Bonn (dpa) - Mazedonien ist ein kleines Land auf dem Balkan. Aber der Staat, der in diesen Wochen eher in der Flüchtlingskrise Schlagzeilen macht, hat auch eines der modernsten Telefonnetze in Europa.

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Vor zwei Jahren schloss die Deutsche Telekom die Umstellung von 290 000 Leitungen auf das Internet-Protokoll ab, die sogenannte IP-Technik. Der Bonner Konzern hatte vor vielen Jahren über seine ungarische Tochter in Mazedonien Fuss gefasst.

Für Claudia Nemat, Europa- und Technik-Chefin des Bonner Konzerns, war das Ereignis mehr als nur eine Notiz am Rande. Es war der Startschuss in eine neue Welt der Telekommunikation: "Unsere Vision ist ein gesamteuropäisches Netz auf Basis von All-IP", sagte sie damals. Sprich, ein Netz, das in den kommenden Jahren in allen Tochterfirmen etabliert wird, enorme Kosten sparen und viele neuen Dienste und Anwendungen möglich machen soll. Ende 2015 hatten mit Montenegro, Kroatien und Slowakei drei weiter Länder auf IP umgestellt. Ungarn will in diesem Jahr voll IP-fähig werden.

Möglich geworden ist das Knüpfen des neuen pan-europäischen Netzes, weil die Telekom über Jahre ihre Geschäfte im Festnetz und Mobilfunk in der ost- und mitteleuropäischen Region systematisch und schrittweise ausgebaut hat. Anbieter in Griechenland, Ungarn und Polen gehören zu den grössten Beteiligungen. Aktiv sind die Bonner auch in der Tschechischen Republik, in Rumänien und Albanien. Grösster Zukauf war zuletzt der Erwerb des Infrastrukturbetreibers GTS Central Europe mit Sitz in Rumänien für eine halbe Milliarde Euro.

Doch in die Schlagzeilen gerieten stets andere Auslandstöchter, vor allem in den USA oder im vergangenen Jahr die Mobilfunkfirma EE in Grossbritannien - ein Joint-Venture von Telekom und Orange. Beide verkauften den britischen Marktführer an die BT Group. Seitdem ist die Telekom mit 12 Prozent grösster Aktionär von BT. Und in den USA meldete T-Mobile am Mittwoch erneut Rekordzahlen bei Umsatz und Kunden: Mit inzwischen mehr als 63 Millionen Kunden steuert die US-Tochter, die auch immer wieder Gegenstand von Verkaufsgerüchten war, gut 32 Milliarden Dollar zum Konzernumsatz bei, mehr als das komplette Deutschland-Geschäft.

Gemessen daran ist Europa tatsächlich ein kleiner Fisch. Die Kleinteiligkeit der Aktivitäten in den verschiedenen Ländern machen es für die Landesgesellschaften schwierig, sich Gehör zu verschaffen. Dabei verantwortet Europa-Chefin Nemat durchaus eine Telekom-Sparte, die 50 000 Mitarbeiter zählt und grösser ist als mancher DAX-Konzern. Mehr als 55 Millionen Mobilfunkkunden, knapp 9 Millionen Festnetz- und über 5 Millionen Breitbandanschlüsse sorgen für Erlöse in einer Grössenordnung von 13 Milliarden Euro jährlich.

Unterdessen ist für Europa die Konzernstrategie klar vorgegeben: Nur ein integriertes Geschäft mit Mobilfunk und Festnetz habe auf Dauer Chancen auf einen nachhaltigen Erfolg, propagiert das Unternehmen. Und das ist inzwischen Konsens in der Branche.

Kein Wunder, dass die einzige verbliebene grössere Landesgesellschaft in Westeuropa auf die Verkaufsliste gekommen ist: Die Mobilfunktochter in den Niederlanden. Die Telekom bestätigt solche Überlegungen, äussert sich aber nicht weiter. Blaupause für den Verkauf könnte Grossbritannien werden. Ein möglicher Interessent in fällt aber wohl weg: Der Kabelriese Liberty Global und der britische Telekomkonzern Vodafone kündigten erst vor zwei Tagen an, ihre Kräfte aus Kabelnetz und Mobilfunk dort in einem Gemeinschaftsunternehmen zu bündeln.  © dpa

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