Berlin (dpa/tmn) - Der Aufschrei war gross: Als Microsoft die Xbox One ankündigte, hatte die Konsole noch einen Onlinezwang an Bord. Wer spielen wollte, musste mit dem Internet verbunden sein.

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Doch als deswegen viele Xbox-Fans drohten, zum Konkurrenten Sony und seiner Playstation zu wechseln, ruderte Microsoft hektisch zurück. Seitdem könnte man eigentlich glauben, dass Onlinezwang im Zusammenhang mit Computerspielen tabu ist. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Denn aktuelle Konsolen haben zwar keinen Onlinezwang, und PC-Plattformen wie Steam wenigstens einen Offlinemodus. Die Spiele funktionieren dafür aber oft genug nicht ohne Internetverbindung. Ihrer Popularität tut das aber keinen Abbruch, zumindest auf dem PC: Die drei erfolgreichsten Bezahlspiele 2016 waren dort laut den Marktforschern von Superdata Research die Shooter "Overwatch" und "Counter-Strike: Go" sowie das Rollenspiel "Guild Wars 2". Alle drei Spiele setzen eine Internetverbindung zwingend voraus.

Bei den Free-to-Play-Titeln für den PC ist das Bild ganz ähnlich. Von "League of Legends" bis "World of Tanks" dominieren hier ebenfalls die Onlinespiele, genau wie auf dem Smartphone mit "Clash of Clans" oder "Game of War". Etwas anders sieht es auf der Konsole aus: Am erfolgreichsten sind hier Titel wie "Fifa 16" oder "Grand Theft Auto 5", die auch offline funktionieren. Mit "Destiny" und "The Division" finden sich in den Konsolen-Charts aber ebenfalls zwei Titel, die es ohne Internet nicht einmal ins Hauptmenü schaffen.

Die meisten dieser Spiele müssen natürlich online sein, weil es sich um Multiplayer-Titel handelt. Die bunten Onlinegefechte von "Overwatch" und die Massenschlachten von "World of Tanks" wären offline schlicht nicht möglich. Aber Spiele wie "Destiny" oder das Snowboard-Spiel "Steep" lassen sich auch gut alleine spielen. Und "Super Mario Run" nutzt das Internet nur für Bestenlisten und anderen Kleinkram. Online muss der Spieler aber trotzdem sein.

Für die Entwickler hat der Onlinezwang gleich mehrere Vorteile, sagt Jörg Müller-Lietzkow. Darunter ein besserer Kopierschutz: "Raubkopien fallen damit weg, das ist durch die Serverbindung nicht mehr möglich", erklärt der Medienökonomie-Professor von der Universität Paderborn. Vor allem lassen sich Fehler so leichter korrigieren, erklärt er: "Die Anbieter können zum Beispiel Spielregeln ändern oder Fehler korrigieren, ohne gleich Gigabytes an Patches zu verschicken."

Es geht aber nicht nur um das Ausbügeln von Schnitzern, sondern auch um ständigen Nachschub an Inhalten - teils gratis, teils gegen Geld. Spiele sind so keine fertigen Produkte mehr, sondern Plattformen, die sich laufend verändern. "Games as a Service" nennt sich das.

Beispiele dafür sind "For Honor" und "The Division" von Ubisoft: Zwei Titel, für die es auch Monate nach Erscheinen noch Neues gibt. Fans haben so mehr von ihrem Lieblingsspiel, und Gelegenheitsspieler zahlen teils weniger für den Einstieg - bei "Hitman" von Square Enix zum Beispiel. "Im Idealfall bezahle ich als Spieler so nur für das, was ich auch wirklich nutze", sagt Müller-Lietzkow.

Und auch sonst hat das Modell "Games as a Service" durchaus Vorteile für den Kunden, erklärt der Spielekenner: "Die Entwickler sind natürlich daran interessiert, Spieler bei der Stange zu halten und hören deshalb auf Feedback." Bestes Beispiel dafür ist vielleicht "Destiny": An der ersten Version hatten Spieler noch einiges zu meckern, weshalb Entwickler Bungie über Monate kräftig nachbesserte. Das Ergebnis war ein viel besseres Spiel.

Der Nachteil: Nicht nur der Nutzer muss ständig online sein, auch die Spieleserver müssen funktionieren. Ist das nicht der Fall, können daraus sogar rechtliche Ansprüche entstehen. "Wenn ich für das Spiel bezahlt habe und der Zugang zum Server zum Beispiel nicht funktioniert, ist das ein Sachmangel und damit ein Fall für die Gewährleistung", sagt Michael Scheyhing, Jurist und Betreiber des Fachblogs "Gameslaw.de". "Dann kann ich theoretisch den Preis mindern oder vom Vertrag zurücktreten."

Voraussetzung ist aber, dass es dauerhaft und länger Probleme gibt. "Da gibt es eine Bagatellgrenze", sagt Scheyhing. Wo die genau liegt, sei von Fall zu Fall verschieden. "Ich würde aber sagen, bei einem Komplettausfall von weniger als einem Tag wird eine Anspruchsbegründung für den Verbraucher sehr schwer." Fallen Server länger aus, bieten Spielefirmen oft von sich aus Wiedergutmachungen an - allein, um die Spieler nicht gegen sich aufzubringen.

Was tun bei Server-Abschaltung?

Irgendwann werden die Server bei jedem Onlinegame ganz abgeschaltet - spätestens wenn es nicht mehr genug Spieler gibt, um die Kosten für den Betrieb decken. "Es gibt keine Regelung, wie lange die Server bei einem Onlinespiel funktionieren müssen", sagt der Jurist Michael Scheyhing. "Die Hersteller verpflichten sich da in ihren Geschäftsbedingungen auch zu gar nichts."

Hat das Spiel seine reguläre Lebensdauer überschritten und wird das Ende lange genug im voraus angekündigt, können sich die Fans daher kaum gegen die Abschaltung wehren. Und wie lange diese reguläre Lebensdauer genau ist, sei wieder stark vom Einzelfall abhängig, so Scheyring. Ein paar Jahre dürften es bei den meisten Titeln aber mindestens sein.  © dpa

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