Im Interview erzählt Moderatorin und Solo-Mutter Sarah Valentina Winkhaus von ihrer Erfahrung mit Social Freezing und erklärt, warum eine Samenspende für Singlefrauen aus der Tabuzone geholt werden sollte.
Schliessen Karriere und Mutterschaft sich aus? Für Moderatorin Sarah Valentina Winkhaus stand immer fest, dass beides zusammen möglich ist – auch ohne feste Partnerschaft. Mit über 40 wurde sie Single-Mum by choice – selbstbestimmt, ohne Partner und mithilfe von Social Freezing. Im Interview erzählt Sarah Valentina Winkhaus von der Entscheidung, Solo-Mutter zu werden, welche Rolle ein "fauler Kompromiss" dabei gespielt hat und warum sie allen Frauen rät, sich mit dem Einfrieren von Eizellen zu befassen, um in keine "Stand-by-Falle" zu tappen.
Frau Winkhaus, Sie sind mit über 40 Jahren erstmals Mutter geworden – mit Social Freezing und ohne Partner an Ihrer Seite. Nehmen Sie uns bitte einmal mit auf Ihre Kinderwunsch-Reise …
Sarah Valentina Winkhaus: Dass ich Single-Mum werden würde, war ursprünglich nicht geplant. Allerdings hatte ich auch nie das klassische Happy-Family-Bild vor Augen. Ich wusste immer, dass ich mir irgendwann Kinder wünsche, dennoch waren meine Jahre zwischen 30 und 40 eher von Verhütung als von einem Kinderwunsch oder Gedanken über meine Fruchtbarkeit geprägt. Dennoch habe ich 2018 begonnen, Eizellen einfrieren zu lassen.
Wie kam es dazu?
Ich hatte 2013 erstmals von einer Freundin von Social Freezing gehört. 2014 schwappte das Thema dann immer mehr nach Europa und Deutschland, woraufhin ich angefangen habe, zu Social Freezing zu recherchieren. Damals war mir jedoch noch nicht bewusst, dass Social Freezing besser früher als später gemacht werden sollte, weil Qualität und Anzahl der Eizellen mit steigendem Alter sinken. Wodurch auch die Kosten mit dem Alter steigen. Zudem spielt auch der Kostenfaktor im zunehmenden Alter eine Rolle. Ich wusste nicht, dass unsere Fruchtbarkeit mit 35 drastisch gegen null geht und habe letztendlich erst vier Jahre später erstmals meine Eizellen einfrieren lassen. Damals war ich in einer Beziehung und habe den Vorgang insgesamt dreimal durchführen lassen.
Selbstbestimmung statt fauler Kompromiss
Als Sie Mutter wurden, waren Sie aber nicht mehr in einer Beziehung.
Ganz genau. Während der Beziehung wurde mir bewusst, dass die Parität, die ich mir innerhalb einer Elternschaft gewünscht habe, nicht umsetzbar sein würde. Die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf hätte mir in meiner Rolle als Mutter im Weg gestanden und ich wollte keine Mutter sein, deren Diplom nur noch in einem Bilderrahmen über der Küchenzeile zu bestaunen ist. Deswegen war es immer mein Wunsch, ob mit oder ohne Kind, eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen – auch mit Blick auf unbezahlte Care-Arbeit. Irgendwann musste ich mir aber eingestehen, dass dieser Wunsch in meiner damaligen Partnerschaft nicht umzusetzen war und ich vermutlich eine frustrierte Mutter geworden wäre, die weder einem Kind noch sich selbst gerecht werden würde. Meiner Meinung nach wäre das ein fauler Kompromiss gewesen und so entschied ich, Single-Mum by choice zu werden.
Verlief das Einfrieren der Eizellen komplikationslos?
Es war beschwerlich: Ich habe nach drei Entnahmen nur 14 Eizellen auf Lager gehabt. Man spricht in der Regel von einem Mittelwert von 20 Eizellen. Bei meinem ersten Besuch in der Kinderwunschklinik war ich 37 Jahre alt und der festen Überzeugung, absolut fruchtbar zu sein und mithilfe von Social Freezing gewissermassen in meine Zukunft mit einem Kind zu investieren. Denn es war mir wichtig, die Entscheidung für ein Kind selbstbestimmt treffen und entsprechend erfolgreich vertagen zu können. Doch statt mit meiner Fruchtbarkeit wurde ich bei diesem Termin vielmehr mit dem Tabuthema Unfruchtbarkeit konfrontiert.
Schlussendlich wurden Sie aber dennoch schwanger …
Ja, das wurde ich. Jedoch kam es im Vorfeld noch zu einem absoluten Supergau. Denn die Kinderwunschklinik hat damals einen Fehler gemacht, sodass ich nicht mit 14, sondern mit null Eizellen dastand. Das war ein wirklich schlimmer Rückschlag. Wie ich mich aus diesem Loch herausgewunden habe und doch noch schwanger werden konnte, erzähle ich in meinem Buch "Ich werde Eltern. Selbstbestimmt zum Mutterglück durch Social Freezing".
Welche Botschaft wollen Sie in Ihrem Buch vermitteln?
Wenn es um Kinder geht, neigen wir Frauen dazu, zu warten. Auf die "Erlaubnis", den Segen, vom Partner oder von der Gesellschaft. Wir warten, warten, warten und geraten dadurch in eine Stand-by-Falle. Dabei haben wir die Möglichkeiten, Vorkehrungen zu treffen – eben durch Social Freezing. So können wir Frauen uns die selbstbestimmte Entscheidung für oder gegen ein Kind offen halten und auch damit enormen Druck aus einer Situation herausnehmen – übrigens auch innerhalb einer Partnerschaft aus der Kinderplanung.
Inwiefern spielt hier der finanzielle Aspekt eine Rolle?
Wir sind bereit, mehrere Tausend Euro für eine Küche auszugeben. Warum nicht also auch in unsere Eizellen investieren? Eizellen statt Gucci! Je früher eine Frau sich übrigens für diesen Schritt entscheidet, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, schon bei der ersten Entnahme viele Eizellen zu generieren und somit langfristig auch Geld zu sparen. Doch in unserer Gesellschaft werden diese Themen noch immer sehr tabuisiert.
Fragt man sich, ob es auch egoistisch ist, ein Kind ohne Partner in die Welt zu setzen?
Ich habe mich natürlich gefragt, inwiefern die Entscheidung, ein Kind ohne Partner zu bekommen, egoistisch ist. Irgendwann habe ich für mich einen Entschluss gefasst: Wenn Egoismus bedeutet, dass ich mich selbstbestimmt, aber mit voller Liebe gegen einen faulen Kompromiss und für ein Kind entscheide, dann bin ich gerne egoistisch. So ist die Entscheidung gefallen, meinem Kind gleichermassen Mutter und Vater zu sein.
Wurde auf Ihre Entscheidung von aussen mit Unverständnis reagiert?
Natürlich gab es Fragen wie "Warum tust du dir das an?" oder "Warum nimmst du dem Kind den Vater?". Doch ein anderer Weg wäre für mich immer mit dem bereits angesprochenen faulen Kompromiss einhergegangen. Ich möchte keine Beziehung führen, nur um ein Kind bekommen zu können. Das ist mir final bewusst geworden, als ich die Entscheidung für ein Kind ohne Partner endgültig und mit voller Liebe getroffen habe – in diesem Moment ist mir eine riesige Last vom Herzen gefallen und ich wusste: Ich werde Eltern und meinem Kind wird es an nichts fehlen.
Solomutterschaft wird in Deutschland noch immer tabuisiert
Sprechen wir bei Social Freezing und Samenspenden für Singlefrauen von gesellschaftlichen Tabuthemen?
Absolut. Das macht sich auch bei vielen Kinderwunschkliniken bemerkbar, denn häufig wird Singlefrauen eine Samenspende noch immer erschwert. Mit Blick auf das Thema Samenspende halte ich es in meinem Buch übrigens bewusst offen, welchen Weg ich gegangen bin. Ich verrate also nicht, ob ich die private Samenspende oder eine offene Samenspende über eine Samenbank in Anspruch genommen habe. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass das Thema Solomutterschaft in Deutschland noch immer tabuisiert und der offene Umgang entsprechend erschwert wird.
In der Folge fehlt es entsprechend an Wissen rund um Social Freezing.
So ist es. Gespräche, die ich im Rahmen der Recherche für mein Buch mit Ärzten und Ärztinnen geführt habe, haben ergeben, dass ein Grossteil der Frauen, die Social Freezing gemacht haben, ihre eingefrorenen Eizellen nicht weiterverwenden. Zum einen, weil sie sich den Schritt einer Solo-Mutterschaft nicht zutrauen. Zum anderen aber, weil sie irgendwann zu alt sind, um schwanger werden zu können. Häufig sind diese Frauen in einer festen Beziehung, in der zunächst gemeinsam gereist, ein Haus gebaut oder womöglich auf die nächste Beförderung des Partners gewartet wird. Doch irgendwann ist es dann zu spät für Kinder, unsere Fruchtbarkeit ist endlich – eingefrorene Eizellen hin oder her. Doch indem Themen wie Social Freezing noch immer in einer Tabuzone stecken, fehlt es schlichtweg an dem nötigen Wissen. Das möchte ich gerne ändern.
Wie sieht Ihr Alltag als Solo-Mutter einer Tochter aus?
Zunächst einmal ist viel Organisation nötig. Mein Vater lebt in Italien, meine Mutter in München und so haben wir hier in Düsseldorf keine klassische Betreuung durch die Oma oder den Opa. Für mich hat das bedeutet, zu lernen, Hilfe anzunehmen und um Hilfe zu bitten. Seit meine Tochter Clara fünf Monate alt ist, geht sie in die Grosstagespflege, was ihr unglaublich guttut. Und was meinem Kind guttut, tut auch mir gut. Entsprechend versuche ich, eine Balance zu finden zwischen der Quality-Time mit meiner Tochter und meinem Job. Durch meine Selbstständigkeit bin ich zeitlich sehr flexibel, wofür ich sehr dankbar bin. Ausserdem kann ich Clara auch zu Dreharbeiten und Moderationen mitnehmen. Sie ist ein Teil von mir und wenn eine Situation mal nicht passt, wird sie nicht auf Biegen und Brechen passend gemacht, sondern im Sinne meines Kindes gehandelt. Ich versuche also, mir in meinem Umfeld das sprichwörtliche Dorf aufzubauen und das klappt erstaunlich gut.
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