Barcelona (dpa) - Es ist eine Ansage, die man nicht überhören kann: Im Wettlauf um die Zukunft der Computer-Technik setzt Google seine Rivalen Apple, Amazon und Microsoft massiv unter Druck. Der Konzern bringt seinen sprechenden digitalen Assistenten auf einen Schlag auf Dutzende Millionen Smartphones.
Mit dieser Aktion spielt Google seine Machtposition als Anbieter des bei Computer-Telefonen dominierenden Betriebssystems Android geschickt aus. Zunächst wird der Effekt noch gezügelt sein - die neuesten Versionen "Marshmallow" und "Nougat", für die es den "Google Assistant" nun automatisch gibt, decken nur knapp ein Drittel der derzeit eingesetzten Android-Smartphones ab. Dabei ist die vorletzte Variante "Marshmallow" das Arbeitstier mit gut 30 Prozent. Zudem wird der Assistant zunächst - voraussichtlich bis zum nächsten Jahr - nur auf Englisch und Deutsch verfügbar sein. Doch die Unterstützung weiterer Sprachen und Regionen ist nur eine Frage der Zeit. Und es zählt das Signal: Google hat mit seinem dominierenden Smartphone-System einen einzigartigen Zugang zum Markt und wird ihn auch nutzen.
In den vergangenen Wochen hatte noch Amazon mit seinem Konkurrenz-System Alexa für Schlagzeilen gesorgt und schien die Führung im Wettstreit der digitalen Assistenten zu übernehmen. Alexa war so etwas wie der heimliche Star der Technik-Messe CES im Januar, weil sie in alle möglichen Geräte von Kühlschränken bis Autos Einzug fand. Während Apples Gegenentwurf Siri nur auf Geräten des iPhone-Konzerns verfügbar ist und der "Google Assistant" zunächst nur Nutzern des noch frischen (und teuren) hauseigenen Smartphones Pixel vorbehalten war. Jetzt könnte Google mit einem Zug die Karten neu gemischt haben.
Dass Sprachbefehle zu einem zentralen Weg werden, mit Computern zu kommunizieren, ist unter Experten spätestens seit dem Überraschungserfolg von Amazons Lautsprecher "Echo" mit eingebautem Alexa-Assistenten unumstrittenen. Die Diskussion geht vor allem noch darüber, in welchem Umfang sich die Methode ausbreiten und heutige Touch-Interaktionen ersetzen wird. Smartphones werden davon nicht verschont bleiben. Viele Anbieter rüsten sich für den Wettbewerb: Microsoft mit seiner Assistentin Cortana, Samsung mit einem eigenen smarten Assistant.
"Smartphones müssen noch viel smarter werden", betonte Analyst Francisco Jeronimo vom IT-Marktforscher IDC im Zuge des Mobile World Congress Barcelona. Und digitale Assistenten, die aus der der Internet-Cloud heraus agieren, seien der aktuelle Weg dafür. Google kann bei seinem Assistant nicht nur auf die Stärken seiner Netz-Infrastruktur oder Forschung bei künstlicher Intelligenz zurückgreifen, sondern auch auf die Daten der Nutzer nicht zuletzt aus Milliarden Suchanfragen.
Dabei könnten die digitalen Assistenten, die heute etwa Fragen nach Wetter, Verkehr oder anstehenden Terminen beantworten, zu dem Feld werden, auf dem sich der Konkurrenzkampf von Apple, Google, Amazon und Co. um die Nutzer - und damit auch ihre eigene Zukunft - entscheiden könnte. "Wer die Kundenschnittstelle kontrolliert, kontrolliert den gesamten Prozess", bringt es der Chef der Telekom-Geschäftskundensparte T-Systems, Reinhard Clemens, auf den Punkt. "Und der Kunde nimmt alles an, was ihm Komfort bringt."
Für die Geräte-Hersteller rückt der Google-Assistent in einer ohnehin komplizierten Gemengelage auf den Plan. Seit Android zum dominierenden Smartphone-System wurde, haben die Hardware-Anbieter (ausser Apple) ein Problem: Wenn über 80 Prozent der Computer-Handys mit der gleichen Software laufen, wie hebt man sich von einander ab?
Die Antworten konzentrierten sich bisher zum einen auf das Design. So versucht jede Firma, ihren Geräten ein Aussehen zu geben, das über verschiedene Serien hinweg eine Marke dahinter erkennen lässt. Dann gibt es Experimente wie die Tastatur bei Blackberry oder die abgerundeten Display-Ecken des neuen Top-Modells G6 von LG. Und Huawei ging eine Partnerschaft mit dem Farben-Spezialisten Pantone ein und philosophierte am Sonntag lange über die Nuancen von Grün- und Blau-Tönen. Software ist das zweite Feld zur Differenzierung. Und Neben kleinen Funktionen und Widgets auf dem Bildschirm wären Assistenten hier die Königsdisziplin. Selbst der schwächelnde Smartphone-Anbieter HTC versucht gerade, damit ein Comeback zu schaffen.
Infos zum Mobile World Congress
Der Mobile World Congress gilt als Gipfel-Treffen
der Mobilfunk-Branche. Zu der viertägigen Veranstaltung kommen Jahr für Jahr viele Konzernchefs und Top-Entscheider nach Barcelona.
Diesmal sind vom 27. Februar bis 2. März neben Top-Managern von Mobilfunk-Anbietern Geräteherstellern unter anderem Netflix-Chef Reed Hastings, der Macher der populären App "Pokémon Go", John Hanke, sowie der Präsident des FC Barcelona, Josep Maria Bartomeu, mit
dabei.
Die Messe zog 2013 auf ein grösseres Gelände um, weil es an dem bisherigen Ort zu eng geworden war. Im vergangenen Jahr gab es den nächsten Besucherrekord mit über 100 000 Brancheninsidern und Journalisten, diesmal wird ein weiteres Zuwachs erwartet. Der Mobile World Congress (früher bekannt unter dem Namen 3GSM) ist eine reine Fachveranstaltung. © dpa
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