• Wegen der Corona-Situation sind viele Menschen sozial isoliert.
  • Das heisst aber nicht nur, dass wir weniger Menschen treffen, sondern auch, dass wir weniger berührt werden und andere weniger berühren als noch vor einem Jahr.
  • Was bedeutet es für uns, wenn Berührungen im Alltag fehlen?

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Grundsätzlich spielen Berührungen eine wichtige Rolle: Sie tragen zum Beispiel dazu dabei, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern. Kinder sind sogar auf Berührungen angewiesen, um sich richtig zu entwickeln. "Diesen Effekt können wir nicht ersetzen", sagt Professor Martin Grunwald. Er ist Gründer und Leiter des Haptik-Forschungslabors an der Universität Leipzig und Autor des Buches "Homo hapticus: Warum wir ohne Tastsinn nicht leben können."

Gerade jetzt in der Corona-Pandemie sind die Berührungen im Alltag viel weniger geworden. Das betrifft nicht nur, aber insbesondere die rund 17,6 Millionen Menschen, die in Deutschland in einem Single-Haushalt leben.

Menschen unterscheiden sich allerdings darin, wie stark ihr Bedürfnis nach Berührungen ist. Manche lieben es, berührt zu werden, andere fühlen sich am wohlsten, wenn sie möglichst wenig Körperkontakt haben. "Manche Menschen kommen mit der aktuellen Situation deshalb sehr gut zurecht und sind sogar erleichtert, dass sie gerade niemand anfasst", sagt Grunwald. "Anderen fehlen die Berührungen aber so sehr, dass sie sogar Krankheitssymptome entwickeln."

Berührungsmangel kann krank machen

Das können im Extremfall sogar Symptome sein, die in Richtung einer Depression gehen. "Betroffene leiden dann etwa unter Schlafstörungen, können sich nicht konzentrieren und haben keinen Antrieb", sagt Grunwald. Er spricht dabei von einem sozialen Burn-out.

Hinzu kommt noch die für viele Menschen ungewohnte Krisensituation durch die Pandemie, die zusätzlichen Stress verursachen kann. "Das kann sich körperlich beispielsweise in Verspannungen äussern", sagt Grunwald.

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Oft merken Menschen aber gar nicht, dass ihnen Berührungen fehlen. "Viele spüren dann eher ein generelles Unbehagen, das nicht einfach in Worte zu fassen ist", sagt der Wissenschaftler. In dem Fall hilft auch nicht jeder beliebige Körperkontakt im Alltag weiter. "Die Berührung muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort durch die richtige Person in der passenden Stärke erfolgen."

Wenn ein Kassierer im Supermarkt zufällig die Hand berührt, hilft das also nicht weiter. "Eine solche Berührung durch fremde Menschen ist ein biologisches Grossereignis für uns", sagt der Wissenschaftler. Der Körper ordnet den Reiz zunächst auf die Frage hin ein, ob Gefahr droht. Daher geniessen Menschen diese zufällige Berührung in der Regel nicht.

Haustiere und Gewichtsdecken können helfen

Was können Menschen also tun, um fehlende Berührungen im Alltag zu ersetzen? "Haustiere sind eine ausgezeichnete Wahl", sagt Grunwald. Streichelt man zum Beispiel einen Hund oder eine Katze, dann werden dabei im Gehirn dieselben Areale aktiviert, die auch aktiv sind, wenn wir berührt werden.

Ein Stück weit funktioniert es auch, wenn man sieht, wie andere Menschen sich umarmen, etwa im Fernsehen. "MRT-Studien zeigen, dass auch dabei bestimmte Hirnareale aktiviert werden", sagt der Experte. "Vermutlich sind Spiegelneuronen daran beteiligt." Dieser Effekt hält allerdings nur sehr kurz an und ist deshalb kaum als Ersatz für reale Kontakte geeignet.

Eine weitere Möglichkeit sind sogenannte Gewichtsdecken. Sie sind besonders beschwert und üben Druck auf den Körper aus, wenn man sie sich beispielsweise um die Schultern legt. Sie sollen dadurch unter anderem die Ausschüttung von Stresshormonen senken.

"Die Frage ist allerdings, wie lange dieser Effekt anhält und ob er sich nicht irgendwann abnutzt", sagt Grunwald. "Eine Decke kann vermutlich auf Dauer keinen dreidimensionalen Partner ersetzen, der einen nicht nur umarmt, sondern zum Beispiel auch einen bestimmten Geruch und eine bestimmte Stimme hat."

Über den Experten: Professor Martin Grunwald ist Gründer und Leiter des Haptik-Forschungslabors am Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Der Diplom-Psychologe ist ausserdem Autor des Buches "Homo hapticus: Warum wir ohne Tastsinn nicht leben können".

Verwendete Quellen:

  • statista: "Anzahl der Einpersonenhaushalte in Deutschland von 1991 bis 2019"
  • University College London: "Gentle touch soothes the pain of social rejection"
  • Experimental Brain Research: "The skin as a social organ"
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