Bonn/Düsseldorf (dpa/tmn) - Höflichkeit ist eine Tugend - auch im Internet. Sich mit seinen Mitmenschen auf dem digitalen Weg sachlich zu unterhalten, gehört allerdings nicht für alle User im Netz dazu.
Grundlage für ein Benehmen im Netz geben Regeln, die unter dem Wort "Netiquette" zusammengefasst werden. "Dabei legt jeder Betreiber einer Seite, eines Forums oder einer Facebook-Gruppe seine Netiquette selbst fest", sagt Dennis Horn, Fachjournalist für digitale Themen. "Jedes Forum legt seine Verhaltensregeln selbst fest, wobei es im Grunde überall eine Faustregel gibt: den gesunden Menschenverstand."
Deutlich grundlegender ist die deutsche Gesetzgebung - auch die muss wie im echten Leben eingehalten werden, etwa in den Bereichen Beleidigung, Verleumdung oder Nötigung. Das bezieht sich nicht nur auf Texte, sondern auch auf Bilder und alles weitere, was man im Netz veröffentlichen kann.
Einen Unterschied zwischen echtem Leben und Verhaltensregeln im Netz gibt es allerdings: der fliessende Übergang zwischen der Anrede. "Das Du sitzt im Netz locker, und ich persönlich empfinde das auch nicht als despektierlich", sagt Horn. "Auch grosse Medienanbieter schreiben gerne im Netz ihre Leser in Kommentaren mit Du an - auch solche, von denen man es nicht vermuten würde."
Auch für "Der grosse Knigge"-Redakteurin Alexandra Sievers ist die Sache mit der persönlichen Anrede nicht ganz eindeutig: "Nach den normalen Umgangsformen sollte man schon generell beim Sie bleiben. Allerdings wäre das in Foren, in denen es zum Beispiel um Hobbys geht, oftmals auch nicht ganz passend."
Sie vergleicht den Fall mit einem "Bergsteiger-Du", da die distanzierte Anrede in diesem Fall doch eher gestelzt wirken würde. Wenn jemand allerdings nicht geduzt werden möchte, solle er das auch kommunizieren. "Im Zweifel ist das Hamburger Sie - die Ansprache mit dem Vornamen und Sie - ein geschickter Mittelweg." Oder man wartet einfach, bis das Du offiziell angeboten wird.
Mit einer möglicherweise gesenkten Hemmschwelle zur Beleidigung habe die Anrede wenig zu tun, sagt Dennis Horn. "Das Internet senkt die Hemmschwelle eher, weil ich die Person nicht vor mir sehe und die direkte Reaktion nicht mitbekomme." Im Umgang mit einem rüden Ton gelte zunächst: durchatmen und nachdenken. Wie nahe steht mir die Person? Und sind die Gegenüber überhaupt an einer ernsthaften Kommunikation interessiert? Horn rät dazu, Beleidigungen zunächst einmal zu ignorieren, wenn man die Person nicht kennt.
Zurückbeleidigen sollte man unterlassen. "Intelligenter, guter Humor ist die beste Reaktion auf Beleidigungen im Netz", sagt Sievers. Das müsse allerdings gekonnt sein, sonst könne eine solche Antwort auch nach hinten losgehen. Man dürfe auch ansprechen, dass man über den Ton verwundert ist, und kann auf die Netiquette hinweisen.
Mitunter handelt es sich beim Gegenüber auch um einen Troll. "Trolle wollen vor allem provozieren und die Kommunikation stören", sagt Martin Müsgens, bei der Landesanstalt für Medien NRW zuständig für die EU-Initiative "klicksafe". "Man sollte sie aus der Diskussion ausgrenzen und möglichst nicht direkt ansprechen."
Die Faustregel heisst "Don't feed the troll": Auf keinen Fall sollte man emotional oder gar aggressiv reagieren - genau das ist ihr Futter. "In vielen Fällen hilft es, sich mit anderen Diskussionsteilnehmern zu solidarisieren und zu versuchen, die Kontrolle über die Diskussion zurückzuerlangen." Wenn alle Stricke reissen, hilft unter Umständen das Melden des Fehlverhaltens an den Administrator. Dieser kann dann die Person aus der Diskussion ausschliessen. Allerdings kann es etwas dauern, bis das passiert. So lange bleiben die Inhalte sichtbar.
Und wenn es hart auf hart kommt, können sehr reale Grenzen den Pöblern Einhalt gebieten. "Sollten sie gegen geltendes Recht verstossen - also zum Beispiel persönlich beleidigend werden - ist der beste Weg eine Anzeige", sagt Horn. Über ein Onlineformular von Landeskriminalämtern können strafrechtlich Relevante Inhalte angezeigt werden. "Das bringt Leute tatsächlich häufig dazu, solche Äusserungen künftig zu unterlassen", sagt Horn. "Und meines Erachtens nach machen zu viele Menschen davon noch keinen Gebrauch." Bei volksverhetzenden Inhalten wurden zuletzt allerdings einige Täter zu Geld- und sogar Gefängnisstrafen verurteilt. © dpa
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