Ärztepfusch, Kunstfehler, Fehldiagnosen: Bezeichnungen für ärztliche Behandlungsfehler gibt es viele. Jährlich sterben deswegen viele Patienten. Wir stellen Ihnen sechs krasse Beispiele vor, die für Aufsehen sorgten.
Die Dunkelziffer von Behandlungsfehlern ist weitaus höher als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen wies 2015 in Deutschland 4.064 Fälle offiziell nach und registrierte rund 15.000 Beschwerden.
Eine Schätzung der Krankenkasse AOK aus dem Jahr 2014 rechnete aber mit etwa 190.000 Fällen. Rund 19.000 Menschen seien demnach im selben Jahr sogar an den Folgen von Behandlungsfehlern gestorben. Diese sechs Beispiele schlugen besonders hohe Wellen.
Schlüssel für Kreisssaal fehlt
Eine hochschwangere Frau sollte im Krankenhaus sofort operiert und das Kind per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht werden. Das Problem: Der Schlüssel für den Kreisssaal war nicht aufzufinden. Das Krankenhauspersonal fand ihn erst nach einer halben Stunde.
Die OP wurde mit Verspätung durchgeführt. Tragisch: Das Kind kam mit einem Gehirnschaden zur Welt.
Notärzte halten lebende Frau für tot
Ein besonders schwerwiegendes Beispiel ereignete sich 2013: Eine 72-Jährige verunglückte bei einem Verkehrsunfall auf der A23 bei Itzehoe in Schleswig-Holstein. Die Notärzte diagnostizierten ihren Tod. Ein Leichenwagen brachte die Frau in die Pathologie.
Als ein Bestatter den Leichensack öffnete, atmete die 72-Jährige noch. Sie kam auf die Intensivstation, lag mehrere Stunden im Koma. Sie erlag trotz einer OP noch am selben Abend ihren schweren Kopfverletzungen.
Die Ärzte erklärten die Frau wahrscheinlich für tot, weil sie überfordert waren. Nach Angaben der Feuerwehr sei am Unfallort, bei dem mehrere Menschen starben, eine Massenpanik ausgebrochen.
Ärzte vergessen Tupfer im Körper des Patienten
Auch bei Operationen in Krankenhäusern kommt es nicht selten zu Behandlungsfehlern. Ein Beispiel: 2012 wurde ein 71-Jähriger in einem deutschen Krankenhaus am Herzen operiert. Nach dem Eingriff fehlte ein Tupfer.
Die Schwester zählte die Kompressen nach, der Operateur tastete das Bindegewebe um das Herz ab. Der Tupfer blieb verschwunden. Der Arzt nahm an, dass zuvor jemand falsch gezählt hatte und nähte den Patienten zu - mit fatalen Folgen.
Der Tupfer steckte noch am Herz. Der Patient bekam auf der Intensivstation hohes Fieber. Erst nach einer erneuten Untersuchung entdeckte ein Arzt den Tupfer. Per Not-OP wurde der Gegenstand aus dem Körper des Mannes entfernt. Der 71-Jährige hatte eine schwere Blutvergiftung, überlebte den Eingriff aber.
"Sexy Cora": Ärztepfusch verursacht Medienrummel
Das wohl bekannteste Beispiel von Ärztepfusch in den vergangenen Jahren ist der Tod der deutschen Erotik-Darstellerin "Sexy Cora" (bürgerlicher Name: Carolin Wosnitza). Sie starb während einer Brustvergrösserungs-OP. Ein Gericht verurteilte ihre Narkoseärztin 2013 wegen fahrlässiger Tötung zu 14 Monaten Haft auf Bewährung.
Die Medizinerin war nach Ansicht des Gerichts schuld daran, dass die Patientin während der OP nicht ausreichend beatmet wurde. Das Ärzteteam bemerkte den Fehler nicht. Der Warnton des Beatmungsgeräts war laut Gutachten ausgeschaltet.
"Sexy Cora" erlitt einen Herzstillstand und starb. Der Fall sorgte in Deutschland monatelang für Aufsehen.
Im April 2016 entschied ein Gericht, dass die Klinik ihrem Witwer knapp eine halbe Million Euro Schmerzensgeld zahlen muss.
Ärzte amputieren Frau das falsche Bein
Unglaublich, aber wahr! Bei Amputationen kommt es nicht selten vor, dass Ärzte ihren Patienten ein falsches Körperteil abnehmen. Das geschah beispielsweise 2010 in einer österreichischen Klinik. Ein Ärzteteam amputierte einer 91-Jährigen das falsche Bein. Als die Mediziner den Fehler bemerkten, entfernten sie ihr noch das kranke Bein. Die Frau überlebte den Eingriff.
Das Krankenhaus reagierte auf den Ärztepfusch. Es erstattete Selbstanzeige und suspendierte den verantwortlichen Arzt. Eigentlich sollte dieser Fall vertraulich behandelt werden. Erst Recherchen der österreichischen "Kleinen Zeitung" brachten den Fall an die Öffentlichkeit.
Arzt diagnostiziert absichtlich falsch
In den Niederlanden gab es einen besonders schwerwiegenden Fall von ärztlicher Fehldiagnose. Ein Gericht in Almelo warf einem Mediziner sogar vor, "absichtlich und bewusst" falsch gehandelt zu haben. 2014 verurteilte ein Strafgericht den Mann zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung.
Der niederländische Arzt, der auch in Heilbronn gearbeitet hatte, diagnostizierte in etwa 200 Fällen falsch. Neun dieser Vorkommnisse landeten vor Gericht. Der Arzt hatte den Patienten gesagt, sie würden an Krankheiten wie Alzheimer, Demenz oder multipler Sklerose leiden, obwohl das nicht stimmte und auch Tests die Diagnosen nicht bestätigten. Eine Frau beging deswegen sogar Suizid.
Was tun bei Fehldiagnosen?
Die meisten ärztlichen Fehlbehandlungen haben kaum Auswirkungen auf die Gesundheit von Patienten. Oft fallen Fehler gar nicht auf. Doch was kann man tun, wenn man glaubt, Opfer eines Ärztepfuschs zu sein?
"Der Patient sollte eine Art Tagebuch anlegen", sagt die Medizinrechtlerin des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), Ingeborg Singer.
Ausserdem sollte man ärztliche Unterlagen anfordern. Besucher, Verwandte und Bettnachbarn im Krankenhaus könnten ausserdem bei einer Gerichtsverhandlung als wichtige Zeugen dienen.
Hilfe bei medizinischen Behandlungsfehlern erhalten Sie auch vom "Arbeitskreis Medizingeschädigter e.V." oder von verschiedenen Krankenkassen.
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