Am 11. Februar 2014 macht das Internet gegen die NSA mobil: Mit der "The Day We Fight Back"-Kampagne versuchen US-Bürger, den Staat in die Pflicht und damit den Geheimdienst an die Leine zu nehmen. Und das könnte gelingen. Es ist nicht das erste Mal, dass in den USA im Internet Politik gemacht wird. Und auch deutsche Politiker haben bereits schmerzhafte Erfahrung mit Web-Aktivisten gemacht – ein Überblick.
Es war der 18. Januar 2012, an dem die Online-Enzyklopädie "Wikipedia" schwarz wurde. Die Suchmaschine Google verbannte ihr Logo von der Startseite und ersetzte es durch einen Zensurbalken. Viele Blogs und Webseiten folgten dem Beispiel. Was war geschehen?
SOPA - der drohende Tod des Internets
Die koordinierte Aktion war einer der Vorläufer der jetzigen "The Day We Fight Back"-Kampagne und richtete sich gegen die US-Gesetze SOPA (Stop Online Piracy Act) und PIPA (PROTECT IP Act). Nach Inkrafttreten sollte es amerikanischen Urheberrechtsinhabern möglich sein, die nicht genehmigte Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte wirksam zu verhindern – auch im Ausland. Unterstützer des Vorstosses waren insbesondere grosse Medienkonzerne sowie deren Interessenverbände, beispielsweise die Motion Picture Association of America (MPAA) und die Recording Industry Association of America (RIAA).
Doch im Internet mehrte sich die Skepsis über den Vorschlag. Kritiker monierten einen Angriff auf Meinungs- und Pressefreiheit, denn es würde beispielsweise auch "Whistleblowing" (Weitergabe vertraulicher Informationen) entscheidend erschweren oder praktisch unmöglich machen. Zudem befürchteten Aktivisten, dass der freie Austausch von Informationen im Internet in Gefahr sei - es zur Zensur kommen könnte. Der Widerstand wuchs und gipfelte am 18. Januar 2012 in einer grossen Web-Kampagne, in der viele beliebte Webseiten, Blogs und Journalisten ihre Nutzer zum Handeln aufriefen. Gleichzeitig wurde eine Online-Petition gestartet, die 3,4 Millionen Menschen unterschrieben.
Der Druck der Strasse wurde zum Druck der Datenautobahn – und er hatte Erfolg: Die Kritiker konnten ihre Abgeordneten überzeugen. Die heftige Kritik brachte den SOPA-Entwurf zur Strecke. Das Netz hatte gesiegt. Doch nicht nur in den USA gab es Erfolge durch den Netzprotest – auch in Deutschland wurden bereits umstrittene Gesetze verhindert.
Ein "Stopp"-Signal für Kinderpornografie
Im Januar 2009 gab die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen bekannt, dass sie in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt und den grossen deutschen Internetprovidern kinderpornografische Inhalte filtern lassen will. Nutzern, die auf eine Seite mit kinderpornografischen Inhalten gelangten, sollte ein "Stopp"-Signal angezeigt werden. Der Inhalt hinter der Grafik blieb allerdings unangetastet. Das rief bei vielen Netzaktivisten Empörung hervor, denn ihrer Meinung nach verfügten die Strafverfolgungsbehörden bereits über ausreichende Mittel, gegen solche Inhalte vorzugehen. Sie vertraten den Ansatz "Löschen statt sperren" – also ein Entfernen der strafrechtlich relevanten Inhalte und Ermittlungen gegen die Hintermänner. Von der Leyens Sperrlisten wurden als unzureichend und als Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit, welches im Grundgesetz verankert ist, gesehen. Vor allem wurde kritisiert, dass die Listen nach Ermessen der Behörden und ohne richterliche Anordnung verändert werden konnten.
Trotz der Bedenken schloss die damalige Bundesregierung in einem ersten Schritt im April 2009 mit fünf grossen Internetprovidern Verträge zur "Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten im Internet" ab – zu den Unterzeichnern gehörten die Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Telefonica Germany, Kabel Deutschland und HanseNet/Alice. Andere Provider wie zum Beispiel 1&1 lehnten die freiwillige Vereinbarung wegen der fehlenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlage ab.
Doch nicht nur in der Wirtschaft gab es Widerstand, auch das Netz schaltete sich in die Diskussion mit Artikeln und Spontan-Demonstrationen ein. Der Protest erreichte seinen Höhepunkt am 22. April 2009. Web-Aktivistin Franziska Heine reichte eine E-Petition beim Deutschen Bundestag ein. Sie bekannte sich im Petitionstext klar zum Kampf gegen den Missbrauch an Kindern, stellte aber zugleich die Sperrung von Webseiten als ein ungeeignetes Mittel im Kampf gegen Kinderpornografie dar. Die Vorgehensweise sei zu undurchsichtig und unkontrollierbar. Bis zum 16. Juni, dem letzten Mitzeichnungstag, hatten 134.014 Bürger unterzeichnet – die bis dato meistunterzeichnete Online-Petition in der deutschen Geschichte. Das Internet hatte gesprochen und wurde kurz vor dem Wahlkampf im September zu einer ernstzunehmenden Macht. Vor allem die "Piratenpartei" erhielt grossen Zulauf. Im Bundestagswahlkampf erreichte sie einen Zweitstimmenanteil von etwa zwei Prozent.
Das Ende des Zugangserschwerungsgesetzes erfolgte schleichend – die Proteste hatten Erfolg. Es trat zwar am 23. Februar 2010 in Kraft, das Bundeskriminalamt wurde allerdings vom Bundesministerium des Innern durch einen Erlass angewiesen, keine Sperrlisten zu erstellen. Am 1. Dezember 2011 verabschiedete der Bundestag auf Veranlassung der FDP ein Gesetz, das zur endgültigen Aufhebung führte.
"The Day We Fight Back"-Kampagne: Netzpolitik in Reinkultur
Die "The Day We Fight Back"-Kampagne, die am 11. Februar 2014 gestartet ist, kann als Fortsetzung der bereits erwähnten Aktionen gesehen werden. Dieses Mal steht allerdings kein Gesetz im Mittelpunkt des Protests, sondern das Verhalten des Geheimdienstet NSA. Das Internet versucht, die Politik in die Pflicht zu nehmen und die Daten-Sammelwut der Geheimagenten einzudämmen. Dass dieser Kampf mit Erfolg belohnt werden kann, zeigt die Vergangenheit. Wer sich an der Aktion beteiligen möchte, findet weitere Informationen unter der Webseite: https://thedaywefightback.org/
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