansprache der von Google gebildeten Nutzergruppen ist also ein Privileg von Google-Kunden. Die Konkurrenz wird hier kaum mithalten können. Denn Kunden in Kohorten einteilen kann nur, wer genug Nutzer hat.
Wettbewerbsprobleme liegen auf der Hand
Datenschutz durch Gruppenwerbung lässt die Herzen der Datenschützer zunächst höher schlagen. Aber das Modell hat einen hohen Preis für den Wettbewerb. Es fragt sich nämlich, wer neben Google und seinen Kunden noch Onlinedaten zu Werbezecken verwenden soll, wenn das neue Konzept greift.
Ein Szenario ist es, dass Google nun zunehmend in den Fokus der Wettbewerbsaufsicht kommt. Die Wettbewerbshüter müssen das nun prüfen.
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