Der Anti-Diät-Tag am 6. Mai 2016 regt zum Nachdenken darüber an, wie sinnvoll Diäten eigentlich sind. Sollten wir sie sein lassen und zu einem entspannten Umgang mit unserem Körper zurückfinden? Denn dafür gibt es gute Gründe - eine Übersicht.
Low Carb, Low Fat, die Blutgruppendiät oder Metabolic Balance, die Kohlsuppendiät, die Ananasdiät oder doch lieber fünf Kilo in fünf Tagen mit der Kartoffeldiät abnehmen? Ob spezielles Ernährungskonzept oder radikale Crash-Diät - wer lästige Kilos loswerden möchte, hat die Qual der Wahl. Diäten gibt es wie Sand am Meer. Was die eine Ernährungsweise verteufelt und auf den Index setzt, ist bei der anderen ausdrücklich erwünscht.
Böse Kohlenhydrate oder böses Fett: Wer sich zu einseitig ernährt, bei dem sind Mangelerscheinungen programmiert. Viele Diätkonzepte werben damit, den gefürchteten Jo-Jo-Effekt, die schnelle Gewichtszunahme nach der Diät, zu vermeiden. Doch kann das wirklich funktionieren?
Die "Biggest Loser" nehmen wieder zu
Jüngst machte eine US-Studie von Forschern des "National Institute of Health" von sich reden. Die Wissenschaftler hatten 14 Teilnehmer der achten Staffel von "The Biggest Loser" über sechs Jahre lang begleitet und dokumentiert, wie sich ihr Gewicht nach der Abnehmshow verändert hatte.
Das Ergebnis: Der damalige Sieger Danny Cahill wiegt derzeit 133 Kilo und damit 47 Kilo mehr als unmittelbar nach der Show; und auch die anderen Teilnehmer haben wieder kräftig zugelegt. Eine Studie mit nur 14 Teilnehmern ist zwar nicht repräsentativ, stutzig macht das Ergebnis dennoch.
Wieso ist es so schwer, das Gewicht nach einer Diät dauerhaft zu halten?
Durch einen deutlichen Gewichtsverlust sinkt der Energiebedarf des Körpers und der Stoffwechsel verlangsamt sich. Laut den Forschern des "National Institute of Health" müssen die "Biggest Loser" im Vergleich zu Personen mit demselben Gewicht, die keine derartige Diät gemacht haben, auf täglich 500 Kilokalorien mehr verzichten, um ihr Gewicht dauerhaft halten zu können. Der Haken: Das Hungergefühl hält sich nicht an diese Vorgabe.
Eine Radikaldiät bringt den Körper gegen uns auf
Eine Crashdiät wirkt nur kurzfristig. Ein schneller Gewichtsverlust überrumpelt den Körper. Ihm bleibt nicht genug Zeit, um sich auf den geringeren Energiebedarf einzustellen. Die Mangelernährung zwingt den Körper, auf Sparflamme herunterzufahren, er verliert hauptsächlich Wasser und kurzfristig verfügbare Energie aus Muskelzellen.
Einmal gebildete Fettgewebezellen verschwinden bei einer Hungerkur jedoch nicht einfach, sie werden nur geleert und füllen sich nach der Diät schnell wieder. Eine langfristige Umstellung der Ernährungs- und Lebensweise in Kombination mit Sport ist also auf jeden Fall die bessere Wahl. Eine Garantie gegen den Jo-Jo-Effekt gibt es jedoch auch hier nicht.
Eine verblüffende Studie
Australische Wissenschaftler um die Medizinerin Katrina Purcell von der University of Melbourne haben in dem Fachmagazin "Lancet Diabetes & Endocrinology" das Ergebnis einer Studie veröffentlicht, das verblüfft. Sie teilten 204 übergewichtige Teilnehmer zwischen 18 und 70 Jahren in zwei Gruppen auf. Während die eine 36 Wochen lang eine massvolle Diät hielt, nahm die zweite Gruppe über einen Zeitraum von 12 Wochen jeweils nur 800 Kalorien pro Tag zu sich.
Die zweite Gruppe erzielte zunächst grössere Abnehmerfolge. Anschliessend wurden alle Teilnehmer 144 Wochen lang von Ernährungsberatern begleitet. Am Ende des Experiments hatten die Teilnehmer im Schnitt drei Viertel ihres Ursprungsgewichtes wieder zugenommen, unabhängig davon, welcher Gruppe sie angehört hatten. "Die Rate des Gewichtsverlusts beeinflusst nicht die Gewichtsmenge, die im Verlauf von 144 Wochen wieder zugenommen wird", so das Fazit der Wissenschaftler.
Hat jeder Mensch ein ihm vorgegebenes Gewicht?
Eine Vermutung setzt sich immer stärker durch: Jeder Mensch könnte ein bestimmtes Gewicht, einen Set-Point, in die Gene "programmiert" haben. Ein Gewicht also, das bei gesunder Lebensweise und der Fähigkeit, auf die Bedürfnisse des Körpers zu hören, mühelos erreicht und gehalten werden kann. Auf dieses Gewicht pendelt sich der Körper immer wieder ein, Wunderkur hin oder her.
Kann sich jeder seinen idealen Körper formen?
Vielleicht sollte uns der Anti-Diät-Tag dazu anregen, über die Vorstellung nachzudenken, dass sich jeder einen Musterkörper nach gängigen Schönheitsidealen formen kann, vorausgesetzt er verfügt über genügend Selbstdisziplin. Aus einem von Natur aus schmalen und zarten Körperbau lässt sich kein Kurvenwunder à la Kim Kardashian formen - hartes Training und eine spezielle Ernährung hin oder her.
Und ein kräftig gebauter Mensch wird gesundheitlich einen hohen Preis zahlen müssen, will er seinen Körper dauerhaft in eine sehr schmale Form hungern. In einer Zeit, in der die Selbstoptimierung teilweise extreme Züge annimmt und bestimmte Ernährungsweisen quasi religiöse Züge tragen, mag diese Erkenntnis anecken.
Den Anti-Diät-Tag hat die britische Autorin Mary Evans Young übrigens 1992 ins Leben gerufen, weil sie selbst jahrelang an Magersucht litt. Sie wollte darauf hinweisen, dass Diäten der Einstieg zu lebensgefährlichen Essstörungen sein können - denn letztendlich sind viele Diäten genau das: eine selbst auferlegte Essstörung zur eigenen Körperoptimierung.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.