Der Blick in einen heissen Streifen auf dem Internetportal "Redtube.com" bereitet momentan Tausenden von Nutzern ziemlich Bauchschmerzen. Denn der Schmuddelstreamingdienst hat in den letzten Tagen massenweise Abmahnschreiben deutschlandweit verschickt. Was sollten die Betroffenen tun? Welche Filme können sich die Nutzer generell ansehen, ohne Gefahr zu laufen, dafür später belangt zu werden? Wir haben die wichtigsten Antworten.

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Das Unheil kam vergangene Woche per Post, nach Schätzungen in mehrere zehntausende von Briefkästen: In einem Brief der "U+C Rechtsanwälte" aus Regensburg und Hamburg werden Nutzer aufgefordert, wegen einer Urheberrechtsverletzung eine Unterlassungserklärung abzugeben. Sie hatten angeblich auf der kostenlosen Seite des Pornoportals "redtube.com" Filme angesehen. Die Kanzlei verlangt dafür namens des in der Schweiz sitzenden Rechtebetreibers jeweils 250 Euro. Sollte sich der Abgemahnte einen speziellen Film erneut ansehen, wird es laut dem Würzburger Internet-Fachanwalt Chan-jo Jun richtig teuer: Dann droht in jedem einzelnen Fall eine Strafe von mehreren tausend Euro. Folglich raten Jun und sein Kollege Christian Solmecke aus Köln, keinesfalls die Erklärung zu unterschreiben oder zu zahlen. Stattdessen solle man der Gegenseite selbst oder per Anwalt die Rechtslage mitteilen.

Obgleich sich Streamingdienste - bei denen die Musik oder Filme statt auf der Festplatte im Zwischenspeicher des Rechners gespeichert werden – oft in einer rechtlichen Grauzone bewegen, sieht Solmecke die Sache nämlich ganz klar: “Aus unserer Sicht haben die Nutzer hier keine Straftat begangen. Anders als es zum Beispiel bei 'Kino.to' der Fall war, werden die Filme auf Redtube nicht offensichtlich rechtswidrig (im Sinne des Urheberrechts) verbreitet. Sofern also beim Anschauen der Filme überhaupt eine Kopie auf dem eigenen Rechner erfolgt, ist diese als legale Privatkopie zu bewerten."

Filme teilweise bewusst lanciert

Noch deutlicher wird Jun: "Wenn man durch das Nutzen solcher Streamingdienste schon eine Urheberrechtsverletzung begehen würde, müsste man konsequenterweise seinen Browser deinstallieren." Er gibt sich zu Bedenken, dass bei dieser Seite ja gar nicht eindeutig zu erkennen sei, ob Inhalte rechtswidrig verbreitet werden. "Teilweise lancieren die auch Anbieter bewusst, um bekannter zu werden", konkretisiert er.

Wie aber kann der Internetsurfer illegale Seiten erkennen? Vorsicht ist nach Aussage der Anwälte geboten, wenn es sich um aktuelle Kinofilme handelt. "Da ist allen klar, dass das nicht legal sein kann", unterstreicht Solmecke. Grenzwertig wird es laut Jun auch, wenn die Inhalte mit speziellen Programmen permanent auf der eigenen Festplatte gespeichert werden.

Solmecke hat unter den besorgten Anrufern seit Beginn der Abmahnwelle eine grosse Unsicherheit verzeichnet: "Viele sind jetzt so verunsichert, dass sie denken, sich jetzt auf 'YouTube' nichts mehr ansehen zu dürfen." Dies sei aber definitiv falsch. Ebenso wie "YouTube" seien Portale wie "myvideo" und "dailymotion" unproblematisch. Es gebe nur "verhältnismässig wenige illegale Angebote", die im Internet auch versteckt und nicht ohne weiteres zu finden seien.

Interessant ist die Frage, wie die "U+C Rechtsanwälte" überhaupt an die IP- und später Echtadressen der Betroffenen gekommen sind. Solmecke berichtet von einem Auskunftsprotokoll, welches ihm zugespielt wurde. Dies hatte U+C beim Landgericht Köln erwirkt. Daraufhin war der Provider verpflichtet, Namen und Adressen herauszugeben. In dem Protokoll sei die Rede davon, dass die Nutzer mit einer speziellen Software überwacht wurden. Die kann nach Einschätzung Juns nur mit illegalen Methoden auf die Rechner der Betroffenen gekommen sein, per Schnüffelsoftware oder Browser-Addon. "Die Erhebung der Daten ist damit vermutlich ein rechtswidriger Akt gewesen", moniert er. Die Ermittlung der Daten kann selbst ein Fall für die Staatsanwaltschaft sein. Was an der eigenen Situation aber nichts ändert. "Auch wenn die Daten illegal erworben wurden, können sie in einem Zivilverfahren verwendet werden", klärt Solmecke über die Lage auf. Um der Schnüffelsoftware das Handwerk zu legen, empfiehlt sich ein gründlicher Scan des Computers mit einem aktuellen Antivirenprogramm sowie das Deaktivieren unbekannter Zusatzprogramme (sogenannter Addons) im Browser.

Bis zu 20 Prozent zahlen

Nach Juns Erfahrung entscheiden sich viele Mandanten nach einer Rechtsberatung, gar nichts zu unternehmen. "Es gibt aber einen beträchtlichen Anteil, die aus Scham zahlen", weiss er aus vergleichbaren Fällen von Filesharing. Schätzungen nach sind dies bis zu 20 Prozent der Abgemahnten, also ein lukratives Geschäft für Anwälte und Rechteinhaber. Jun ist kein Fall bekannt, dass U+C seine Ansprüche jemals gerichtlich durchgesetzt hat. Wer die Abmahnungen einfach ignoriert, sollte allerdings gute Nerven haben. "Ich weiss, dass U+C den Betroffenen lange Druck macht, auch über Inkassobüros. Das hält nicht jeder durch", formuliert Solmecke. Spätestens wenn also der gelbe Umschlag des Inkassobüros im Briefkasten liege, gelte es, zu handeln.

Der Kölner Fachanwalt sieht in dem Fall "eine noch nie da gewesene Abmahnwelle", 700 Betroffene hätten sich bei ihm telefonisch gemeldet, über 20.000 seine Webseite aufgerufen. Für Jun besteht die Gefahr, dass auch Besucher populärer Streamingseiten demnächst abgemahnt werden. "Wenn die Rechteinhaber diese IP-Daten kriegen, ist der Fall 'Redtube' nur ein Vorgeschmack auf das, was dann kommt", orakelt der Jurist.

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