Bas Kast trinkt seit seinem 50. Geburtstag keinen Alkohol mehr. Im Interview erklärt der Bestsellerautor, was ihn dazu bewogen hat und wie der "Dry January" helfen kann, neue Freiheit zu gewinnen.

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Ein neues Jahr beginnt - und mit ihm die Chance, alte Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen. Der "Dry January" - ein Monat ohne Alkohol - bietet die Gelegenheit, bewusst zu hinterfragen, wie sehr Wein, Bier und Co. eigentlich zum Alltag gehören. Bas Kast, Bestsellerautor und Wissenschaftsjournalist, hat diesen Schritt gewagt - allerdings nicht nur für einen Monat, sondern dauerhaft. Kurz vor seinem 50. Geburtstag beschloss er, keinen Alkohol mehr zu trinken. In seinem neuen Buch "Warum ich keinen Alkohol mehr trinke" (C. Bertelsmann) erklärt er die Hintergründe. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt er, was Alkohol wirklich mit dem Körper anrichtet, warum selbst das oft als gesund angepriesene "Gläschen Rotwein" problematisch ist und welche Veränderungen er persönlich gespürt hat.

Sie haben kurz vor Ihrem 50. Geburtstag beschlossen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Gab es einen Schlüsselmoment, der Sie zu diesem Schritt bewogen hat?

Bas Kast: Im Kern war es ein umfassender Bericht der kanadischen Gesundheitsbehörden, der im Januar 2023 erschien. Ein grosses Forschungskomitee hatte die Befunde zum Thema Alkohol und Gesundheit der vergangenen Jahre noch einmal neu ausgewertet und kam zum Schluss, dass im Grunde jeder Schluck Alkohol schädlich ist. Lange hiess es: Ein bis maximal zwei Gläser täglich seien halbwegs ok, womöglich sogar gesund. Insbesondere ein Gläschen Rotwein am Abend - beim Essen genossen - galt als herzschützend. Das hat sich in den letzten Jahren immer mehr als Mythos herausgestellt. Leider!

Was hat Sie besonders überrascht, als Sie sich näher mit dem Thema Alkoholkonsum beschäftigt haben?

Kast: Es gibt wirklich hunderte von Beobachtungsstudien, die nahelegen, dass moderater Alkoholkonsum mit weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht. Besonders Weinliebhaber wirken in solchen Studien oft als ziemlich gesunde Zeitgenossen. Mich hat überrascht und auch ein bisschen schockiert, dass neue Analysen dies vermehrt als Fehlinterpretation entlarvt haben. Unter den Abstinenzlern gibt es mitunter Menschen, die früher ordentlich gebechert und dann das Trinken aufgrund von Krankheit aufgegeben haben, man spricht vom "Sick-Quitter-Effekt". So erscheint die Gruppe der moderaten Trinker oft als gesünder, aber das liegt eben daran, dass man sie mit einer Gruppe von Abstinenzlern vergleicht, die tendenziell etwas weniger gesund ist. Manche fühlen sich vielleicht nicht fit und fangen erst gar nicht mit dem Trinken an - auch die gehören dann zu den Abstinenzlern. Oder nehmen wir den Wein: Gerade massvolle Weintrinker gehören oft zu einer relativ privilegierten Gruppe von Menschen, tendenziell aus höheren sozialen Schichten, die sich auch sonst mehr um ihre Gesundheit kümmern. All diese "Störfaktoren" tragen dazu bei, dass wir den Eindruck haben, es sei der massvolle Alkoholkonsum selbst, der gesund mache. Das scheint aber nicht der Fall zu sein.

Viele Menschen halten ein Glas Wein oder Bier für nicht schädlich oder sogar gesund. Sie betonen, dass selbst moderater Konsum schädlich sein kann. Was passiert im Körper, wenn man ein oder zwei Gläser trinkt?

Kast: Das ist eben mein Anliegen: Dieses überholte Bild zu korrigieren. Als klar wurde, dass Alkohol wohl nicht herzschonend ist (wobei, restlos geklärt ist diese Streitfrage bis heute nicht), rückte etwas im Vordergrund, das man allerdings schon länger erkannt hatte: Dass eben Alkohol eindeutig krebserregend ist. Es gibt hier auch sehr "plastische" Vergleiche. Britische Forscher haben in einer Studie die Frage gestellt, wie viele Zigaretten denn eigentlich in einer Flasche Wein "stecken". Antwort: Was die Erhöhung des Krebsrisikos betrifft, "enthält" eine Flasche Wein für Frauen ungefähr 10 Zigaretten, bei Männern sind es 5. Der Unterschied rührt daher, dass bereits ein moderater Konsum von 3 bis 6 kleinen Gläsern Wein oder kleinen Flaschen Bier die Woche das Brustkrebsrisiko messbar erhöht, wovon Männer kaum betroffen sind. Aber auch das Darmkrebsrisiko erhöht sich, sowie das Krebsrisiko im gesamten "Verdauungsrohr", wie ich es nenne, überall dort, wo der Alkohol in direktem Kontakt mit dem Körper kommt: Lippen, Mund, Zunge, Rachen, Schluckdarm, Magen und eben Darm.

Welche Vorteile haben Sie persönlich schnell gespürt, als Sie mit dem Alkoholtrinken aufhörten?

Kast: Ich persönlich habe wohl nie so über die Stränge geschlagen, dass ich sagen könnte: Wow, mein Leben hat sich seither transformiert. Viele allerdings berichten hier vor allem unmittelbar über einen deutlich verbesserten Schlaf, was wiederum gut für die Stimmung und Energie ist. Man weiss auch, dass auch moderater Konsum die Leber verfettet, was sich ebenfalls schnell zurückbildet. Das Gehirn schrumpft vermutlich, und auch diese Schrumpfung erholt sich, wenn man kürzertritt. Für mich war eine andere Veränderung wichtiger: Ich wollte meinen Kindern nicht mehr jede Woche vorleben, was für ein Genuss dieses doch recht schädliche Getränk für mich ist. Ich wollte den Alkohol nicht vor ihnen zelebrieren, wie wir es in unserer Gesellschaft doch ziemlich häufig tun, mit Weinfesten, Oktoberfest etc. Wir feiern Geburtstage und sagen "zum Wohl", obwohl es eher zum Unwohl ist, wenn wir trinken. Für mich war das der grösste Gewinn: Diese im Kern unredliche Zelebrierung eines Zellgiftes nicht länger mitzumachen.

Welche Vorteile sehen Sie in Aktionsmonaten wie dem Dry January?

Kast: Ich finde das neue Jahr und der Dry January eine super Gelegenheit, die eigenen Gewohnheiten einfach mal zu hinterfragen. Manche wollen vielleicht gar nicht so viel trinken, wie sie es tun. So eine kleine Zäsur oder Aktion kann einen doch wachrütteln. Man sollte die Gelegenheit nutzen, und wenn man findet, dass man vielleicht etwas zu viel trinkt, kann man sich ja fragen, warum man das tut: Will ich das? Brauche ich das? In welchen Situationen trinke ich? Welches Problem löst Alkohol eigentlich für mich, und wie könnte ich dieses Problem anders, produktiver - wie könnte ich es wirklich lösen?

Bas Kast beschloss kurz vor seinem 50. Geburtstag, keinen Alkohol mehr zu trinken und hat ein ...
Bas Kast beschloss kurz vor seinem 50. Geburtstag, keinen Alkohol mehr zu trinken und hat ein Buch mit wissenschaftlichen Erkenntnissen darüber geschrieben - bei C. Bertelsmann erhältlich. © C. Bertelsmann

Macht ein Monat ohne Alkohol schon einen Unterschied?

Kast: Oh ja! Wie gesagt, da der Schlaf so viele Aspekte beeinflusst, ändert sich schon allein durch den verbesserten Schlaf für viele jede Menge. Manche berichten darüber, dass ihre Haut besser aussieht. Alkohol tötet Bakterien, deshalb trank man im Mittelalter lieber Bier und Wein, statt verunreinigtes Wasser. Das heisst aber auch, dass Alkohol die günstigen Bakterien in unserem Darm teils abtöten kann. All das kann bei einer Pause regenerieren. Vor allem aber: Alkohol macht viele von uns abhängig, sprich: unfrei. Man gewinnt also Freiheit. Entscheidungsfreiheit. Kontrolle über das eigene Schicksal.

Und wie sollte es nach einem alkoholfreien Monat weitergehen?

Kast: All das ist doch sehr persönlich. Jeder muss für sich einen Weg finden, zwischen Genuss und Risiko. Ich mache keine Vorschriften. Manche werden vermutlich zu ihren alten Gewohnheiten zurückkehren. Aber es wird wohl auch welche geben, die spüren, wie gut es ihnen tut, wenn sie kürzertreten. Die werden aus purem Eigeninteresse, gewissermassen aus einer neu entdeckten Form von "Genuss" vielleicht dabeibleiben. Ich persönlich bin nicht mehr auf der Suche nach kurzfristigen Dopamin-Kicks. Statt Wein mache ich jetzt abends immer ein kleines Workout, um meinen Stress von der Arbeit abzubauen. Langfristig das Richtige zu tun, meinem zukünftigen Ich und auch meinen Kindern gegenüber, ist mir wichtiger als "Spass".

Wenn Sie in Bezug auf den Umgang mit Alkohol einen Wunsch an die Politik oder Gesellschaft richten könnten, was wäre das?

Kast: Ich bin nicht für Verbote. Ich wünschte mir, ich könnte einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass wir in unserer Gesellschaft zu einem etwas realistischeren, ehrlicheren Bild kommen, was Alkohol betrifft. Jeder kann im Kleinen dazu beitragen, wenn er oder sie das will und davon überzeugt ist, dass dies etwas Gutes ist. Ich wurde in der Pfalz geboren und komme aus einer Weinkultur, die mich sehr geprägt hat. Aber auch ich bin Teil der Kultur und kann sie prägen, und sei es nur, indem ich mich am Abendtisch anders verhalte als meine Eltern, die noch nicht das wussten, was ich weiss. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in zehn, zwanzig Jahren ähnlich auf Alkohol zurückblicken werden, wie wir heute auf jene Zeit zurückblicken, als Rauchen noch als cool galt. (ncz/spot)  © 1&1 Mail & Media/spot on news

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