Verstörte Kinder, entsetzte Eltern - die Nachricht über die angebliche Rückkehr der sogenannten "Momo-Challenge" sorgt für grossen Wirbel. Dieses Mal soll die Horrorfigur bei Youtube und Fortnite ihr Unheil treiben, auch in Videos für Kinder. Eine echte Gefahr oder nur ein Medienhype?

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Berichte aus England, ausgehend von einem Artikel der Daily Mail, haben dafür gesorgt, dass "Momo" beziehungsweise die "Momo-Challenge" wieder zum Thema werden.

Handelt es sich um reine Panikmache, befeuert durch die Medien, oder müssen sich Eltern tatsächlich Sorgen um ihre Kinder machen?

"Momo Challenge" tauchte 2018 erstmals auf

Im Sommer 2018 tauchte der Begriff zum ersten Mal hierzulande auf. Es ging um einen WhatsApp-Account namens "Momo", der per Kettenbrief Kinder in Angst und Schrecken versetzte.

Die WhatsApp-User bekamen eine Nachricht von einem unbekannten Account mit dem gruseligen Profilbild. Es zeigt eine krähenartige Fratze mit weit aufgerissenen Augen und schwarzen Haaren. Die User wurden aufgefordert, das Bild an 15 Personen weiterzuleiten. Wer das nicht tue, dem drohten angeblich schlimme Folgen bis hin zum Tod.

Verschiedene Polizeibehörden und Kultusministerien warnten davor, Nachrichten dieses Accounts zu beantworten. Es handele sich um eine schädliche Software, die dadurch Zugriff auf Kontakte und Fotos auf dem befallenen Smartphone bekomme.

Bei der "Momo-Challenge" wiederum ging es darum, dass Jugendliche sich bestimmten Aufgaben stellen sollten, die ihnen der angebliche Momo-WhatsApp-Account aufgetragen hatte. Die letzte dieser Aufgaben sei die Aufforderung zum Suizid gewesen.

"Momo Challenge" angeblich bei Youtube in "Peppa Wutz"-Videos aufgetaucht

Nun soll "Momo" also wieder zurück sein. Dieses Mal allerdings nicht bei WhatsApp, sondern bei Youtube. Urplötzlich tauche die gruselige Fratze in Kindervideos wie "Peppa Wutz" oder in Clips mit Sequenzen aus dem beliebten Videospiel Fortnite auf.

So berichtete am Dienstag etwa die Haslingden Primary School, gelegen in einer kleinen englischen Stadt nördlich von Manchester, auf ihrem Facebook-Profil über zahlreiche solche Videos, die auf Social-Media-Plattformen und Youtube erschienen.

Mehrere Medien - auch unsere Redaktion - griffen das Thema auf und berichteten darüber, dass sich die "Momo Challenge" wieder verbreite. Allerdings gibt es keinerlei Belege dafür.

Auf Nachfrage unserer Redaktion sagt Martin Drechsler, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM): "Oft werden diese Phänomene durch die mediale Berichterstattung erst in die breite Öffentlichkeit getragen und erst dann von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen." Berichte über derartige Phänomene und damit verbundene Risiken könnten bei Eltern und Lehrkräften zur Aufklärung und mehr Sensibilität beitragen, "sollten aber insbesondere ängstigendes Bild- oder Videomaterial nicht weiter streuen und Hilfestellungen aufzeigen", so Drechsler.

Auch mehrere britische Organisationen zur Suizidprävention betitelten laut Guardian das angeblich zurückgekehrte Phänomen wie schon die ursprüngliche "Momo Challenge" als "moralische Panikmache". Erst durch die mediale Verbreitung werde der "Hoax "[englisch für Falschmeldung oder Scherzaktion] zu einer echten Gefahr.

Meedia.de schreibt: "Ein einzelner Facebook-Post mit einer Anekdote wird von einem Lokalmedium aufgegriffen, von immer mehr Medien abgeschrieben und zum weltweiten Aufreger und Angstmacher."

Youtube äusserte sich via Twitter zum vermeintlichen Comeback der "Momo Challenge" folgendermassen: "Im Gegensatz zu Presseberichten haben wir keine Beweise für Videos erhalten, die die 'Momo-Challenge' auf Youtube zeigen oder bewerben. Solche Inhalte verstossen gegen unsere Richtlinien."

Polizei hat keine konkreten Anhaltspunkte für "Momo Challenge"

Auch hierzulande haben die zuständigen Behörden keinerlei Anhaltspunkte für eine tatsächliche Bedrohung. "Es ist unklar, ob es die Momo-Challenge wirklich gibt oder was genau dahinter steckt. Für uns hat dieses Thema bislang keine besondere Relevanz, da wir keine Fälle bislang kennen und sich viel Meinungsbildung im Land vor allem über Gerüchte abspielt", erklärt Kriminaloberrat Harald Schmidt, Leiter der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes, auf Anfrage unserer Redaktion.

In mehreren Ländern, auch in Deutschland, habe die Polizei jedoch davor gewarnt, Nachrichten eines WhatsApp-Profils von "Momo" zu beantworten. "Wir empfehlen, nicht auf die Nachrichten zu reagieren oder gar die Nummer speichern. Diesen Tipp können Erwachsene an Kinder weitergeben", sagt Schmidt.

Wer oder was "Momo" ist und wer dafür verantwortlich ist, bleibt unklar. Der Ursprung des verzerrten Frauengesichts liegt wohl in Japan. Die japanische Special-Effects-Firma Link Factory schuf die Skulptur der Krähendame im Jahr 2016. Sie soll einen sogenannten Ubumetori darstellen – einen Geistervogel aus der japanischen Mythologie, der nachts saubere Wäsche mit Blut beschmiert oder gar Kinder aus ihren Betten entführt.

Hinweis: Auch unsere Redaktion hatte das Thema mit einem Video erneut aufgegriffen. Den entsprechenden Inhalt haben wir gelöscht. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 08 00/ 11 10 - 111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).

Verwendete Quellen:

  • www.theguardian.com: "Viral 'Momo challenge' is a malicious hoax, say charities"
  • www.meedia.de: "Hype um todbringende 'Momo'-Challenge: Wie Medien aus einer Scherzaktion eine reale Gefahr machen"
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