Temu lockt mit traumhaften Schnäppchen und macht damit ein riesiges Geschäft. Schlagzeilen macht derzeit aber vor allem die Kritik an dem Online-Marktplatz. Wir erklären, worum es geht.
Mehrere Verstösse, Greenwashing, Manipulation: So lauten die Vorwürfe gegen die chinesische Shopping-Plattform Temu. Der Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) mahnte den Online-Händler kürzlich ab. Und auch die Bundesregierung pocht auf konsequentes Vorgehen gegen Temu und wirft der Plattform manipulative Kaufanreize vor.
Was ist Temu?
Temu ist eine chinesische Online-Shopping-Plattform mit einer riesigen Bandbreite von Artikeln. Verkauft wird alles von Accessoires für die Wohnung, Ausstattung für die Küche, Kleidung, Smartwatches und Kopfhörern bis hin zu Beautyprodukten. Das hinter Temu stehende Unternehmen Pinduoduo meldete im März eine nahezu Verdopplung seines Gewinns im vergangenen Jahr.
Warum nutzen so viele Temu?
"Shoppe wie ein Milliardär" lautet der Slogan. Schuhe für 7,81 Euro, Buntstifte mit Schablonen für 2,17 Euro, Kopfhörer für drei Euro: Mit solchen unschlagbar niedrigen Preisen und zusätzlichen Rabatten und Aktionen sowie Gratisversand lockt Temu.
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Wie kann Temu solche niedrigen Preise anbieten?
Temu verkauft die Produkte nicht selbst, sondern ist eine reine Plattform und verbindet Produzenten und Käufer miteinander. Das spart Geld für Zwischenhändler, die Ware kommt direkt aus der Fabrik. Markenware finden Kunden hier nicht: Es handelt sich um No-Name-Produkte, die billig in China hergestellt wurden, wo die Löhne niedriger sind als in Europa.
Warum steht Temu in der Kritik?
Aus mehreren Gründen. Es fängt bei der Qualität der Produkte an: Kundinnen und Kunden berichten auf Bewertungsportalen etwa von nicht erhaltenen Sendungen, schlechtem Kundenservice und mangelnder Qualität. Laut Verbraucherzentrale Bundesverband fehlen Angaben über die Identität von Anbietern und darüber, wie die Echtheit von Produktbewertungen gewährleistet wird.
Darüber hinaus sind die Waren nicht immer sicher. Bei einem Test des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DSVI) lag etwa bei einem Schleim-Spielzeug der Gehalt des Halbmetalls Bor elfmal höher als der gesetzliche Grenzwert für Spielzeug.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Irreführung von Verbrauchern durch angebliche Rabatte und "manipulative Designs", etwa Aufrufe im Bestellvorgang wie "Beeile dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb" oder "Mehr als 54 Nutzer haben wiederholt gekauft! Warum nicht 2 auf einmal …". Solche Designs werden als "Dark Patterns" bezeichnet und sind laut Digital Services Act der EU seit 17. Februar 2024 verboten, wie die Verbraucherzentrale erinnert.
Diese Regelungen gelte es auch durchzusetzen, betonte Anfang der Woche Verbraucherschutz-Staatssekretärin Christiane Rohleder und forderte ein umfassendes Vorgehen gegen manipulative oder süchtig machende Praktiken bei digitalen Angeboten. "Spiele, Glücksräder, Rabatt-Countdowns et cetera suggerieren unglaubliche Rabatte und Schnäppchen", sagte sie im Gespräch mit der dpa, "Temu setzt ständig neue Kaufanreize". In völlig neuem Mass finde ein Wandel von der "Bedarfsdeckung zu Bedarfsweckung" statt. Besonders problematisch sei der Fokus auf eine sehr junge Zielgruppe.
An dieser Kritik gibt es jedoch wiederum Kritik. Der Vorstoss, vor allem junge Leute vor den Angeboten schützen zu wollen, beruhe auf einem Irrtum, erklärt der E-Commerce-Experte Alexander Graf im ZDF-Interview: "Die Statistiken zu den Zielgruppen zeigen, dass es vor allem Ältere sind, die sich durch diese Verkaufsmechanismen verführen lassen. Die Kohorte der 50-, 60-, 70-Jährigen ist viel aktiver auf Temu als die Kohorte der 14-, 15-, 16-Jährigen. Die lassen sich durch diese Dark Patterns gar nicht so leicht austricksen, weil sie das schon aus dem Online-Gaming kennen."
Manipulative Mechanismen seien normal im Handel, erklärte er zudem. Teleshopping funktioniere genauso, auch dort wecke man den Bedarf mit Verknappung. Und in der Innenstadt werde in Schaufenstern ebenfalls Bedarf durch Rabatte geweckt, sagt er.
Für ihn fallen vor allem die ökologischen und ökonomischen Kritikpunkte stark ins Gewicht: Lieferungen von "Ramschware" aus China wolle in diesen Zeiten niemand, zudem entstehe bei solchen Käufen keinerlei Wertschöpfung in Europa, kein Steuer- oder Zollaufkommen.
"Man kann die Plattform Temu regulatorisch beschränken, dafür gibt es auch schon Instrumente wie etwa das Wettbewerbsrecht. Man muss sie nur endlich richtig anwenden", schreibt Graf in einem Beitrag auf LinkedIn.
Worauf sollte man beim Shopping achten?
Wer bei Temu einkaufen will, sollte laut Verbraucherzentrale folgende Tipps kennen:
1. Achten Sie bei elektronischen Geräten auf zugelassene CE-Zeichen. Das Zeichen besagt: Hier wurden bei der Herstellung die Regeln beachtet, die in Europa gelten.
2. Bezahlen Sie immer erst, wenn die Ware angekommen ist. Das kann aufgrund der Lieferung aus China dauern. Erhalten Sie eine Zahlungsaufforderung, melden Sie sich beim Online-Kundenservice und erklären dort, dass Sie noch nichts erhalten haben.
3. Bei Bestellungen ausserhalb der EU können zusätzliche Gebühren anfallen, warnt die Verbraucherzentrale. Zollgebühren etwa ab einem Warenwert ab 150 Euro. Zwar teilt Temu Bestellungen auf mehrere Päckchen auf. Kundinnen und Kunden sollten sich dennoch vorab informieren und mit zusätzlichen Kosten rechnen, empfehlen die Verbraucherschützer.
4. Stichwort Nachhaltigkeit: "Weit gelieferte (und eventuell zurückgeschickte) Produkte aus China belasten die Umwelt. Die Mentalität, 'Billig-Produkte neu kaufen' anstatt sie wiederzuverwenden, zu reparieren oder Secondhand zu kaufen, geht zulasten der endlichen Ressourcen unserer Welt", mahnt die Verbraucherzentrale
5. Bekannt ist, dass Temu an personenbezogenen Daten interessiert ist und diese auch für kommerzielle Zwecke nutzt. Standorttracking sollte in den Einstellungen Ihres Smartphones deaktiviert sein, wenn Sie die Plattform datensparsam nutzen möchten. Die Verbraucherzentrale rät zu diesem Zweck auch von den Optionen "Login mit Facebook" oder "Login mit Google" ab. (af)
Verwendete Quellen
- dpa
- vzbv.de: vzbv mahnt Online-Marktplatz Temu ab
- verbraucherzentrale.de: Schnäppchen-App Temu: Aufpassen beim Online-Shoppen!
- zdf.de: "Lachen sich bei Temu kaputt"
- linkedin.com: Beitrag von Alexander Graf
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