San Francisco/Hamburg (dpa) - Die Jagd nach Geldgebern für eine grosse Idee kann ganz schön auf die Knochen gehen.

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Ali Jelveh, Mitbegründer des Hamburger Startup-Unternehmens Protonet, kommt bei seiner Tour im Silicon Valley in diesen Tagen nicht dazu, sich mal richtig auszuschlafen. Doch an Ausruhen will der charismatisch auftretende Jungunternehmer derzeit nicht denken. Schliesslich hat er gerade die Möglichkeit, renommierte Investoren wie Sequoia Capital als Geldgeber zu gewinnen, die zuvor auch schon Apple, Google oder Facebook in ihrer Startphase unter die Arme gegriffen haben.

Protonet hatte 2014 mit einem Crowdfunding-Rekord auch international Schlagzeilen gemacht. Drei Millionen Euro wurden damals von über 1800 Kleininvestoren eingesammelt, um die Entwicklung eines Servers für kleinere Unternehmen und Privathaushalte zu finanzieren, der wie grosse Cloud-Dienste funktioniert, aber die sensiblen Daten nicht nach aussen verlagert.

Mit seinen orangefarbenen kompakten Design-Rechnern im Stahlgehäuse erzielte Protonet dann auch einige Achtungserfolge. 2015 macht das Unternehmen über eine Millionen Euro Umsatz. Doch der ganz grosse geschäftliche Durchbruch liess auf sich warten, obwohl die Datenskandale um NSA bis BND eigentlich ein günstiges Marktumfeld für die Produkte von Protonet geschaffen hatten. Selbstkritisch räumen Jelveh und sein Mitgründer Christopher Blum nun ein: "Wir haben gross gedacht, aber nicht gross gehandelt." Das soll sich jetzt ändern.

Zu den Erkenntnissen gehörte auch, dass man von Deutschland aus den internationalen Durchbruch kaum schaffen kann, sondern den Weg in das IT-Mutterland USA wagen muss. Ende November 2015 bewarben sich die Protonet-Gründer deshalb beim legendären kalifornischen Startup-Programm "Y Combinator", aus dem Firmen wie AirBnB, Dropbox und Pebble als internationale Player hervorgegangen sind - und wurden nach nicht einmal 15 Minuten Vorstellungsgespräch akzeptiert.

Ali Jelveh
Der Unternehmer und Protonet-Gründer Ali Jelveh sitzt in der Kulisse eines Werbefilms für sein Unternehmen. © dpa / Daniel Reinhardt

"Für uns war das wie ein Aufstieg von der Kreisklasse direkt in die Bundesliga", sagt Jelveh. Wichtiger als die Fördersumme von 120 000 Dollar sei die Funktion von "Y Combinator" als Türöffner zu den grossen Wagniskapitalgebern, die im Silicon Valley vor allem an der Sand Hill Road in Menlo Park sitzen.

Für eine neue Produktidee setzt Protonet allerdings nicht nur auf das Geld der grossen Silicon-Valley-Fonds, sondern erneut auf eine Schwarmfinanzierung. Auf der internationalen Crowdfunding-Plattform Indiegogo wird von diesem Dienstag (15. März) an Geld eingesammelt, um mit einer datenschutzfreundlichen Lösung in den Smarthome-Markt einzusteigen. Mit dem 149 Dollar teuren Miniserver "Zoe" will man eine sichere Schaltzentrale für Privathaushalte anbieten, mit der man die Heizung steuern, Türen und Fenster überwachen oder andere Geräte im vernetzten Zuhause dirigieren kann.

Ähnlich wie beim Lautsprecher "Echo" vom Amazon gehorcht das Protonet-Gerät über Sprachbefehle aufs Wort. "Zoe ist die erste Smarthome-Zentrale, die zuhört, lernt und die Privatsphäre schützt", verspricht Jelveh. Denn im Gegensatz zu dem Amazon-Produkt oder vergleichbaren Diensten von Google landet das Gesagte nicht auf einem Server in der grossen Internet-Wolke, sondern wird auf Wunsch nur auf dem Gerät lokal verarbeitet. "Unsere Ingenieure dachten erst, das sei nicht möglich", sagt Jelveh. Über die neuen Kontakte im Silicon Valley seien sie aber auf mehrere Lösungen gestossen, mit denen man eine Spracherkennung auch ohne Cloud-Anschluss umsetzen kann.

"Zoe" soll nicht nur auf Zuruf die Heizung rauf oder runter drehen oder den Roboter-Staubsauger in Betrieb setzen, sondern kann auch mehr oder weniger komplexe Wenn-Dann-Befehlsketten ausführen. "Wenn ich beispielsweise die Wohnung verlasse, kann Zoe checken, ob alle Fenster und Türen geschlossen und die Lichter ausgeschaltet sind. Und dann kann Zoe auf Wunsch auch automatisch eine Überwachungskamera aktivieren, die ich nicht eingeschaltet haben möchte, solange ich selbst in der Wohnung bin", stellt der "Chief Revolutionary Officer" von Protonet in Aussicht. "Was zu Hause passiert, bleibt zu Hause."

Bis zum kommenden Weihnachtsgeschäft soll das Produkt verfügbar sein, zunächst nur mit einer englischsprachigen Bedienung. Die deutsche Spracherkennung soll später als Update zum Herunterladen verfügbar sein.

Für das neue Projekt fällt das unterste Finanzierungsziel auf Indiegogo von 100 000 Dollar vergleichsweise bescheiden aus. Insgeheim hoffen die Protonet-Gründer aber darauf, die Millionen-Schwelle erneut überschreiten zu können. Ob das ausreicht, um gegen Branchenriesen wie Google, Amazon und Apple bestehen zu können, muss sich aber noch erst erweisen.

Bei aller Begeisterung für das neue Smarthome-Projekt will Protonet das Geschäft mit seinen Servern für Kleinunternehmen und Privathaushalte nicht aus den Augen verlieren. So kündigte das Hamburger Unternehmen, das nun nur noch die Deutschland-Tochter einer US-Holding ist, eine Reihe von Kooperationen mit Anbietern von Business-Softwarelösungen an. Damit kann man der orangefarbenen Box zusätzliche Funktionen beibringen, um beispielsweise Kundenkontakte zu erfassen oder die Ressourcen in einem Unternehmen zu planen. Für die Präsentation der neuen Business-Projekte suchte sich Protonet eine Bühne weit weg vom kalifornischen Silicon Valley aus: Die CeBIT in Hannover.  © dpa

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