Sie ist weit verbreitet, hat gravierende Auswirkungen und dennoch wissen die wenigsten Menschen was Endometriose ist. Rund jede zehnte Frau in Deutschland ist von der chronischen Krankheit betroffen. Heilbar ist sie bislang nicht. Wir haben mit einer Expertin über Entstehung, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten gesprochen.
Frau Hamann, was steckt hinter dem Begriff Endometriose?
Katharina Hamann: Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der sich Zellen an Eierstöcken, Eileitern, Darm, Blase oder dem Bauchfell ansiedeln. Dieses Gewebe ähnelt dem der Gebärmutterschleimhaut und bildet gutartige Zysten und Tumore. Die Endometrioseherde werden in den meisten Fällen von den Hormonen des Monatszyklus beeinflusst. Das heisst: Sie wachsen zyklisch und bluten. Folgen sind Entzündungsreaktionen, Vernarbungen und Verwachsungen sowie starke, chronische Unterleibsschmerzen, Blutungen in der Bauchhöhle und oftmals Infertilität (einer Form von Unfruchtbarkeit).
Welche Symptome treten auf?
Starke Schmerzen im Unterbauch sind das Leitsymptom bei Endometriose. Die Schmerzen können abhängig, aber auch unabhängig von der Menstruation auftreten und den ganzen Körper betreffen. Denn Endometriose kann sich sehr individuell auswirken, weshalb man die Krankheit auch das "Chamäleon der Gynäkologie" nennt. Häufige Beschwerden und Symptome sind Bauch- und Rückenschmerzen, starke und unregelmässige Monatsblutungen, Schmerzen während und nach dem Geschlechtsverkehr, Schmerzen beim Stuhlgang oder Urinieren, zyklische Blutungen aus Blase oder Darm. Verbunden damit sind oft Müdigkeit und Erschöpfung, Allergien und andere Autoimmunerkrankungen sowie erhöhte Infektanfälligkeit während der Menstruation.
Welche Folgen hat die Krankheit?
Sie kann Organe zerstören und Organfunktionen beeinträchtigen. Und sie ist eine der häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit. Denn bei etwa 40 bis 60 Prozent der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, steckt eine Endometriose dahinter. Viele Betroffene haben wegen starker Schmerzen und Krämpfe auch Schwierigkeiten alltägliche Aufgaben zu erledigen, ihren Beruf auszufüllen oder Freizeitaktivitäten nachzugehen.
Wie kann man Endometriose behandeln?
Die einzig sichere Möglichkeit eine Diagnose zu stellen, ist nur ein operativer Eingriff - eine Bauchspiegelung (Laparoskopie). Dabei können bereits Endometriose-Herde entfernt werden. Häufig wird auch medikamentös behandelt mit Schmerzmitteln oder Hormonen. Medikamente können auch unerwünschte Nebenwirkungen haben, deshalb sollten mit dem Arzt Lebensvorstellungen wie Kinderwunsch besprochen werden. Viele Patientinnen machen ergänzend zur Schulmedizin positive Erfahrungen mit Akupunktur, Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) und Pflanzenheilkunde. Ausserdem kann durch eine sinnvolle Umstellung der Ernährung die Erkrankung positiv beeinflusst werden.
Kann die Krankheit geheilt werden?
Nein. Leider gibt es bisher keine endgültige Heilung für Endometriose. Die Therapien setzen lediglich bei den Symptomen an. Und Endometriose ist in 50 bis 80 Prozent der Fälle wiederkehrend. Das heisst, nach der Entfernung von Zysten können wieder neue auftreten. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen muss von einem dauerhaften Therapiebedarf ausgegangen werden.
Wie erkennen Frauen, dass sie womöglich Endometriose haben?
Wer starke Regelschmerzen hat, sollte unbedingt zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen. Denn starke Menstruationsschmerzen sind nicht normal. Leider nehmen immer noch viele Frauen und Ärzte diese Schmerzen nicht ernst. Vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnose vergehen im Schnitt sechs bis zehn Jahre. Die Krankheit ist weit verbreitet: Laut Schätzungen sind sieben bis 15 Prozent aller Frauen im geschlechtsreifen Alter betroffen. In Deutschland sind das zwei bis sechs Millionen Frauen. Mittlerweile gibt es hierzulande viele Spezialisten in zertifizierten Endometriose-Zentren. Gemeinsam mit den Patientinnen suchen sie nach dem individuell richtigen Behandlungsweg. Oft sind daran auch Experten aus Gynäkologie, Schmerztherapie, Psychologie und ganzheitlicher Medizin beteiligt.
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