Jeder Zehnte in Deutschland leidet unter Oralophobie, bekannt als Angst vor der Zahnbehandlung oder vor dem Zahnarzt. Die Scham und der Leidensdruck sind enorm. Die richtige Therapie hilft Betroffenen, den Zahnarztbesuch problemlos zu überstehen.

Mehr zum Thema Gesundheit

Schon beim Gedanken an den Zahnarzt schlagen bei vielen alle Sinne Alarm und lösen Unwohlsein, Angst und Panik aus. Denn liegen wir auf dem Zahnarztstuhl, fühlen wir uns ausgeliefert. Diese Hilflosigkeit sorgt bei Betroffenen für Herzrasen, Schwitzen, Atemnot, Übelkeit oder im extremsten Fall sogar für Ohnmacht.

Woher kommt die Angst vorm Zahnarzt?

Es gibt wohl wenige Menschen, die gern zum Zahnarzt gehen. Trotzdem ist der regelmässige Gang wichtig, denn ungesunde Zähne können die Ursache für körperliche oder psychische Beschwerden sein. Jeder Zahn steht für ein Organ, erklärt Diplom-Psychologin und Heilpraktikerin Brigitte Gudra. Oft kommen Patienten mit unklaren chronischen Beschwerden zu ihr. Die Gründe dafür liegen auch in Zahnerkrankungen, die nicht erkannt werden, weil Patienten "Angst vorm Zahnarzt" haben.

Brigitte Gudra führt in München eine Naturheilpraxis. Sie macht deutlich, dass die Angst vorm Zahnarzt nicht angeboren, sondern erlernt ist. Das passiert bei rund 80 Prozent aller Betroffenen bereits in Kindheit und Jugend, verursacht durch Schmerzen oder schlechte Erfahrungen während eines Zahnarztbesuches. Andere Gründe für die Angst sind dadurch ausgelöste Erinnerungen an Situationen, in denen man sich hilflos gefühlt hat: Gewalterfahrungen, Unfälle oder belastende Operationen. Oft reichen aber schon die Schreckensberichte von Freunden oder Familie aus.

Dass man tatsächlich unter Oralophobie leidet, erkennt man daran, dass der Besuch beim Zahnarzt streng vermieden wird. Der Betroffene ist bereit, mit den Konsequenzen zu leben. Dazu gehört unter anderem Mundgeruch, welcher im extremen Fall zur gesellschaftlichen Isolation führt. Weil Bakterien aus kranken Zähnen und krankem Zahnfleisch durch das Blut in den gesamten Körper wandern können, kommt es manchmal zu Infektionen innerer Organe. Das kann zum Beispiel zu Herzerkrankungen führen, sagt Gudra.

Wie lässt sich Oralophobie

Zwei Drittel der Oralophobiker fürchten sich vor Schmerzen, ein Drittel vor dem Verhalten des Zahnarztes. Manche Ärzte nehmen die Angst ihrer Patienten und deren Bedürfnis nach Kontrolle nicht ernst genug nehmen, meint Gudra. Mittlerweile gibt es immer mehr Zahnärzte, die sich auf Angst- und Schmerzpatienten spezialisieren.

Wer die Phobie erfolgreich loswerden möchte, findet verschiedenste Therapiemöglichkeiten, von Entspannungstechniken, über Hypnose bis zur Verhaltenstherapie. Gudra hat sich für eine alternative Heilmethode entschieden, weil sie selbst damit beste Erfahrungen gemacht hat. Mit EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) geht sie der Angst vorm Zahnarzt auf den Grund, oder wie sie es ausdrückt "an die Wurzel".

Darunter versteht man eine Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegungen. Entwickelt wurde die Methode von Francine Shapiro zur Behandlung traumatisierter Menschen. Belastende Erlebnisse werden mittels "bilateraler Stimulation", also geführten Augenbewegungen von rechts nach links und zurück, neu verarbeitet. Das ist vergleichbar mit dem REM-Schlaf, in dem normalerweise die Ereignisse des Tages verarbeitet werden.

Zum standardisierten Therapieablauf von EMDR gehören auch das Erlernen von Entspannungstechniken und die Wahl eines sicheren Zufluchtsortes in der Fantasie. Während der Sitzung besteigt der Patient einen erdachten Zug und lässt die Landschaften seiner belastenden Erinnerungen an sich vorbeiziehen. Geschützt durch die gedachte Fensterscheibe wird er nicht von seinen Ängsten überschwemmt. Er selbst entscheidet, wie schnell der Zug fährt, wo er hält und wann der Betroffene aussteigt. Brigitte Gudra erklärt, dass es vor allem darum geht, dass der Patient die Kontrolle behält. Am Ziel der Zugfahrt wartet die Angstfreiheit.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.