Zocken, das ist etwas für Männer, so das noch immer weit verbreitete Klischee unter Videospielern. Geben sich Frauen im Spiel auch als Frauen zu erkennen, nimmt die unter Zockern ohnehin verbreitete Vulgärsprache schnell sexistische Züge an. Denn einige Männer sehen sich "ingame" eher als geschlossene Gesellschaft, in der Frauen unerwünscht sind.
Da Frauen sich mehr und mehr auch in Spielen, wie "World of WarCraft", "League of Legends" oder "Battlefield" tummeln, wachsen die Möglichkeiten zur Konfrontation. Mit dem gemeinsamen Trend hin zu Rollenspielen und Shootern gibt es einfach immer mehr Raum, um im Spiel aneinander zu geraten. Seitens der Hersteller wird wenig getan, um diesem Konflikt vorzubeugen, denn auch die Protagonistinnen im Spiel selbst sind oft genug reine Sexsymbole.
Frauen als Sexsymbole
Was bei weiblichen Heldinnen zählt, ist zuallererst ihre Attraktivität. Da bildet die Gameswelt keine Ausnahme und folgt den bekannten Gesetzen aus Film und Fernsehen. Andere Beispiele gibt es, doch sie bleiben die Ausnahme. So ist zum Beispiel die Protagonistin Samus in Nintendos "Metroid Prime" zwar eine Frau, agiert jedoch wie jeder andere Actionheld auch.
Von enormer Bedeutung ist das Aussehen der weiblichen Charaktere vor allem in Rollenspielen. Leicht bekleidet, vollbusig und mit einem prachtvollen Körperbau ausgestattet, haben die Heldinnen zwar die gleichen Fähigkeiten wie ihre männlichen Mitstreiter, dienen aber im Wesentlichen als Sexsymbole. Auch aus diesem Grund gibt es viele Frauen, die sich selbst lieber männliche Charaktere erstellen. Zugleich formt sich so mancher Mann eine Heldin ganz im Einklang mit seinen sexuellen Phantasien. In manchen Ego-Shootern, zum Beispiel der Counter-Strike-Reihe, sind allerdings noch nicht einmal Frauen auswählbar.
Gamerinnen unerwünscht
In MMORPGs, den "Massive Multiplayer Online Role-Playing Games", gehört das Beleidigen - "Flamen" - fast schon zum "guten Ton". Es ist spielerischer Alltag. Doch wer sich im Shooter als Frau bekennt, muss zusätzlich mit sexistischen Sprüchen rechnen. Maria Sobert, bekannt unter dem Pseudonym "Seraphim", studiert Psychologie und ist selbst leidenschaftliche Spielerin. Auch sie wurde beim Spielen schon beleidigt, nur weil sie eine Frau ist. Ihre Erklärung dafür ist einfach. "Die Situation zeige, dass die "harten Kerle" im Internet nicht damit umgehen können, gegen eine Frau zu verlieren und versuchen, durch solche Äusserungen ihre Komplexe zu kompensieren."
Anita Sarkeesian, eine kanadisch-amerikanische Feministin, widmet sich ebenfalls diesem Thema. Mit einer Videokampagne versuchte sie, eine Diskussion über weibliche Videospiel-Charaktere in Gang zu setzen. Denn ihrer Meinung nach verfolgen manche Videospiele durchaus frauenfeindliche und sexistische Ideen. In der männer-dominierten Community lösten die Kampagne und Sarkeesians Aussagen eine heftige Protestwelle aus. Hobby-Grafiker verunstalten Bilder von ihr und Amateur-Entwickler kreierten ein Spiel mit dem Titel "Beat Up Anita Sarkeesian". Wie im Titel schon anklingt, dürfen die Spieler die Feministin hier virtuell ordentlich vermöbeln. Die Betroffene selbst fühlt sich durch diese Hasskampagne in ihren Thesen noch einmal bestätigt.
Ibrahim Mazari ist studierter Soziologe, PR Direktor und Jugendschutzbeauftragter der Electronic Sports League (ESL), der grössten europäischen Liga für Videospiele (eSport). Er betreibt auch einen Blog "digitale Spielwiese", auf dem er rund um das Thema Games berichtet. Mazari sieht Sexismus nicht als Problem speziell von Videospielen, sondern als Problem des Internets: "In Social Networks oder Foren gibt es seit es das Internet gibt die Problematik mit den "Trollen". Und da es eben im Internet auch eine gewisse Anonymität gibt, was im Grunde ja auch gut ist, gibt es das Problem, dass in Kommentaren persönlich verletzt wird." Aber es gebe auch gewisse Vorbehalte gegenüber Spielerinnen. "Das hat auch damit zu tun, dass der eSport und auch das Gaming, wenn es lebensstil-prägend ist, dazu tendiert, die Anderen auszugrenzen. Gaming ist eher ein Jungenhobby, weshalb bei vielen Frauen erst einmal als skurril wahrgenommen werden; vor allem im Shooter-Bereich."
Immer mehr Spielerinnen
Die Zahl der Zockerinnen steigt stetig weiter an. Nicht nur Facebook-Spiele und Mini-Games finden mehr weiblichen Zulauf, auch "männertypische" Spiele sind dabei. Mazari begründet dies mit dem Fakt, dass Videospiele in der breiten Mitte der Gesellschaft angekommen seien. "Mittlerweile gibt es auch Manager und Bundesminister, die Shooter spielen und sich dazu bekennen. Das heisst: Die Leute, die mit Shootern aufwachsen, werden älter. Väter und Grossväter, und immer mehr Frauen lernen auch die Vielzahl der Videospiele kennen. Das sind nicht nur Casual-Games, sondern eben auch eher die "Szene-Games"," so Mazari. Er erkenne jedoch, dass die Bereiche unterschiedlich wachsen "Ich persönlich glaube, dass die Shooter nie ein fifty-fifty-Verhältnis erreichen werden. Denn bislang ist in jeder Sportart, in der gekämpft wurde, der Frauenanteil geringer geblieben - egal ob Karate oder Judo." In "World of WarCraft" liege der Anteil der Spielerinnen allerdings schon knapp über 50 Prozent und auch "Legue of Legends" spreche ein grosses Frauenpublikum an. "Das zeigt, dass Frauen mittlerweile genauso Videospiele spielen, wie Männer auch." Durch die steigenden Frauenanteile gibt es in der Electronic Sports League inzwischen sogar eine Sektion nur für Frauen. Natürlich ist es ihnen trotzdem noch erlaubt, bei den Männern professionell mitzumischen.
Gemeinsamer Umgang
Maria Sobert geht davon aus, dass die meisten Spielerinnen heute schon über der teils wenig galanten Verhaltensweise ihrer männlichen Mitspieler stehen. "Wenn einem das Spiel Spass macht, dann können die meisten Spielerinnen damit auch umgehen und stecken diese kleinen Neckereien locker in die Tasche. Für mich wäre es kein Grund, ein anderes Spiel zu spielen oder gar aufzuhören." Denn unerwünscht habe sie sich bisher noch nie gefühlt, "höchstens mal nicht ernst genommen."
Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Mazari. Zum Thema Beleidigung und Sexismus befragt, sagt er "Man darf das nicht persönlich nehmen. Es ist, denke ich, sehr wichtig, die Betroffenen so stark zu machen, dass sie das auch erkennen." Und Mazari geht noch weiter und erklärt: "Dies gehört auch zum Thema Medienkompetenz." Wenn es jedoch persönlich werde, seien die Betreiber gefragt, um ein solches Fehlverhalten zu bestrafen.
Aussichten für Frauen
Die Zahl der Spielerinnen wird auch in Zukunft weiter steigen. Doch werden Frauen in Videospielen damit auch an Akzeptanz gewinnen? Maria Sobert blickt auch in diesem Punkt positiv in die Zukunft: "Ich denke, dass die Community alles in allem erwachsener wird. Es wird immer Leute in der Community geben, die der Meinung sind, mit Beleidigungen oder sexistischen Äusserungen hervorstechen zu müssen. Aber im Grossen und Ganzen denke ich schon, dass durch ein vermehrtes Frauenaufgebot die Toleranz grösser wird."
Ibrahim Mazari sieht die Frauen trotz der Vorbehalte bereits weitgehend gleichgestellt. "Frauen müssen sich durchsetzen; auch gegen die Vorbehalte. Die professionelle Szene sei in diesem Punkt auch schon weiter." Es gebe auch einige Beispiele, in denen sich "Frauen bereits in der Männerszene etablieren konnten, da sie sich nicht haben unterkriegen lassen."
Auch in Zukunft wird es Spieler geben, die mit sexistischen Kommentaren zu punkten versuchen. Doch es werden hoffentlich weniger, denn der Beifall für solche Äusserungen lässt nach.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.