Am 27. Oktober 2022 hat Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen und wohl sogleich Führungspersonal entlassen. Musk erreicht nun 237 Millionen Menschen. Am selben Tag wurde das "Gesetz über digitale Dienste" im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Ziel und Zweck des sogenannten Digital Services Act (DSA) – der im Februar 2024 wirksam wird – ist es, die Demokratie in Europa vor Menschen wie
Was macht Musk gefährlich?
Aber wie kann ein einzelner Mensch für die Demokratie Europas und gar der Welt gefährlich werden? Elon Musk beherrscht massgebliche Unternehmen, etwa im Bereich des datengetriebenen Fahrens (Tesla), er ist im Energiesektor aktiv, in der Raumfahrt und er betreibt Satelliten.
Er begreift Autos nicht nur als strombetriebene Fortbewegungsmittel, sondern zugleich als vernetzte elektronische Kommunikationsgeräte. Das ist visionär, denn das vernetzte und künftig autonome Fahrzeug ist der Personal-Organizer der Zukunft. Das Armaturenbrett kann sich zum verlängerten Arm des Smartphones entwickeln.
Seine "Starlink"-Satelliten sind wesentliche Bestandteile der dazugehörigen Infrastruktur. Elon Musk kann künftig seine datengetriebenen Autos unmittelbar mit seinem datengetriebenen Kommunikationsdienst verbinden. Die Umgestaltung von Twitter zu einer Multifunktions-App wie "WeChat", die in Asien beliebt ist, hat er angekündigt.
Keine internen Regeln zur Machtbegrenzung
Musk erwirbt mit Twitter ein weltumspannendes, datengetriebenes Medienimperium. Anders als andere Milliardäre, wie der Eigentümer der Washington-Post und Amazon-Gründer Jeff Bezos, will er Einfluss auf die Inhalte seines Mediums nehmen. Er tritt nach den Kategorien des Presserechts als Verleger und Chefredakteur zugleich auf. Damit wirft er alle internen Mechanismen zur Eingrenzung medialer Macht über den Haufen.
Weil soziale Netzwerke die Meinungen der Menschen, die sie nutzen, über die Programmierung von Algorithmen massgeblich beeinflussen können, herrscht er darüber hinaus über ein mächtiges Instrument der modernen Kommunikation. Über die Auswertung der Nutzerdaten kann man nicht nur effizient persönlich für Konsumgüter werben, sondern auch für politische Inhalte.
Radikalisierung wäre geschäftsschädigend
Das Demokratieproblem besteht im Kern darin, dass eine Person mit einem gewaltigen Ego und Durchsetzungsvermögen Macht in vielen staatsrelevanten Bereichen vereint. Dabei ist es Glücksache, ob Musk sich im Sinne der Demokratie verhält, oder dagegen.
Er hat die Deutungshoheit über das, was man im Netz sagen darf. Er besitzt nicht nur die Macht, Donald Trump bei Twitter wieder willkommen zu heissen. Er hat auch die Mittel, jeden, der ihm missfällt, vom Dienst auszuschliessen.
Ob er Twitter radikalisiert oder zu einem demokratischeren Ort nach seiner Lesart macht, entscheidet er. Da sich ein radikales Umfeld nicht für Werbung eignet, muss die Angst vor mehr Hass und Fakenews nicht im Vordergrund stehen. Dass Musk sich geschäftsschädigend verhalten wird, scheint kaum plausibel.
Gefahr für die Meinungsfreiheit
Er kann aber nach Gusto auch Inhalte unterbinden, die nicht in sein Weltbild passen. "Cancel-Culture" ist undemokratisch. Den Nutzungsbedingungen von Twitter, dem sogenannten Hausrecht, kommt eine wichtige Funktion bei der Wahrung der Meinungsfreiheit im Netz zu.
Hier wird die Grenze zwischen (noch) erlaubten, bisweilen aber extremen Meinungsäusserungen, und rechtswidrigen Äusserungen gezogen, bevor ein Gericht sie ausloten kann. Insbesondere bei sozialen Netzwerken ist das virtuelle Hausrecht also de facto ein privates Regime für die weltweite Kommunikation der Nutzenden dieser Netzwerke.
EU-Recht zur Sicherung der Demokratie
Der Vogel sei befreit, hat Elon Musk getwittert. Wie lautet nun die Antwort der EU auf die damit verbundenen Risiken? Um sie ihn die Bahnen der Demokratie zu lenken, verpflichtet der DSA Anbieter wie Twitter auf die Einhaltung rechtlicher Standards. Sie müssen die Grundrechte der Nutzenden beachten und ihre Massnahmen transparent machen.
Wenn potenziell rechtswidrige Inhalte gemeldet werden, müssen Sachgründe für Lösch- oder Sperrentscheidungen genannt und diese gegenüber den Nutzenden spezifisch begründet werden. Für Dienste wie Twitter muss ein internes Beschwerdemanagementsystem geschaffen und systemische Risiken müssen über enge Vorgaben minimiert werden. Verstösse können mit Geldbussen bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes geahndet werden.
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Dem EU-Recht zur Sicherung der Meinungsfreiheit in Europa im Internet wird am Tag seiner Verkündung eine kritische Nagelprobe in Aussicht gestellt. "In Europa fliegt der Vogel nach unseren europäischen Regeln", konterte Industriekommissar Thierry Breton den "Befreiungstweet". Hoffentlich behält er Recht, falls der possierliche blaue Piepmatz sich dazu entscheidet, zum Sturm auf die Demokratie zu blasen.
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