Wer abnehmen möchte, isst in der Regel weniger. Doch durch Diäten legt man langfristig eher Gewicht zu, sagen Experten. Ein Wissenschaftler erklärt, wie man sein Wunschgewicht wirklich erreicht und hält.

Ein Interview

Der Kampf gegen überflüssige Pfunde ist oft frustrierend. Obwohl man sich viele Leckereien verkneift, zeigt die Waage lange Zeit einige Kilo mehr als das Idealgewicht an. Und schafft man es doch, sich auf eine schlanke Linie zu hungern, hält der Erfolg oft nicht lange an. Warum das so ist und warum Sie mit Ihrem Körper umgehen müssen wie mit einem Auto, erklärt der Sportwissenschaftler Ingo Froböse im Gespräch mit unserer Redaktion.

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Prof. Froböse, das Prinzip einer Diät klingt einleuchtend: Ich nehme ab, wenn ich weniger Kalorien aufnehme, als ich verbrauche. Ist es dann keine sinnvolle Schlussfolgerung, dass ich die Kalorienzahl drastisch reduzieren muss, um viel abzunehmen?

Grundsätzlich ist die Kaloriensichtweise eine gute. Man hat ja auch zugenommen, weil man zu viele Kalorien zu sich genommen hat. Aber die Körperfunktionen sind vorrangig darauf ausgerichtet, zu überleben. Und so hat der Körper bestimmte Strategien entwickelt, um sich gegen Hungersnöte zu wehren, die es im Laufe der Evolution ja oft gab. In Zeiten der Knappheit reduziert er seinen Bedarf, der Körper setzt bestimmte Funktionen herab. Und das passiert bei den meisten Diäten.

Was bedeutet das in der Folge für jemanden, der eigentlich abnehmen wollte?

Wenn ich Kalorien reduziere, nehme ich erst mal langsamer ab. Der Körper arbeitet einfach dagegen. Die Organe – wie Herz, Leber, Niere, Muskeln, Haut – reduzieren ihren Bedarf. Um trotzdem abzunehmen, verringere ich die Kalorienzufuhr vielleicht mit Crashdiäten noch weiter.

Aber dann betreibt der Körper Selbstkannibalismus. Er baut bestimmte aktive Organe, die viel Energie verbrauchen, ab. Das ist insbesondere Muskelmasse, weil diese viel Energie kostet und fürs Überleben, also die Erhaltung der inneren Organe, nicht so wichtig ist.

Nach vier bis sechs Wochen Diät habe ich dann vielleicht ein bisschen abgenommen. Aber ich habe insbesondere auch Muskelmasse verloren und nicht nur Fettmasse. Wenn ich dann wieder normal esse, ist es so, wie wenn mein Auto mit gebremstem Motor fährt, denn der Stoffwechsel ist immer noch im Keller. Weil der Bedarf viel geringer ist als vor der Diät, führt das normale Essen dazu, dass die Pfunde viel schneller wachsen. Das ist die Erklärung für den berüchtigten Jo-Jo-Effekt.

Wie schnell stellt der Körper wieder auf einen normalen Stoffwechsel um?

Viele denken, dass der Körper nach der Diät sofort wieder in die Normalität kommt. Das stimmt aber nicht. Gerade nach langen Diäten kann der Stoffwechsel bis zu zwölf Monate unten bleiben. Oder sogar ein Leben lang. Ich habe auch schon eine Dame betreut, die einen Grundumsatz von 830 Kilokalorien hatte. So gering war ihre intrinsische Stoffwechselaktivität, also das Feuer, das in ihr brannte. Und 830 Kilokalorien sind zwei Mettbrötchen.

Kann man etwas tun, um den Stoffwechsel wieder anzukurbeln?

Ja, und das ist auch die eigentliche Strategie, um überflüssige Pfunde loszuwerden. Es geht niemals vorrangig darum, Kalorien zu reduzieren. Sondern es geht darum, den Körper wieder zu einem guten Futterverwerter werden zu lassen.

Es geht also zum Beispiel beim Sport nicht darum, Kalorien zu verbrennen. Das ist marginal. Ein Kilogramm Fett hat zwischen 7.000 und 9.000 Kilokalorien. Das können Sie nicht beim Laufen verbrennen. Stattdessen muss es das Ziel der körperlichen Aktivität sein, den Körper zu einem Rennwagen zu tunen. Und das geschieht über drei Dinge:

Erstens: Ich muss mehr Muskelmasse aufbauen. Das entspricht dem Hubraum beim Motor. Ein Auto mit mehr Hubraum verbraucht mehr Sprit.

Zweitens: Mein Auto braucht mehr PS. Mehr PS bedeutet mehr Kraftwerke im Körper, Mitochondrien genannt. Jede Körperzelle hat Mitochondrien. Je mehr ich davon habe, umso mehr Kalorien können auf dem Scheiterhaufen der Zelle verbrannt werden. Und diese Kraftwerke werden nur über aerobes, sauerstoffreiches Ausdauertraining aufgebaut.

Drittens: Ich muss biorhythmisch essen. Ich muss essen, um gesund, fit und leistungsfähig zu sein. Ich darf nicht zu viel, aber natürlich auch nicht zu wenig essen. Ich muss dem Körper mindestens den Grundumsatz an Energie zuführen. Der Grundumsatz ist die Energie, die der Körper im Ruhezustand benötigt, um seine lebenswichtigen Funktionen aufrecht zu erhalten. Und der macht ungefähr 60 bis 70 Prozent des Kalorienbedarfs aus.

Und wie isst man biorhythmisch?

Biorhythmisch heisst, ich esse morgens energiegeladen, mittags nährstoffreich, abends eiweissreich. Ganz grob gesprochen haben wir tagsüber einen Energiestoffwechsel, abends ein Baustoffwechsel. Darum gebe ich dem Körper tagsüber die Energie und nachts die Baustoffe, das sind die Proteine.

Und dann ist es keine Diät mehr, es ist eine Lebensstiländerung.

Woher weiss ich denn, wie hoch mein Grundumsatz ist?

Ich habe eine Formel entwickelt, mit der man den Grundumsatz ganz grob berechnen kann.

Für Frauen gilt: 1,0 mal 24 mal Kilogramm Körpergewicht. Wobei beim Körpergewicht das Normalgewicht eingetragen wird, also Körpergrösse minus 100. Bei Männern rechnen Sie 1,1 mal 24 mal Kilogramm Körpergewicht.

Die Formel gibt eine ganz grobe Orientierung, wie viel Kalorien ich eigentlich verwerten müsste. Die meisten Menschen liegen deutlich darunter. Viele sagen: "Bei 1.000 Kilokalorien nehme ich ja schon zu!" Das stimmt. Aber der Grund ist, dass ihr Stoffwechsel nicht richtig funktioniert.

Die einzige Strategie, um langfristig das Gewicht zu regulieren, ist: Sie müssen den Stoffwechsel so hoch holen, dass der Grundumsatz der Grösse entspricht, die Sie mit der genannten Formel berechnen.

Muss ich mich dafür im Fitnessstudio anmelden oder bringt es auch schon etwas, mich im Alltag mehr zu bewegen, zum Beispiel öfter die Treppe statt den Lift zu nehmen?

Ja, das reicht bei den meisten Menschen aus. Mir ist es viel lieber, wir sammeln täglich Bewegungspunkte und aktivieren so den Stoffwechsel. Wir haben 168 Stunden in der Woche. Wenn Sie drei Stunden in der Woche ins Fittnessstudio gehen, können Sie sich auf die Schulter klopfen. Aber das ist nichts. Denn dem stehen 165 Stunden entgegen, in denen nicht viel passiert ist.

Gezielte Einheiten brauche ich für das Muskeltraining. Da reicht es aber schon aus, wenn ich 15 Minuten jeden Tag zu Hause ein bisschen Körpergewichtstraining mache. Das kostet kaum Zeit.

Als Ausdauertraining kann ich abends eine Feierabendrunde stramm spazieren gehen – das heisst, ich komme ausser Atem – und tagsüber viele Wege wie das Treppenhaus nutzen. Dann ist das schon genug körperliche Aktivität.

Ist nur die Summe der Kalorien pro Tag wichtig oder hat die Anzahl der Mahlzeiten auch eine Relevanz?

Wenn Sie abnehmen wollen, müssen Sie auf jede Zwischenmahlzeit verzichten. Denn jede Nahrungsaufnahme führt dazu, dass der Körper keinen Bedarf hat, Energie zu verbrennen. Stattdessen muss die neu zugeführte Energie bearbeitet und gespeichert werden.

Wenn ich Gewicht verlieren will, muss ich die Verbrennungssituation wieder optimieren. Das bedeutet: Pausen zwischen den Mahlzeiten von vier bis fünf Stunden.

Gilt diese Pause auch für Getränke?

Das gilt für die zuckerhaltigen Limos. Es gilt aber auch für den Cappuccino und den Latte Macchiato mit dem wunderbaren Schaum. Denn auch das ist ja eine Energiequelle. Ich kann den Cappuccino trotzdem trinken, ich kann auch das Tiramisu essen. Allerdings als Nachtisch und nicht zwischendurch.

Das gilt übrigens auch für den Apfel. Denn auch der enthält Fructose. Als Nachtisch ist dagegen nichts einzuwenden. Aber man sollte nicht den ganzen Tag immer mal wieder ein Apfelstückchen nehmen. Selbst für die Möhre gilt das.

Prof. Dr. Ingo Froböse leitet das "Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung" der Deutschen Sporthochschule Köln. Er ist Autor zahlreicher Ratgeber zu den Themen Sport und Ernährung. In seinem Buch "Das Turbo-Stoffwechsel-Prinzip" erklärt er im Detail, wie man seinen Stoffwechsel ankurbeln und dauerhaft ein gesundes Körpergewicht halten kann.
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