Laufen Burger King nach dem Ekelskandal die Kunden davon? Nachdem eine RTL-Reportage die schlimmen Hygiene- und Arbeitsbedingungen der Fastfood-Kette aufgedeckt hat, liegt diese Annahme nahe. Wir haben eine der Filialen besucht, die zum massiv kritisierten Franchisenehmer Yi-Ko Holding gehört. Dort haben wir zur Stosszeit ein halbleeres Restaurant vorgefunden – und aufgebrachte Mitarbeiter.
München. Ich betrete eine Filiale von Burger King. Rund 20 Kunden sitzen darin – die meisten alleine an einem Tisch. Mehr als die Hälfte der Tische ist frei. Ich gehe zum Tresen, bestelle mir einen Kaffee und setze mich. Hinter der Kasse stehen vier Mitarbeiter. Eine Angestellte lehnt mit dem Ellbogen auf dem Tresen. Sie unterhält sich mit einer Kollegin. Sie gähnt. Die beiden haben Zeit. Oft vergehen Minuten, bis der nächste Kunde kommt.
Eigentlich ist das ungewöhnlich. Es ist 12 Uhr. Mittagszeit. Sollte Burger King zu dieser Zeit nicht voller hungriger Menschen sein, die nach Whoppern, Pommes oder Chicken Wings verlangen? Der Ekelskandal hat seine Spuren hinterlassen. Ich zähle an die 40 Menschen, die zwischen 12.00 Uhr und 12.30 Uhr die Filiale betreten, in der ich sitze.
Burger King steht seit rund einer Woche massiv in der Kritik. Die Reportage von "Team Wallraff" hat aufgedeckt, dass die Filialen der Fastfood-Kette teils eklatant gegen Hygienevorschriften verstossen. Auch die Arbeitsbedingungen der Angestellten sind teilweise äusserst schlecht. Im Fokus der Kritik steht Yi-Ko Holding, der grösste Franchisenehmer von Burger King in Deutschland. Dem Unternehmen gehören rund 90 Filialen. Inzwischen hat der Geschäftsführer Ergün Yildiz die Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten.
"Normalerweise ist hier viel mehr los"
Ich verlasse das Restaurant. Ein Kunde kommt kurz nach mir heraus. Ich schätze ihn auf 25 Jahre. Auf die Frage, ob er schon öfter hier war, antwortet er: "Ja, ich bin regelmässig hier. Doch normalerweise ist hier viel mehr los." Ein anderer Gast, etwa 20 Jahre alt, bestätigt mir das. Gerade zur Mittagszeit habe er oft fünf bis zehn Minuten warten müssen, bis er bestellen konnte. Alle Tische seien belegt gewesen.
Beide haben von dem Skandal um Burger King gehört. Doch die aufgedeckten Missstände scheinen sie nicht zu stören. "Mir ist das klar", sagt der 25-Jährige, "doch wer sagt mir, dass es in anderen Küchen hygienischer abläuft?" Schliesslich sei das Restaurant noch immer geöffnet. Beide werden auch künftig bei Burger King essen. "Es schmeckt mir einfach besser als McDonald’s", sagt der 20-Jährige.
Der Schichtleiter verteidigt sein Revier
Während ich mit Kunden rede, merke ich, dass mich der Schichtleiter der Filiale beobachtet. Er verschränkt die Arme und läuft durch das Restaurant wie ein Hund, der sein Revier verteidigt. Ich gehe auf ihn zu und gebe mich als Journalist zu erkennen. Der Mann reibt sich nervös über die Hände, blickt in eine andere Richtung. Ich frage ihn, welche Auswirkungen der Ekelskandal hat, ob weniger Kunden kommen. "Dazu darf ich nichts sagen", antwortet er. Nur der Restaurant-Manager dürfe mit mir reden. Doch der sei gerade nicht da.
Zwei Mitarbeiter lauschen wenige Meter entfernt. Eine geht auf mich zu und plaudert los: "Normalerweise ist hier viel mehr los. Mittags ist es hier komplett voll." Der Schichtleiter steht daneben. Er wirkt immer verkrampfter. Er reibt sich wieder seine Hände. "Haben Sie eine versteckte Kamera?", fragt er. Ich verneine. Daraufhin lässt er mich mit den Mitarbeitern reden.
"Gehe jeden Tag mit Kopfweh nach Hause"
Die restlichen Mitarbeiter bekommen mit, dass ich von der Presse bin und stürmen auf mich zu. Alle wollen mit mir reden. Aus dreien sprudelt es nur so heraus. "Schreiben Sie über unsere furchtbaren Arbeitsbedingungen", sagt eine. Sie bekämen kein Weihnachtsgeld. Auch im Krankheitsfall bleibe eine Lohnzahlung aus. Eine schimpft über ihren Lohn: "Ich bekomme 8,50 Euro die Stunde und bin seit Jahren angestellt." Zum Vergleich: Eine Verkäuferin im Einzelhandel bekommt laut Tarifvertrag ebenfalls 8,50 Euro Stundenlohn - allerdings bereits im ersten Jahr.
Pausen könne sie nur selten nehmen, sagt die Angestellte. In ihrem Stundennachweis werde dies aber nicht vermerkt. Ständig stehe sie unter Stress, weil normalerweise so viel los sei. "Ich gehe jeden Tag mit Kopfweh nach Hause", sagt sie.
Nur die aufgedeckten Hygienemängel wollen die Mitarbeiter nicht bestätigen. Sie würden sich streng an die Vorgaben halten, unter anderem den Salat nicht länger als vier Stunden stehen lassen. "Wir müssen auch nicht in unserer Arbeitskleidung die Toiletten putzen", sagt eine. Überprüfen kann ich ihre Aussagen nicht. Die Küche darf ich nicht betreten. Einen Mitarbeiter, der eine Toilette schrubbt, habe ich in der kurzen Zeit aber nicht gesehen.
Alle Mitarbeiter haben grossen Redebedarf. Eine weitere Angestellte will unbedingt mit mir reden, überlegt es sich im letzten Moment aber anders. Sie packt ihre Sachen und rauscht an mir vorbei. Die Angst, den - zwar schlecht bezahlten - Job zu verlieren, ist offenbar zu gross.
"Der hat sicher weiterhin seine Finger mit im Spiel"
Zehn Minuten später gehen die Mitarbeiter wieder an die Arbeit. Einige Kunden stehen an der Kasse. Eine Angestellte schüttelt wieder das Fett aus dem Pommessieb, ein anderer brät das Burgerfleisch. Ich verlasse den Kassenbereich und gehe Richtung Ausgang. Dort steht der Schichtleiter. Bisher hat er mir noch nicht verraten, was er über den Skandal denkt – und ich rechne auch nicht mehr damit.
Ich versuche es trotzdem und frage ihn, ob er glaubt, dass sich mit der neuen Geschäftsführung etwas ändern werde. Der Schichtleiter ist überrascht. Er wusste noch nicht, dass Yildiz zurückgetreten ist. Er senkt den Blick - von Freude keine Spur. Plötzlich offenbart er sich doch: "Der hat sicher weiterhin seine Finger mit im Spiel."
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