Genf/Berlin - Affenpocken - das war im Mai 2022 mitten in der Corona-Pandemie eine Hiobsbotschaft, die weltweit Angst auslöste. Eine neue Bedrohung, während die Welt noch mit dem verheerenden Coronavirus rang? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf zündete mit der Erklärung eines internationalen Gesundheitsnotstands im Juli die höchste Alarmstufe.

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Inzwischen sind die schlimmsten Befürchtungen vom Tisch, die Fallzahlen sind drastisch gesunken. Die WHO fürchtet nun eine fatale Gelassenheit: neue Ausbrüche seien jederzeit möglich, warnt die WHO-Affenpockenexpertin Rosamund Lewis. "Wir könnten in drei Jahren eine Virusvariante haben, die deutlich weniger gut einzudämmen ist - das ist ein echtes Risiko", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Zahl der wöchentlich gemeldeten Neuinfektionen sinkt

Bis Anfang Januar 2023 registrierte die WHO weltweit knapp 84.000 bestätigte Fälle, darunter 75 Todesfälle, wobei sie sicher ist, dass ein Vielfaches davon ungemeldet blieb. Die Zahl der wöchentlich gemeldeten Neuinfektionen ist seit Juli um gut 90 Prozent gesunken.

Auch in Deutschland hat sich die Situation nach einer Hochphase im Sommer mit teils mehr als 400 bestätigten gemeldeten Erkrankungen pro Woche deutlich beruhigt. Seit Mitte Oktober wurden wöchentlich nur noch einstellige Fallzahlen an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet oder auch gar keine Fälle. Für den gesamten Ausbruch spricht das RKI von rund 3680 Betroffenen hierzulande (Stand: 3. Januar 2023). Ein Hotspot war Berlin.

Affenpocken, von der WHO inzwischen Mpox statt Monkeypox genannt, sind eine Viruskrankheit. Kranke haben meist Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie einen Hautausschlag mit Pusteln. Bis 2022 waren Fälle praktisch nur aus West- und Zentralafrika bekannt, wo Menschen sich durch Kontakt mit infizierten Tieren ansteckten. Das Virus stammt vermutlich von kleinen Säugetieren wie Sonnen- oder Streifenhörnchen oder Riesenhamsterratten. Erst seit ein paar Jahren sind Übertragungen von Mensch zu Mensch bekannt. 2022 infizierten sich vor allem Männer, die häufigen Sexualkontakt mit verschiedenen Partnern haben. Das Virus ist mit den klassischen Menschenpockenviren und den Kuhpockenviren verwandt.

Kampf gegen Affenpocken erfordert bessere Überwachung

"Die Herausforderung wird sein, dass Länder die Überwachung und die Laborkapazitäten aufrechterhalten, obwohl es so aussieht, als sei das Problem vom Tisch", sagt Lewis. Es sei zwar bekannt, wie neue Ausbrüche gestoppt werden können: Durch Isolation der Infizierten, Beobachtung ihrer Kontakte und Impfungen. Das funktioniere aber nur, wenn Fälle früh erkannt werden, weltweit. Die WHO-Europaregion hat sich zwar zum Ziel gesetzt hat, die von Menschen übertragenen Affenpocken auszurotten - die Ständige Impfkommission (Stiko) in Berlin bezweifelt aber, dass das ausserhalb von Afrika noch möglich ist.

Lewis fordert deshalb: "An der klinischen Front muss das Bewusstsein für mögliche Affenpockenfälle erhöht werden." Bei Menschen mit Fieber und Ausschlag müssten neben Masern, Windpocken, Krätze, Syphilis oder Herpes immer auch Affenpocken in Betracht gezogen werden. Kliniken, die auf HIV und sexuell übertragbare Krankheiten spezialisiert sind, sollten routinemässig auf Affenpocken testen.

Es gibt drei Impfstoffe, die das Risiko einer Ansteckung um mindestens 78 Prozent reduzieren, wie Lewis sagt. Die Stiko in Berlin appelliert an gefährdete Gruppen, nach der ersten Impfdosis auch die für einen langfristigen Schutz nötige Zweitimpfung wahrzunehmen. Nach anfänglichem Mangel gebe es inzwischen ausreichend Impfstoff.

Das grosse Problem: Das stimmt zwar für Deutschland und andere reichere Länder, nicht aber für den Rest der Welt. Die grosse Ungleichheit alarmiert die WHO. Die Krankheit sei zwar in Europa, Nordamerika und mit Abstrichen Südamerika weitgehend unter Kontrolle, nicht aber in Afrika, sagt Lewis. Weil die Krankheit bislang nur mit einem PCR-Test nachgewiesen werden kann, der dort vielerorts nicht zur Verfügung steht, blieben dort viele Fälle unerkannt. Besonders betroffen sind nach Angaben der Afrikanischen Union Nigeria, die Demokratische Republik Kongo und Ghana. Wo das Virus unkontrolliert zirkuliert, kann es mutieren und deutlich ansteckendere Varianten hervorbringen.

Deshalb fordert Lewis mehr Investitionen: um den Ursprung des Virus in der Tierwelt Afrikas zu finden, um die Übertragungswege auf den Menschen zu erforschen und um Schnelltests und mehr Impfstoffe zu entwickeln. "Wir brauchen effektive Impfstoffe zu einem guten Preis, die überall zur Verfügung stehen", sagt Lewis. "Wir müssen uns fragen: wollen wir das jetzt ein für alle Male unter Kontrolle bringen oder wollen wir uns Jahrzehnte damit herumschlagen?"  © dpa

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