Kurz nachdem WhatsApp-Mitgründer Jan Koum vor zwei Jahren zum ersten Mal bei der DLD-Konferenz auftrat, stimmte er überraschend dem Verkauf des Kurzmitteilungsdienstes an Facebook zu. Bei seiner zweiten Reise zu dem Event in München spricht er über die Gründe für den Deal, das künftige Geschäftsmodell von WhatsApp und darüber, welchen Traum er sich als Milliardär erfüllte.
Herr Koum, auf der DLD-Konferenz vor zwei Jahren liessen Sie alle mit dem Eindruck zurück, Sie wollten WhatsApp über Jahrzehnte nicht verkaufen. Nur wenige Wochen gaben Sie die Übernahme durch Facebook für am Ende 22 Milliarden Dollar bekannt. Was ist passiert?
Das war auch wirklich mein Plan damals. Dann fingen wir an, mit Facebook zu reden. Und stellten fest, dass wir sehr ähnlich über Messenger-Dienste denken.
Wie genau?
Erstens, wenn man von einer Dimension von einer oder zwei Milliarden Nutzern spricht, ähneln wir uns in der Vision, die Welt offener und vernetzter zu machen. Ausserdem haben wir eingesehen, dass dies WhatsApp erlauben würde, sich auf Wachstum zu konzentrieren und nicht über das Geldverdienen nachzudenken.
Und der andere wichtige Punkt war, dass wir sehr früh festlegen konnten, dass Werbung nicht der richtige Weg wäre, mit WhatsApp Geld zu machen, selbst als Teil der Facebook-Familie. Das waren die Dinge, die es uns erlaubt haben, sozusagen über den Zaun zu steigen und uns auf den Deal einzulassen.
War der Verzicht auf Werbung eine Zusicherung, die
Ja, Facebook war da sehr eindeutig und er sagte mehrfach öffentlich, dass sich WhatsApp nicht über Werbung finanzieren sollte.
Gab es in den vergangenen zwei Jahren Momente, in denen Sie den Verkauf bereut haben?
Nein, es war eine harte Entscheidung, aber ich denke, es war die richtige Entscheidung - für die Firma, für die Mitarbeiter, für die Anteilseigner.
Eine Devise bei WhatsApp war "Keine Werbung, keine Spiele, keine Gimmicks". Gilt das weiterhin?
Ja. Wir betrachten WhatsApp als etwas praktisches, was einfach zu nutzen bleiben soll. Was wir machen, ist nicht sexy. Wir haben keine Sticker oder sowas.
Darin unterscheidet sich WhatsApp bislang vom zweiten Kurzmitteilungsdienst des Konzerns, dem Facebook Messenger, der immer mehr Funktionen bekommt. Nun wollen Sie aber zum Geldverdienen in der Kommunikation zwischen Firmen und Verbrauchern mitmischen. Das ist auch der Plan beim Messenger. Kommen sie sich dann ins Gehege?
Nicht unbedingt. In diesem Markt könnte die gleiche Logik gelten wie im Verbraucher-Bereich. Uns wurde am Anfang auch gesagt, wer braucht schon WhatsApp, wo es doch die SMS und bereits andere Messaging-Dienste gibt. Aber Nuancen entscheiden, zum Beispiel, dass wir die Telefon-Nummer zur Identifizierung nutzen. Der Facebook Messenger wird auf der Facebook-Plattform aufbauen, wir darauf, wie WhatsApp funktioniert.
Und die Idee ist, dass Unternehmen Geld dafür bezahlen, auf der WhatsApp-Plattform präsent zu sein?
Am Ende ja.
Kann man damit genug Geld verdienen, um den WhatsApp-Betrieb zu finanzieren?
Nun, wir stehen ganz am Anfang. Wir haben noch keine einzige Zeile Software-Code dafür geschrieben und noch mit keinem Unternehmen gesprochen. Wir wollen erst eine Infrastruktur aufbauen und ein für die Menschen nützliches Produkt entwickeln. Dann können wir anfangen, mit Firmen darüber zu reden, wie viel Geld wir machen können.
Warum halten Sie das für ein gutes Geschäftsfeld?
Wenn man an die SMS zurückdenkt, ging es dabei um zwei Dinge: die Kommunikation von Menschen untereinander und zwischen Unternehmen und Menschen. Den ersten Teil haben wir geschafft, über uns werden 40 Milliarden Nachrichten pro Tag verschickt. Aber wir denken, dass der zweite Teil auch gross werden kann. Die Leute greifen zu WhatsApp statt SMS, weil wir etwas nützliches entwickelt haben. Wenn uns das hier auch gelingt, werden sie es ebenfalls nutzen. Und wir wollen nach wie vor auf jedem Telefon der Welt sein.
Um etwas klarzustellen, was vielen Nutzern wichtig ist: Sie haben auch unter dem Dach von Facebook das Sagen bei WhatsApp und die Daten sind weiterhin getrennt von der Facebook-Plattform?
Ja, wir unterscheiden uns nach wie vor beim Produkt und der Infrastruktur und wir haben immer noch das Sagen, wenn es um Produkt-Entscheidungen geht. Personalabteilung oder Buchhaltung sind dagegen enger verzahnt. Was ist Daten angeht, sind zwei Punkte wichtig: Die Nachrichten sind verschlüsselt und wir speichern sie nicht - und haben das auch nicht vor.
Zuletzt wurden auch in Europa Forderungen lauter, in Messaging-Diensten Hintertüren für Sicherheitsbehörden einzubauen. Wie stehen Sie dazu?
Ich habe kürzlich gelesen, dass der IS eine eigene Messaging-App habe - also würde es nur die Privatsphäre unbeteiligter Bürger verletzen, wenn man Hintertüren für Behörden in WhatsApp einbaut. Und zweitens schwächt jede solche Hintertür die Sicherheit. Weil es keinen Weg gibt, sicherzustellen, dass nur die Guten Zugang dazu haben und sie nicht von Hackern, Kriminellen oder autoritären Regierungen ausgenutzt werden. Wir hören immer wieder, dass Regierungscomputer gehackt wurden. Ich denke, man sollte die Sicherheit seiner Daten nicht Regierungen anvertrauen.
Wie hat sich Ihr eigenes Leben verändert, seit Sie mit dem Verkauf an Facebook offiziell zum Milliardär wurden?
Ich gehe immer noch ins selbe Büro und arbeite mit den selben Leuten am selben Produkt. Privat umgeben mich immer noch die selben Freunde und Familie wie noch vor dem Start von WhatsApp. Ich lebe immer noch im selben Reihenhaus und schlafe im selben Bett. Also es hat sich ehrlich gesagt nicht viel verändert.
Haben Sie sich aber irgendeinen lange gehegten Traum erfüllt?
Ich habe mir einen Porsche gekauft. Ich war schon immer ein Fan deutscher Autos und besonders der Porsche-Modelle aus den 90er Jahren. Jetzt erfüllte ich mir den Traum, einen davon zu kaufen. © dpa
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