Die Maschinen werden immer schlauer. Auf der Entwicklerkonferenz Google I/O präsentiert der Internet-Konzern eine Vision von einer allgegenwärtigen künstlichen Intelligenz, die das Leben der Anwender erleichtern soll. Dazu muss man aber viel von sich preisgeben.
Google rüstet seine Dienste in grossem Stil mit künstlicher Intelligenz auf und greift dabei die Rivalen Apple, Amazon und Facebook an. So macht der digitale Assistent des Internet-Konzerns nun Apples sprechender Siri-Software Konkurrenz direkt auf dem iPhone. Mit dem automatisierte Teilen von Fotos könnte Google Facebooks Bilderplattform Instagram das Wasser abgraben.
Zudem gibt es künftig auch von Google eine vollwertige Brille zur Anzeige virtueller Realität, die mit Technik der Facebook-Firma Oculus konkurrieren wird. Und kostenlose Telefonate zwischen Googles "Home"-Lautsprechern sollen die Geräte attraktiver im Wettbewerb mit Amazons tonangebendem Konkurrenzgerät "Echo" machen.
Das Smartphone bestimmt die Welt
Es gehe um den Übergang von einer Welt, in der sich alles um das Smartphone dreht, zu einer, die von künstlicher Intelligenz bestimmt werde, sagte Google-Chef Sundar Pichai auf der Entwicklerkonferenz Google I/O am Mittwoch. Das solle auch die Dienste für die Nutzer besser machen.
Digitale Assistenten gelten als aussichtsreicher zukünftiger Weg, mit Computer-Technik zu kommunizieren. "Es sollte der einfachste Weg sein, etwas zu erledigen", betonte Forschungschef Scott Huffman. Amazon landete einen Überraschungserfolg mit der Assistenz-Software Alexa in seinem vernetzten "Echo"-Lautsprecher. Google verkauft "Home", seine Antwort darauf, seit Herbst. Irgendwann in diesem Sommer soll das Gerät schliesslich auch in Deutschland verfügbar sein, wie auf der Konferenz angekündigt wurde.
Ausserdem bietet Google demnächst - zunächst in den USA - kostenlose Telefongespräche zwischen den "Home"-Geräten an. Amazon hatte gerade erst vergangenen Woche einen ersten "Echo"-Lautsprecher mit Touchscreen vorgestellt - und eine Videotelefonie-Funktion angekündigt. Google stellte zwar keinen Lautsprecher mit Display vor, aber seine "Home"-Geräte sollen die visuellen Informationen an andere vernetzte Technik mit Bildschirm wie Fernseher oder Smartphones schicken.
Dabei erkennt der Google-Lautsprecher den Nutzer an der Stimme und sucht dadurch auch die entsprechenden Informationen heraus. Sagt man etwa, "zeige meinen Kalender" oder "rufe meine Mutter an", reicht das dem Gerät bereits als Angabe. Apple arbeitet laut Medienberichten auch an einem Lautsprecher mit Siri an Bord.
Google hatte seinen Assistenten auf der Google I/O vor einem Jahr vorgestellt und im Herbst auf den Markt gebracht. "Wir denken, dass der Assistant auf allen Arten von Geräten verfügbar sein sollte, auf denen er nützlich sein kann", sagte Huffman. Jetzt wird die Software unter anderem auch in Haustechnik der Marke GE eingebunden. Amazon verfolgt einen ähnlichen Ansatz und sicherte sich bereits einen Platz in Hausgeräten des GE-Konkurrenten Whirlpool.
Google Assistant wird mit vielen Geräten zusammenarbeiten
Der Google Assistant auf dem iPhone wird mit verschiedenen Apps des Internet-Konzerns zusammenarbeiten. So werde man über ihn zum Beispiel ein bestimmtes YouTube-Video starten oder Google Mail nutzen können.
Künstliche Intelligenz soll auch Googles Fotodienst aufbessern. Der Service könne künftig auf Wunsch des Nutzers zum Beispiel automatisch mit Familienmitgliedern alle Bilder teilen, auf denen sie zu sehen sind. Dabei erkennt die Software selbst, wer auf den Fotos drauf ist. Man könne sich auch darauf beschränken, dass Google Photos nur Adressaten zum Teilen vorschlägt und man die Bilder danach manuell verschickt, erklärte der zuständige Manager Anil Sabharwal.
In den Fotoservice wird auch der neue Dienst zum Erkennen von Bildinhalten "Google Lens" eingebunden. Damit kann die App zum Beispiel Informationen zu einem Gebäude oder einem Bild auf dem Foto liefern. Ausserdem steigt Google ins Geschäft mit Fotobüchern ein. Sie werden für knapp zehn Dollar pro Buch zunächst in den USA verfügbar sein und später in weitere Länder kommen.
Bei virtueller Realität setzte Google seit der Vorstellung der VR-Plattform "Daydream" vor einem Jahr Google ausschliesslich auf Brillen-Gehäuse mit Linsen, in die ein Smartphone als Display eingesteckt wird. Jetzt soll unter anderem mit dem PC-Primus Lenovo und dem Smartphone-Anbieter HTC, der ein VR-Vorreiter mit seiner Brille "Vive" ist, ein Headset mit eigenem Bildschirm entwickelt werden, sagte der zuständige Manager Clay Bavor.
Das Google-Betriebssystem Android knackte unterdessen die Marke von zwei Milliarden aktiven Geräten. Damit hat Android ungefähr doppelt so viele Geräte im Markt wie Apple mit seinem iOS-System für iPhones und iPads. Android dominiert vor allem beim Smartphone-Absatz mit einem Marktanteil von über 80 Prozent. Google stellt die Software verschiedenen Herstellern zur Verfügung.
Auch bei anderen Diensten meldete Google hohe Zahlen. So kommt Google Photos demnach auf 500 Millionen aktive Nutzer, die täglich 1,2 Milliarden Bilder hochladen. Und bei YouTube werde jeden Tag eine Milliarde Stunden Video gestreamt.
Die zentralen Ankündigungen im Überblick
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ soll künftig im Mittelpunkt aller Google-Dienste stehen und den Nutzern das Leben leichter machen. So kann zum Beispiel das neue Angebot "Google Lens" Objekte vor der Smartphone-Kamera erkennen - egal, ob es sich um eine Pflanze oder ein Gebäude handelt. Für Kurzmitteilungen gibt es eine Echtzeit-Übersetzung in andere Sprachen. Der Google-Assistent im Lautsprecher "Home" erkennt Nutzer an der Stimme und sucht für die Person passende Informationen heraus.
DER GOOGLE-ASSISTENT kommt als eigenständige App auf das iPhone. Damit fordert Google Apples Assistenz-Software Siri direkt auf der heimischen Plattform heraus.
EINE VOLLWERTIGE VR-BRILLE wird es jetzt auch von Google geben. Anfangs setzte der Internet-Konzern voll darauf eine die einfachere Lösung, ein Smartphone in ein Gehäuse mit Linse zu stecken. Jetzt wird gemeinsam mit Lenovo und HTC ein technisch anspruchsvolleres Modell mit eigenem Bildschirm entwickelt. Das System wird nicht so leistungsfähig wie eine Oculus-Brille von Facebook sein, benötigt dafür aber auch keinen teuren PC.
"ERWEITERTE REALITÄT" wird zum Beispiel helfen, das richtige Regal im Supermarkt zu finden - und zwar indem die Marschrichtung in das Kamerabild auf de Smartphone-Display eingeblendet wird.
ANDROID O bekommt als diesjährige Version des meistbenutzten Smartphone-Betriebssystems unter anderem ausgeklügeltere Benachrichtigungen und einen Bild-in-Bild-Modus, wie man ihm vom Fernseher kennt.
ANDROID IM AUTO hat Zukunft. Audi und Volvo zeigen erstmals Fahrzeuge, bei denen das Infotainment-System mit Googles Mobil-System läuft. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.