Heute entscheidet sich das Schicksal des Computerherstellers Dell. Seit Monaten kämpft das Unternehmen ums Überleben und ist dabei nicht allein. Die gesamte PC-Branche geht es schlecht. Der Grund: die wachsende Konkurrenz durch Tablets und Smartphones. Hat der klassische PC überhaupt noch eine Zukunft? Wir haben uns darüber mit dem IT-Experten Christoph Schmidt vom "CHIP Magazin" unterhalten.
Guten Tag Herr Schmidt. Seit einigen Jahren sinken die Verkaufszahlen für PCs, was sind die Gründe?
Schmidt: Das ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Seit der Einführung von Mehrkern-Prozessoren ab 2006 haben PCs ein hohes Leistungsniveau erreicht, das über längere Zeiträume anhält. PC-Neuanschaffungen lassen sich also länger hinauszögern. Gleichzeitig schreitet die Entwicklung bei Smartphones und Tablets immer schneller voran – der Anreiz, sich ein neues, besseres Gerät zu kaufen, ist hier also höher. Zumal sie wegen des geänderten Nutzungsverhaltens immer intensiver genutzt werden und wegen des mobilen Einsatzes in der Öffentlichkeit auch als Statussymbol gelten. Der PC zu Hause wird immer seltener genutzt, was den Anreiz zum Neukauf weiter senkt.
Wer benutzt heute überhaupt noch einen klassischen PC?
Schmidt: Der professionelle Sektor mit Büroarbeitsplätzen macht rund die Hälfte aller PC-Verkäufe (Desktop und Notebook, Anm. d. Red.) aus. Stundenlanges produktives und ergonomisches Arbeiten ist und bleibt eine Domäne des klassischen PCs. Im Privatbereich stellen leistungshungrige Gamer einen grossen Teil der PC-Käufer – ebenso wie Nutzer, die viele Fotos oder Videos bearbeiten, was mit dem klassischen PC nach wie vor am besten klappt.
Mit welchen Problemen hat der PC im Vergleich zur mobilen Konkurrenz zu kämpfen?
Schmidt: Er nimmt mit Tastatur, Monitor und Maus viel Platz weg, sieht unattraktiv aus und bringt viel Kabelsalat mit sich. Viele Privatanwender setzen daher lieber auf ein Notebook, das genügend Leistung bietet – aber kompakt ist, sich wegräumen und an anderen Standorten nutzen lässt. Tablets und Smartphones sind dagegen richtige Lifestyle-Geräte fürs Wohnzimmer oder unterwegs.
Haben stationäre Rechner auch Vorteile?
Schmidt: Wenn es tatsächlich auf Rechenpower ankommt, ist der PC unschlagbar. Wegen nahezu beliebig starker Netzteile und Kühlung lassen sich die leistungsstärksten Komponenten einbauen, die es gibt. Zudem lassen sich seine Bestandteile einzeln austauschen und so die Rechenpotenzial nach einigen Jahren wieder auf den aktuellen Stand bringen, beziehungsweise das System für neue Aufgaben fit machen. Bei Notebooks ist das nur eingeschränkt möglich und sehr schwierig, bei Tablets und Smartphones ist nicht daran zu denken. Nicht zuletzt lassen sich Monitor, Tastatur und Maus eines PCs ergonomisch aufstellen. Das macht den PC auch zum Mittel der Wahl, um die Inhalte, Apps und Software zu produzieren, die auf Mobilgeräten laufen.
Wagen wir den Blick in die Zukunft: Smartphone und Tablet sind heute bereits Realität, doch welche Geräte werden in den nächsten Jahren den PC wohl weiter unter Druck setzen?
Schmidt: Im Privatbereich werden wohl Tablet und Notebook immer mehr verschmelzen. Sehr dünne Ultrabook-Notebooks und Tablets mit Tastatur gibt es ja schon. Wenn sich Windows 8.1 hoffentlich als brauchbares Hybrid-Betriebssystem erweist, dürften sich solche Konzepte wohl weiter verbreiten und den Desktop-PC zurückdrängen. Der Smartphone-Markt hat die Sättigungsgrenze zudem noch nicht erreicht. Konzepte wie die vernetzte Brille "Google Glass" scheinen mir speziell hierzulande noch sehr weit weg von den Nutzern zu sein. Und wenn sich solche Geräte durchsetzen, dann eher ergänzend zum Smartphone statt als Ersatz für den PC.
Hat der PC also noch eine Zukunft?
Schmidt: Wer will schon auf einem Tablet Software entwickeln, Videos schneiden oder mit grossen Datenmengen arbeiten? Überzeugende Lösungen oder auch nur Ansätze gab es dafür noch nicht. Ich denke, dass es den PC deswegen noch einige Jahrzehnte geben wird, auch wenn er zunehmend von Spezialisten genutzt werden wird.
Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.
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