Berlin (dpa) - Die Deutschen trinken immer noch viel zu viel Alkohol.
Nach einer Analyse des neuen Jahrbuchs Sucht konsumiert jeder
Bundesbürger über 15 Jahre im Schnitt 10,7 Liter reinen Alkohol im
Jahr. Das entspricht einem gefüllten Eimer.

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Die Zahlen beziehen sich auf neue Berechnungen für das Jahr 2015. "Alkohol ist mit Abstand das massivste Problem", sagte Raphael Gassmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahrbuchs in Berlin.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, forderte
angesichts der neuen Zahlen höhere Preise für Bier und Schnaps. "Wir
sollten darüber sprechen, ob Preise von weniger als 20 Cent für einen
halben Liter Bier oder weniger als vier Euro für Spirituosen sein
müssen", sagte die CSU-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland. Alkoholmissbrauch sei eine der grossen Herausforderungen
unserer Gesellschaft. "Knapp acht Millionen Menschen trinken so viel,
dass sie damit ihre Gesundheit gefährden", sagte sie der "Passauer
Neuen Presse".

Das Jahrbuch Sucht stellt jedes Jahr Statistiken zu legalen und
illegalen Drogen in Deutschland zusammen und ergänzt sie mit eigenen
Daten zur Suchthilfe. Pro Kopf tranken Erwachsene in Deutschland
demnach 2016 im Schnitt rund 134 Liter Alkoholika - von der Menge her
eine gut gefüllte Badewanne. Damit ist der Konsum im Vergleich zum
Vorjahr nur minimal gesunken - um 1,25 Prozent.

Auch im internationalen Vergleich bleibe Deutschland beim Thema
Alkohol ein Hochkonsumland, sagte Ulrich John, Leiter des Instituts
für Sozialmedizin an der Universität Greifswald. Die Folgen klingen
dramatisch. So kommen laut Jahrbuch in Deutschland pro Jahr rund
10 000 Babys alkoholgeschädigt auf die Welt. 2,65 Millionen Kinder
wachsen mit alkoholkranken Eltern auf. Und acht Millionen Angehörige
leiden an der Alkoholsucht eines Familienmitglieds mit - zum Beispiel
durch Schamgefühle, Zukunftsängste und im Extremfall durch
Gewaltausbrüche bis hin zu sexuellem Missbrauch.

"Die Dosis macht das Gift", ergänzte John. Bei Frauen gelte zum
Beispiel ein achtel Liter Wein pro Tag als Grenze, bei Männern ein
halber Liter Bier. "Egal wie viel Sie trinken, reduzieren Sie Ihren
Konsum", rät der Experte. Denn laut Jahrbuch werden rund 200
Krankheiten durch Alkoholkonsum mitverursacht. Für 30 Krankheiten,
zum Beispiel Leberleiden, gilt er als Hauptgrund.

DHS-Expertin Christina Rummel beziffert die direkten und indirekten
Kosten des Alkoholkonsums für deutsche Kranken- und
Rentenversicherungen auf 40 Milliarden Euro pro Jahr. "Dem stehen
lediglich 3,1 Milliarden Euro aus Steuern auf Alkohol gegenüber",
sagte sie.

Gassmann forderte angesichts all dieser Fakten ein Werbeverbot für
Alkohol und Zigaretten sowie eine vereinheitlichte höhere Steuer auf
alle Alkoholika, bemessen nach Volumen Alkohol. Darüber hinaus
verlangte er, dass alle Alkoholika nur an Erwachsene über 18 Jahre
verkauft werden. Dass Jugendliche in Deutschland ab 16 Jahre Wein und
Bier kaufen dürften, sei "absurd". Testkäufe hätten bewiesen, dass
der Jugendschutz beim Alkoholverkauf bei rund einem Drittel der Fälle
(30 Prozent) bereits heute nicht eingehalten werde.

Auch der Konsum anderer legaler und illegaler Drogen ist in
Deutschland nach dem neuen Jahrbuch zu hoch. Der Verbrauch von
Tabakwaren ist demnach 2017 sogar leicht um rund ein Prozent
gestiegen. Die Zunahme ging vor allem auf das Konto von Pfeifentabak.
Denn Pfeiferauchen ist nicht mehr nur eine Passion älterer Herren.
Mit der Retrowelle ist das Schmauchen auch bei jungen Leuten zum
Trend geworden. Der Konsum stieg zuletzt um mehr als ein Viertel auf
3245 Tonnen Pfeifentabak an (28,7 Prozent). Der Verbrauch von
Zigaretten und Zigarillos ging dagegen um rund sieben Prozent zurück.

Bei den illegalen Drogen bleibt Cannabis auf einem Spitzenplatz. Nach
den jüngsten Zahlen für 2015 haben rund 7 Prozent der 12- bis
17-jährigen Teenager und 6 Prozent der 18- bis 64-jährigen
Erwachsenen in einem Jahr Joints geraucht. Insgesamt sei damit
innerhalb der vergangenen 25 Jahre ein zunehmender Trend zu
verzeichnen, heisst es im Jahrbuch.

Cannabis sei zwar die illegale Droge, die am häufigsten konsumiert
werde, sagte Gassmann. Sie verursache aber nicht die meisten Probleme.
Die steigende Zahl der Drogentoten - 2016 waren es 1333 - lege die
Vermutung nahe, dass der Gebrauch harter Drogen wie Heroin wieder
zunehme. Eine bewährte Erfolgsgeschichte bei Hilfsangeboten seien
Drogenkonsumräume mit Beratern, ergänzte er.

Nach dem neuen Jahrbuch sind in Deutschland auch weiterhin 1,2 bis
1,5 Millionen Menschen von Arzneimitteln abhängig - insbesondere von
Tranquilizern und Schlafmitteln. Besonders betroffen seien ältere
Menschen, vor allem Frauen.

Auch Glücksspiele reizen laut Jahrbuch weiterhin viele Bundesbürger.
Rund ein Drittel (37 Prozent) gab 2017 an, innerhalb der vergangenen
zwölf Monate gespielt zu haben. Damit habe sich dieser Wert im
Vergleich zu früheren Erhebungen stabilisiert. Bei 326 000 Menschen
in Deutschland gilt ihr Glücksspielverhalten als problematisch, bei
weiteren 180 000 bereits als krankhaft.   © dpa

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