Bikram-Yoga, das ist Yoga bei 40 Grad. Durch die Extrembedingungen soll es gelingen, sich vollständig nur auf sich zu konzentrieren. Doch funktioniert das auch? Unser Redakteur hat den Test gemacht.

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Ich versuche, aufzustehen. Doch irgendetwas zieht mich immer wieder herunter. Panik kommt in mir auf. "Ruhig bleiben", denke ich. Nächster Versuch: Ganz langsam richte ich mich auf, erst das rechte Bein, dann das linke. Doch wieder macht mir mein Kreislauf einen Strich durch die Rechnung. Die brütende Hitze tut ihren Teil. Ich versuche, so viel Sauerstoff wie möglich einzusaugen.

Aus der Ferne dringt ganz leise Julies Stimme zu mir durch. Sie gibt Anweisungen, doch ich nehme sie nur undeutlich war. Ich reisse mich zusammen. Der Schweiss läuft in meinen Mund, der letzte Schluck Wasser ist schon viel zu lange her. Neuer Versuch – neuer Fehlschlag. Wieder sinke ich auf die Matte. Die Panik wird grösser. Wie soll ich jemals wieder aufstehen?

Sport bei 40 Grad

"Beim Fussball nennt man es dehnen". Diesen Satz habe ich unter Männern schon oft gehört, wenn sie über Yoga redeten. Grund genug für mich, diesem Vorurteil auf den Grund zu gehen. Bikram-Yoga habe ich mir für meinen Selbstversuch ausgewählt. Das ist eine Hatha-Yoga-Methode.

Das Besondere: Es wird bei 40 Grad Celsius praktiziert. "Durch die Hitze bist du weicher und kommst leichter an deine verspannten Körperteile heran", erklärt mir Julie, meine Trainerin. Ausserdem müsse man sich durch die Hitze extrem auf sich selbst konzentrieren.

Der Übungsraum ist nicht besonders gross. Dennoch sollen hier 35 Menschen an einem Kurs teilnehmen können. Schon beim Betreten spüre ich die Hitze. Doch sie ist ungewöhnlich trocken. Ich hatte mir eher Zustände wie in der Dampfsauna vorgestellt. Der Kursraum ist rundum verspiegelt, nur die Fensterfront bleibt frei.

Bewaffnet mit Yoga-Matte und Handtuch suche ich mir einen Platz in der hinteren rechten Ecke. Der Kurs ist mit acht Teilnehmern nicht sonderlich gut besucht, allerdings ist es auch 9:30 Uhr morgens. Vorne steht Julie und beginnt mit dem Kurs. "Ich mache die Übungen nicht vor, ich rede ununterbrochen. Schau, wie die anderen es machen", sagt sie. Wenn ich nicht mehr kann, solle ich in den sogenannten Kniesitz wechseln, so bekäme ich am besten Luft.

Schon nach wenigen Minuten rinnt mir der Schweiss am Körper entlang. Augen, Mund, Nase – alles ist nass, auf meinem Handtuch hat sich bereits eine kleine Pfütze gebildet. Gestartet wird mit Atemübungen. Immer drei Sets am Stück ist die Devise.

Bikram-Yoga besteht aus insgesamt 26 Körper- und 2 Atemübungen. Es wurde von dem indischen Yogameister Bikram Choudhoury entwickelt. Bikram-Yoga ist auch als Hot-Yoga bekannt. "Im Enddefekt geht es beim Yoga darum, seinen Atem zu kontrollieren", erkärt Julie.

Die Luftfeuchtigkeit im Raum ist auf 40 Prozent reguliert, die trockene Hitze also bewusst, sonst macht der Kreislauf zu schnell schlapp. Die Spiegel sollen helfen, die Konzentration komplett auf sich selbst zu lenken. 90 Minuten, um die Aussenwelt Aussenwelt sein zu lassen.

Trinken ist nicht erlaubt

Nach den Atemübungen geht es langsam ans Eingemachte. Körperteil für Körperteil wird gedehnt, immer ein Stückchen mehr. Julie feuert uns an, während ich mich nach meiner Wasserflasche sehne. Doch während der Übungen ist trinken nicht erlaubt, dafür sind zwischendurch extra Pausen vorgesehen. Na super, trinke ich halt meinen eigenen Schweiss, denke ich mir.

Die Anstrengung nimmt von Minute zu Minute zu. Mein Körper zeigt schon die ersten Ermüdungserscheinungen, meine Oberschenkel fangen an zu zittern. 90 Minuten? Was habe ich mir nur dabei gedacht?

Während die Sets immer brutaler werden, schaltet sich mein Gehirn mehr und mehr aus. Mein erster Kniesitz lässt nicht lange auf sich warten. Ich bin erleichtert, als andere Kursteilnehmer es mir nachtun.

Die ersten 50 Minuten Bikram-Yoga absolvieren wir im Stehen. "Der Berg ist geschafft", höre ich Julie aus der Ferne, das schlimmste sei überstanden. Nun geht es auf dem Boden weiter.

Doch es wird noch eine Runde härter. Ich mache die schlimmsten Verrenkungen und Figuren. Kopf aus, einfach nur funktionieren, bloss nicht nachdenken! Zwischen den Bodenübungen wechseln wir regelmässig in die sogenannte Savasana, zu Deutsch: Totenstellung. So liege ich auf dem Rücken, die Arme ausgestreckt und entspanne für den Moment. Doch selbige sind definitiv zu kurz. Weiter geht es.

Zwischendurch werden noch Sit-Ups eingestreut. Die Ermüdungserscheinungen werden nun heftiger. Meine Beine machen kaum noch das, was sie sollen, der Kreislauf spielt verrückt. Immer wieder muss ich für kurze Zeit in den Kniesitz.

Am Ende ist sogar das zu anstrengend. Auf dem Boden liegend lasse ich nun komplett los und ertrinke fast in meinem eigenen Schweiss. Bitte mach, dass es aufhört! "Komm Max, die letzten Übungen schaffst du auch noch", höre ich aus der Ferne. Ich rappele mich ein letztes Mal hoch und absolviere wie in Trance die letzten Sets.

Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, ist es geschafft. Ich lasse mich wieder auf den Boden fallen und geniesse. "Gut gemacht", sagt Julie. Einige Momente später bin ich wieder bei Kräften. "Und, kommst du jetzt regelmässig"? fragt mich Julie. Ich habe keine Antwort für sie. Die Erfahrung war auf jeden Fall einzigartig. Doch nach dieser körperlichen und seelischen Grenzerfahrung wünsche ich mir mein entspanntes Fussball-Training zurück. Gerne auch ohne Dehnen.

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