Elon Musk möchte die Medien befreien, indem er sie übernimmt. Es wird höchste Zeit über Mastodon als Alternative zu klassischen sozialen Netzwerken nachzudenken. Dafür muss man aber erst eine biblische Weisheit überwinden. Sie lautet: "Wer hat, dem wird gegeben werden".

Rolf Schwartmann
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors/der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Tesla-Chef Elon Musk ist der reichste Mann der Welt. Er plant, das Geschick der Medienfreiheit in die Hand zu nehmen. Seine Idee ist einfach: Weil die Freiheit in sozialen Netzwerken gegen freiheitsfeindliche Interessen abgesichert werden muss, will er Twitter übernehmen und dort eine freie Welt aufbauen.

Dass sich Private des Internets bemächtigen, ist ein mindestens so schlimmes Schreckensszenario, wie die staatliche Beherrschung von Refugien der Freiheit, wie wir sie in Russland erleben.

Forderung: Unbeeinflussbare soziale Medien

Der Fall Musk wirft aber eine wichtige Frage auf: Wie kann man Kommunikationsräume schaffen, die frei von freiheitsfeindlichen Interessen von Staaten und Privaten sind. Private sind als Anbieter von Onlineangeboten und sozialen Netzwerken auf die Werbewirtschaft angewiesen.

Das System – machen wir uns nichts vor – sichert Wohlstand und Arbeitsplätze. Es ist zudem funktionsfähig, gesellschaftlich anerkannt und solange die Spielregeln des Medien- und Datenschutzrechts sowie des fairen Wettbewerbs eingehalten werden, von der Allgemeinheit erwünscht.

Massenkommunikation ist erwünscht

Das werbegetriebene Kommunikationssystem lebt davon, dass es intensiv genutzt wird und viral wirkt. Es stellt so sicher, dass Bürger, Wirtschaft und Staat sich gegenseitig erreichen und informieren können. Die Gegenstände sind häufig Klatsch und Tratsch über Gott und die Welt, den viele suchtartig konsumieren, mögen sie das auch entrüstet von sich weisen.

Es geht aber auch um lebenserhaltende Informationen, die Bandbreite reicht hier von Aufklärungsarbeit zur Bekämpfung der Pandemie bis hin zur politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung.

Es geht auch ohne Werbung - so funktioniert Mastodon

Der angekündigte Zugriff auf Twitter hat das Augenmerk auf ein alternatives soziales Netzwerk gelenkt. Es heisst Mastodon und kommt ohne Werbung aus. Anders als die Konkurrenz ist sein Algorithmus nicht auf Interessen der Werbewirtschaft getrimmt.

Es ist dezentral aufgebaut und wird auf einer Vielzahl von Servern von vielen Orten aus gehostet. Es untersteht nicht der Aufsicht eines bestimmten Staates und eine Einzelperson kann es nicht übernehmen.

Vom Erscheinungsbild wirkt Mastodon, das 2016 in Jena gegründet wurde, ähnlich wie andere soziale Netzwerke. Wer sich dort anmeldet, merkt aber: Es ist kompliziert. Man muss sich informieren, für einen der vielen Server entscheiden, sich Kommunikationspartner und Interessengemeinschaften suchen und von anderen gesucht werden. Man findet je nach Interessen sogenannte Mastodon-Instanzen, also unterschiedliche Server, die durch ein "Fediverse" verbunden sind, damit man anderen serverübergreifend folgen kann.

Hohe Gewichtung des Datenschutzes

Auf Mastodon tummeln sich Menschen und Einrichtungen, die ihren Datenschutz höher gewichten, als ihr Interesse am prallen Leben der bunten Bilder und den von vielen Interessen getriebenen Informationen. Professionelle Medienangebote finden sich bei Mastodon nur als nicht offizielle Bots, deren Vertrauenswürdigkeit man nicht einmal einschätzen kann. Influencer, die meisten Unternehmen und Behörden nutzen den Dienst nicht.

Die Datenschutzaufsichtsbehörden sind gut beraten, Alternativen zu Twitter, Facebook, Instagram, TikTok & Co zu nutzen und aufzuzeigen. Schliesslich haben sie offiziell Schritte gegen Behörden angekündigt, die unzulässig soziale Netzwerke nutzen.

Ministerien wollen Facebook nicht verlassen

Diese sind jedoch nicht bereit, sich von Facebook, Instagram, Twitter & Co zurückzuziehen. Hier bahnt sich wohl ein offener Streit an. Verständlich, denn die Kommunikation mit dem Bürger ist hart erarbeitet wichtig.

EuGH und BGH bei Twitter

Zudem betreibt auch die EU-Kommission eine Facebook-Fanpage und der Bundesgerichtshof hat fast 23.000 Follower bei Twitter, der EuGH gar gut 110.000.

Uneinheitliche Praxis bei deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden

Selbst die Praxis bei den Datenschutzaufsichtsbehörden ist uneinheitlich, wenn es um die Nutzung von Sozialen Medien geht. Weder Stefan Brink persönlich noch die von ihm geleitete Datenschutzbehörde in Baden-Württemberg sind auf Twitter. Dafür folgen dem LfDI BW auf Mastodon gut 1800 Nutzer. Das ist für dortige Verhältnisse viel aber im Vergleich wenig, wenn man bedenkt, dass Ulrich Kelber, der BfDI, nach wie vor persönlich per Twitter mit über 34.000 Followern unter hoher Aufmerksamkeit intensiv Datenschutzthemen diskutiert und auch ein Behördenkonto betreibt. Bis auf Weiteres will der BfDI also nicht auf die Wirkmacht von Twitter verzichten. Er ist zusätzlich bei Mastodon unterwegs und hat dort als Ulrich Kelber 3900 Follower und als BfDI 4100.

Massenkommunikation findet nicht statt

Wer einen Informationskanal sucht, über den man viele Menschen erreicht und von vielen Menschen erreicht wird, der ist bei Mastodon schlecht bedient. Die dezentrale Struktur des Netzwerks ohne zentralen Impuls und das anspruchsvolle Zurechtfinden sind Probleme für die Reichweite und Akzeptanz des Netzwerks.

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Entscheidend ist aber der Verzicht auf die Triebfeder der Werbung, die Inhalte und Interessen im Positiven wie im Negativen mit den Nutzern zusammenführt. Mastodon schwört auf diese Weise dem Matthäus-Effekt ab, der besagt: "Wer hat, dem wird gegeben werden".

Der Dienst ist datenschutzrechtlich ein besserer Ort, aber bislang auch ein sehr einsamer. Eine ernst zu nehmende Alternative zu Facebook, Twitter & Co ist Mastodon nur für den Datenschutz. Die Bedürfnisse der Nutzer befriedigt der Dienst jedoch nicht.

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