München (dpa) - Sie arbeiten im Homeoffice oder von unterwegs per Smartphone und Tablet - viele Chefs bekommen ihre Mitarbeiter immer seltener zu Gesicht. Und trotzdem können sie sich dank digitaler Datenströme ein genaues Bild darüber machen, wo, wann und wie lange die Beschäftigten aktiv sind.
Mit wem sie kommunizieren und was sie nebenbei twittern, posten oder bloggen. So schafft die digitale Arbeitswelt auch neue Möglichkeiten der Leistungskontrolle und Überwachung - zur Sorge von Gewerkschaftern und Datenschützern.
Probleme bereitet vor allem die zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Privatleben über Aktivitäten in sozialen Netzwerken, wie Experte Karl-Heinz Brandl von der Bundesverwaltung der Gewerkschaft Verdi sagt. Unternehmen können in kürzester Zeit Internet-Profile von Mitarbeitern oder Bewerbern durchstöbern. Deshalb ist Vorsicht bei der Selbstdarstellung im Netz geboten, mahnt Brandl. Selbst ein vermeintlich harmloses Foto, eine Meinungsäusserung oder auch nur ein unbedachter Gefällt-mir-Klick kann viel aussagen über Interessen und Verhalten eines Mitarbeiters.
Aber auch im Job selbst hinterlassen die Beschäftigten zunehmend digitale Spuren, und das nicht nur, wenn sie am Computer arbeiten oder an der Kasse eines Geschäfts, die per Kamera überwacht wird. Wie einige grosse Logistik-Unternehmen setzt auch so mancher Handwerksbetrieb inzwischen auf die GPS-Ortung seiner Fahrzeuge und weiss so Bescheid über Standort, Fahr- und Standzeiten und Kraftstoffverbrauch. Diese Form der Überwachung führt immer wieder auch zu Reibungspunkten zwischen Unternehmern und Beschäftigten, wie der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, Thomas Kranig, berichtet. 999 Beschwerden zählte seine Behörde im vergangenen Jahr, das waren 46 mehr als im Vorjahr. Bei 63 der Beschwerden ging es um Datenschutz-Probleme am Arbeitsplatz.
Bedenken haben Experten auch bei sogenannten Fitness-Armbändern und Apps. Wenn sie in Firmen für Sport-Programme eingesetzt und Beschäftigte dazu aufgerufen werden, Fitness- und Gesundheitsdaten zu sammeln und zu vergleichen, kann schnell sozialer Druck entstehen, sagt der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte, Thomas Petri. Probleme wie in anderen Ländern, wo Arbeitnehmer, die eine Preisgabe solch hochsensibler Daten verweigern, entlassen werden können, gebe es in Deutschland zwar noch nicht. Trotzdem: "Wer nicht mitmacht, grenzt sich unter Umständen aus", sagt Petri.
Rechtliche Regelungen für all diese Themen fehlen weitgehend - ein Gesetzesvorhaben zum Arbeitnehmerdatenschutz liegt schon länger auf Eis. Der Ruf danach war vor Jahren nach mehreren Bespitzelungs- und Datenskandalen in grossen Unternehmen lauter geworden. Aus solchen Fällen hat man in der Wirtschaft zwar gelernt, glaubt Verdi-Experte Brandl, trotzdem gebe es durchaus noch Probleme.
Wenn Leistungs- und Verhaltenskontrollen in Unternehmen technologisch möglich sind, greift grundsätzlich die Mitbestimmung. Deshalb haben sich Betriebsräte besonders in vielen grösseren Firmen in Betriebsvereinbarungen auf Spielregeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten geeinigt. "Wo es keine Betriebsräte gibt, herrscht teilweise Wildwuchs", sagt Brandl.
Auch nach Einschätzung der Internet- und Datenschutzrechtlerin Patricia Lotz von der Münchner rbi Rechtsanwaltsgesellschaft sind nicht alle Unternehmen ausreichend für Datenschutz-Themen gerüstet. "Hierzu gehört der richtige Umgang mit Bewerbungsunterlagen genauso wie klare Richtlinien für die Arbeitnehmer, ob Dienstcomputer, Diensthandys oder auch das betriebliche WLAN für private Zwecke genutzt werden dürfen oder eben nicht", sagt Lotz. Beratungsbedarf gebe es vor allem im Mittelstand.
Auch gesetzliche Regelungen könnten nach Einschätzung der Experten helfen, die Unternehmen weiter zu sensibilisieren. Die neue Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union räumt den Mitgliedsstaaten dafür eigene Gestaltungsspielräume ein. Am 21. April soll der EU-Ministerrat darüber abstimmen, danach muss das EU-Parlament die Verordnung noch absegnen. In Deutschland könnte das Thema dann in der nächsten Legislaturperiode wieder auf den Tisch kommen - das erwarten zumindest einige Experten. © dpa
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