Seit Mittwoch ist es also offiziell: Apple hat das iPhone 5 der Öffentlichkeit präsentiert. Natürlich ist es schneller, natürlich grösser und natürlich insgesamt besser als der Vorgänger. Doch die grossen Erwartungen, die das Gerät im Vorfeld ausgelöst hat, konnte Apple nicht erfüllen – das iPhone 5 ist eine Evolution, keine Revolution. Und das ist von Apple genau so gewünscht, auch gegen den Willen der Fans.
Die erste grosse Produktvorstellung nach der Ära Jobs, war von Fans und Presse heiss erwartet worden. Bislang liefen ähnliche Veranstaltungen immer gleich ab: Jobs steht im schwarzen Rollkragenpulli auf der Bühne, erzählt den Zuschauern, wie gut es Apple geht und legt die Erfolge und nächsten Schritte des Unternehmens dar. Es folgen eher unwichtige Details zu weniger interessanten Produkten, bis schliesslich die drei magischen Worte fallen: "One more thing..." – das Signal, was Apple-Jünger bislang immer in Jubelstürme ausbrechen liess und die Konkurrenz das fürchten lehrte. Denn mit diesem Mantra machte sich Apple meist daran, die Technik-Welt komplett auf den Kopf zu stellen. Das war beim iPod so, beim ersten iPhone und beim iPad.
Spätestens seit dem iPhone 4S haben diese drei Worte ihre Magie verloren. Denn das Smartphone war "nur" eine Evolution, keine Revolution. Vor allem blieb für viele Apple-Jünger damals die grosse Überraschung aus, denn fast alle technischen Details waren bereits vorab im Netz bekannt. Man kannte das Telefon also bereits, bevor es überhaupt vorgestellt wurde. Und den Enttäuschten reichte eine blosse Weiterentwicklung nicht aus. Sie wollten etwas radikal Neues, eine Revolution, wie die zahlreichen Design-Vorschläge im Netz eindeutig belegen. Apple sollte die Magie zurückholen, spätestens mit dem jetzt gerade vorgestellten iPhone 5. Doch das Unternehmen wollte auch dieses Mal nicht liefern und das hat zwei Gründe.
1. Die Konkurrenz schläft nicht
Als Steve Jobs das erste iPhone vorgestellt hatte, wurde der Smartphone-Markt noch von RIM und seinen Blackberrys für Business-Menschen dominiert. Touchscreens galten damals höchsten als technische Spielerei und zu unausgereift für den privaten Markt. Doch der Apple-Gründer erkannte das Potenzial der Technik und verwandelte das Smartphone in ein Lifestyle-Produkt. Die Konkurrenz war überrumpelt und konnte nur noch reagieren. Diesen strategischen Vorteil hat Apple inzwischen nicht mehr, denn die Anderen haben aufgeholt. Mit den Herstellern Samsung, HTC und Google stehen dem Verbraucher inzwischen Geräte und ein Betriebssystem zur Verfügung, die sich nicht mehr vor dem iPhone verstecken müssen. Apple kann seinen alten Kurs des Innovators nun nicht mehr voll ausspielen, denn Kunden haben jetzt einen Vergleich. In diese Rolle muss das Unternehmen noch hineinwachsen.
2. Die Bedürfnisse des Nutzers
Apple-Designer Jony Ive fasste die Apple-Philosophie bei der Vorstellung des iPhone 5 exzellent zusammen: "Wenn Sie an Ihr iPhone denken, ist es vielleicht das Produkt, das Sie am meisten in Ihrem Leben benutzen. Es ist das Produkt, das Sie immer bei sich tragen. Es ist diese einzigartige Beziehung, die unsere Kunden mit dem Telefon haben, die uns Änderungen am Design überdenken lassen. Denn wir wollen nicht einfach nur ein neues Telefon bauen, wir wollen ein besseres Telefon bauen." Damit bleibt Apple den Prinzipien seines verstorbenen Gründers treu.
Steve Jobs war Herz und Seele des Unternehmens und vor allem der grosse Ideengeber. Bereits zu Lebzeiten galt er als absoluter Visionär und nahm für sich in Anspruch zu wissen, was das Beste für den Verbraucher ist. Natürlich ist das zu einem gewissen Grad anmassend, doch der Erfolg gab und gibt ihm bis heute recht: iPod, iPad und iPhone sind immer noch Kassenschlager und begehrte Lifestyle-Produkte. Und Apple bleibt dieser erfolgreichen Philosophie seines Gründers konsequent treu. Denn es geht dem Konzern nicht darum ein neues Gerät zu bauen, sondern ein besseres. Diese Entwicklung lässt sich bis zum ersten iPhone zurückverfolgen. Jede neue Generation machte etwas besser, als die Generation zuvor und selbst "enttäuschende" Zwischenschritte, wie die "S"-Modelle, brachten dann doch über das Betriebssystem mehr Komfort für den Nutzer. Natürlich spielen auch Design und Aussehen bei Apple-Produkten immer eine grosse Rolle, doch letztlich ordnet sich auch das Optische immer den Bedürfnissen und Gewohnheiten des Nutzers unter.
Und das wird Apple auch in Zukunft wohl nicht ändern, auch wenn es den Technik-Jüngern nicht gefallen wird. Die Magie des "One more thing" mag vielleicht vorerst verflogen sein, doch der Konzern ist dafür in der erfolgreichen Realität angekommen. Und wer weiss, was Jobs dem Unternehmen noch hinterlassen hat: Vielleicht kommt die nächste Technik-Revolution schneller, als Fans und Analysten glauben.
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