In Sozialen Netzwerken werden seit einigen Monaten Vorfälle gesammelt, bei denen Sportler Herzprobleme hatten. Es wird der Eindruck erweckt, als hätten diese seit Beginn der COVID-19-Impfungen stark zugenommen. Der Eindruck ist jedoch falsch: Gestiegen ist offenbar lediglich die Aufmerksamkeit für dieses Thema, für einen Anstieg der Fälle im Jahr 2021 gibt es keine Belege.

Seit Monaten werden in Sozialen Netzwerken und auf verschiedenen Webseiten Listen mit Vorfällen verbreitet, bei denen Sportler Herzstillstände oder Zusammenbrüche hatten. Sie sollen zeigen, dass sich solche Vorfälle in letzter Zeit angeblich häufen – und es wird angedeutet, das liege an den COVID-19-Impfungen.

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Seinen Anfang nahm dieser Trend im Sommer 2021, als der dänische Fussball-Nationalspieler Christian Eriksen während eines EM-Spiels einen Herzstillstand hatte. Im Internet wurde spekuliert, der Grund könnte eine Corona-Impfung gewesen sein. Eriksen war aber nicht geimpft, wie in mehreren Faktenchecks (hier und hier) recherchiert wurde.

Dennoch werden seitdem ähnliche Vorfällen in Sozialen Netzwerken gesammelt. Die Listen basieren stets auf Medienberichten. Es geht vor allem um Fussballspieler, aber auch einzelne Personen aus anderen Sportarten. CORRECTIV hat in zwei Faktenchecks (hier und hier) recherchiert, ob es wirklich zu einer Zunahme von Herzproblemen bei Sportlern gekommen ist. Das Ergebnis: Es gibt dafür keine Belege. Die Anzahl der Fälle, die anhand von Medienberichten für 2021 gezählt wurden, ist im Vergleich zu Daten aus den Vorjahren nicht ungewöhnlich hoch.

Fünffacher Anstieg 2021 bei Fussballspielern?

Konkret wurde auf Facebook behauptet, 183 Profisportler und Trainer seien 2021 zusammengebrochen. Speziell bei Fifa-Sportlern (Fussballspielern) habe es einen fünffachen Anstieg von "plötzlichem Herztod und ungeklärten Todesfällen" gegeben. Die Behauptung basiert auf einem Text aus Israel, der am 13. November 2021 auf der Webseite Real-Time-News auf Hebräisch erschienen ist.

Real-Time-News hat Berichte über medizinische Vorfälle weltweit in unterschiedlichen Sportarten in einer Liste zusammenzutragen und behauptet, es gebe einen Anstieg der Fälle seit Beginn der COVID-19-Impfungen. Die Liste enthält jedoch mehrere Fehler und Ungereimtheiten.

Der früheste dokumentierte Fall ist zum Beispiel mit dem Datum 9. Dezember 2020 angegeben. Das Datum ist erstens falsch; es handelt sich um einen Fussballspieler vom französischen Verein RC Strasbourg, der im September 2021 bei einem Spiel zusammenbrach. Zweitens wurde der erste COVID-19-Impfstoff in Europa erst am 21. Dezember 2020 zugelassen, wäre der Fall also vom 9. Dezember gewesen, dann hätte er nichts mit einer Impfung zu tun haben können.

Zwölf Fälle in der Liste beziehen sich auf Deutschland – doch ein Fall ist doppelt vorhanden, und an einer Stelle wird ein Fussballtrainer als "Volleyballtrainer" bezeichnet. Ausserdem wird Ex-Nationalspieler Miroslav Klose aufgelistet, der keine Herzprobleme hatte, sondern Thrombosen im Bein, wie er in einem Interview erklärte.

Keine Belege für eine Zunahme von Herzstillständen

Um die Fälle einordnen zu können, muss man wissen: Plötzliche Herzstillstände können bei Sportlern vorkommen, auch wenn sie jung sind. Das betrifft insbesondere Sportarten wie Fussball und Laufen. Beim plötzlichen Herzstillstand beim Sport ist die Ursache laut der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) meist ein Kammerflimmern, also das unkontrollierte Zusammenziehen des Herzmuskels. Die Ursache seien oft unentdeckte Herzerkrankungen. Das ist nicht dasselbe wie ein Herzinfarkt, bei dem eines der Herzkranzgefässe durch Ablagerungen oder ein Blutgerinnsel verstopft.

Der Leiter der Arbeitsgruppe Sportkardiologie bei der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Dierk-Christian Vogt, teilte CORRECTIV im November mit, dass 2021 keine Zunahme von Herzproblemen bei Sportlern bekannt sei.

Wie also kam die israelische Webseite Real-Time-News auf die Behauptung, 2021 seien solche Fälle bei "Fifa-Sportlern" um das Fünffache gestiegen?

Die Antwort: Sie haben die Fälle, die sie selbst anhand von Medienberichten gezählt haben, mit einer Liste bei Wikipedia verglichen. Diese enthält Fussballer auf der ganzen Welt, die seit 1889 während eines Spiels oder danach gestorben sind. Im Schnitt seien es 4,2 Todesfälle pro Jahr, schreibt Real-Time-News, 2021 habe man dagegen 21 Fälle gezählt. So kommt die Aussage über den "fünffachen Anstieg" zustande.

Bei Wikipedia steht jedoch, dass die Liste dort unvollständig ist. Der Vergleich ist nicht aussagekräftig.

Wissenschaftliches Fifa-Register: Im Schnitt 95 Todesfälle pro Jahr

Es gibt aber bessere Daten – die Fifa selbst hat 2014 ein Register eingeführt, in dem solche Fälle dokumentiert werden. Die "Fifa Sudden Cardiac Death in Football Registry" wird von der sportmedizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes betrieben. Im Dezember 2020 wurden die Daten für die Jahre 2014 bis 2018 im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht.

Das Ergebnis: Innerhalb von fünf Jahren wurden 617 Fälle von "plötzlichem Herztod", "überlebtem plötzlichem Herzstillstand" oder "traumatischen plötzlichem Tod" bei Fussballspielern aus 67 Ländern verzeichnet. 142 davon überlebten.

Im Schnitt gab es also laut der Fifa-Datenbank pro Jahr durchschnittlich 123,4 Fälle, bei denen Fussballspieler auf dem Feld oder eine Stunde nach dem Spiel zusammenbrachen. 21 Todesfälle sind angesichts dieser Daten keine ungewöhnlich hohe Zahl – laut dem Fifa-Register starben 2014 bis 2018 im Schnitt pro Jahr 95 Fussballspieler.

Nach mRNA-Impfungen können selten Herzentzündungen auftreten

Was tatsächlich stimmt: Laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden nach mRNA-Impfungen gegen COVID-19 bei jungen Männern mehr Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung gemeldet.

Im aktuellsten Sicherheitsbericht des PEI vom 23. Dezember 2021 heisst es zu solchen Fällen von Myokarditis oder Perikarditis: Bis Ende November 2021 seien in Deutschland rund 107 Millionen Impfungen mit mRNA-Impfstoffen durchgeführt worden. Es seien 1.554 Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündungen gemeldet worden, bei denen der Verdacht auf einen Zusammenhang zur Impfung besteht. Die meisten Patienten fühlten sich nach einer Behandlung schnell besser, es gebe aber auch einzelne schwere Verläufe.

In Deutschland wird der Impfstoff von Moderna seit November aufgrund des Myokarditis-Risikos nicht mehr für unter-30-jährige empfohlen.

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