Im Verlauf ihrer Krankheit finden sich Menschen mit Demenz immer schlechter zurecht. Für Angehörige bedeutet das immense Anstrengungen. Wofür sie dann Energie brauchen - und wo sie welche einsparen sollten.

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Nächtliche Unruhe, starker Bewegungsdrang, lautes Rufen, aggressives Verhalten: Das alles kann bei Menschen mit Demenz auftreten. Für Angehörige ist deren Pflege oft eine grosse Herausforderung. Doch manche Probleme lassen sich abmildern.

Steht beispielsweise ein Mensch mit Demenz im Sommer mit einer Winterjacke vor einem, sollte man nicht schimpfen oder belehren. "Hilfreicher ist eine wertschätzende, verständnisvolle Kommunikation - auch wenn sie in manchen Situationen viel Geduld kostet", sagt Marion Langhorst von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.

So könnte man etwa sagen: "Also, mir wäre das heute ja viel zu warm. Aber wenn du meinst, dann probiere es aus." Häufig bemerken Patienten draussen schnell, dass die Winterjacke zu warm ist. Gut, wenn Angehörige als Alternative dann eine Sommerjacke dabeihaben.

Die Jacke, die nicht zur Jahreszeit passt, ist typisch: "Mit der Erkrankung verändern sich die Wahrnehmung und das Zeitgefühl", erklärt Langhorst. Hier können Uhren mit Angaben zum Wochentag und mit Hinweisen wie morgens, mittags, abends hilfreich sein.

Rituale und feste Tagesabläufe helfen

"Menschen mit Demenz helfen Strukturen. Um ihnen Sicherheit im Alltag zu geben, sollten Angehörige Vertrautes bewahren", rät Daniela Sulmann vom Zentrum für Qualität in der Pflege. In der Wohnung sollte alles seinen festen Platz haben. Sonst könnten sich Menschen mit Demenz schnell überfordert fühlen, so Langhorst. Rituale und ein fester Tagesablauf seien wichtig.

Trotz der Diagnose sollten Angehörige Menschen mit Demenz weiterhin viel zutrauen. "Es ist wichtig, dass Patienten weiter zum Sport gehen, Freunde treffen, an Ausflügen teilnehmen", zählt Marion Langhorst auf. Denn was Körper und Geist anrege, Selbstständigkeit und Aktivität fördert, sei auch gut für die kognitiven Fähigkeiten.

"Ziel sollte es sein, Menschen mit Demenz ein gutes Gefühl zu geben - also Entspannung, Freude, Zufriedenheit zu fördern", sagt Daniela Sulmann. So könnte man alte Fotos betrachten, in schönen Erinnerungen schwelgen, einen Spaziergang machen oder einen Film anschauen.

Die Expertinnen raten, Patientinnen und Patienten in den Alltag einzubinden. Das können kleine Aufgaben sein: bügeln, Tisch decken, Blumen giessen. "Dabei geht es nicht um das Ergebnis, ob etwa die Blumen genügend Wasser haben oder die Wäsche richtig zusammengelegt ist, sondern um Teilhabe", betont Sulmann.

Auf Gefühle eingehen und Stress unbedingt vermeiden

Pflegende Angehörige können den Alltag erleichtern, indem sie das Miteinander verändern. "Es bringt nichts, zu diskutieren, zu korrigieren oder etwas durchzusetzen", so Sulmann. Menschen mit Demenz fühlen sich schnell bevormundet, dann reagieren sie gereizt oder aggressiv.

Besser ist eine zugewandte Kommunikation. Statt zu sagen, "Quatsch, heute ist doch gar nicht Mittwoch", rät Sulmann: "Den korrekten Tag sanft ins Gespräch einfliessen zu lassen." Und so einen Realitätsbezug herzustellen.

Stress sollte man vermeiden, weil er Symptome sogar verstärken kann. Oft hilft es, sich auf die Gefühlswelt der Patientin oder des Patienten einzulassen. "Gelingt es zu spüren, was die Person bewegt, besteht eine Chance, manches abzumildern", sagt Sulmann.

Und sie nennt ein Beispiel: Manchmal denken Menschen mit Demenz, sie müssten ihren Kindern noch ein Pausenbrot für die Schule schmieren. Statt dann zu sagen: "Deine Kinder sind gross!", könnte man die Angst wahrnehmen, die dahinter steckt. "Du machst dir Sorgen um deine Kinder? Das verstehe ich. Sei unbesorgt, die Kinder haben alles, was sie brauchen", schlägt Sulmann vor.

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Demenzkranke auf Gefühlsebene anzusprechen, ist wichtig

Meist kann man Menschen mit Demenz besonders gut auf der Gefühlsebene ansprechen. Mit zunehmender Krankheit werden Berührungen und Umarmungen immer wichtiger. "Auch eine klare Körpersprache sowie das Vormachen von Tätigkeiten können helfen", sagt Daniela Sulmann.

Da sich Stimmungen auf Menschen mit Demenz stark übertragen, sollten auch Angehörige sich möglichst wenig Stress machen. Im Alltag nicht immer einfach umzusetzen. "Humor hilft immer und eine gewisse Lockerheit im Umgang mit der Krankheit", empfiehlt Sulmann.

Vom Verhalten der erkrankten Person sollten Angehörige sich nicht persönlich angegriffen fühlen. Marion Langhorst rät: "Angehörige sollten sich bewusst machen, die Persönlichkeitsveränderung ist ein Symptom der Erkrankung." So kann aggressives Verhalten auf Überforderung hindeuten und nächtliche Unruhe auf Harndrang oder Schmerzen.

Schein zu wahren, kostet Kraft

Langhorst rät Angehörigen ausserdem: "Versuchen Sie nicht gegenüber Nachbarn oder gar der Familie den Schein zu wahren. Das kostet Kraft." Um auswärts peinliche Momente zu erklären, ohne Patienten vor den Kopf zu stossen, gibt es etwa Kärtchen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Darauf steht: "Ich bitte um Verständnis: Mein Angehöriger hat Demenz!"

Die Krankheit kann Pflegenden viel abverlangen. "Es ist wichtig, dass Angehörige sich Auszeiten nehmen - Musik hören, schwimmen gehen, Yoga machen, Freunde treffen. Das kann für jeden etwas anderes sein", sagt Marion Langhorst. Gespräche in Selbsthilfegruppen und bei Beratungsstellen der regionalen Alzheimer-Gesellschaften können dabei helfen, herauszufinden, was Entlastung bringt.

Wenn die Energie nachlässt: Hilfsangebote wahrnehmen

Stossen Pflegende regelmässig an ihre Belastungsgrenze, sollten sie sich keine Vorwürfe machen, sondern sich Hilfe holen. Es gibt verschiedene Optionen: Patientinnen und Patienten stundenweise in die Tagespflege geben, einen ambulanten Pflegedienst suchen - und manchmal kann auch der Umzug in ein Pflegeheim die beste Lösung sein.

Natürlich fällt die Entscheidung schwer. "Sie ist bei vielen Menschen mit einem schlechten Gewissen verbunden", sagt Sulmann. Aber der Schritt könne auch eine Chance sein, um die Lebenssituation aller Beteiligten zu verbessern. Vorausgesetzt, man findet eine gute Einrichtung, die sich auf Demenz spezialisiert hat.

"Oft ist es für alle viel schöner, wenn Partner oder Angehörige bewusst ein, zwei Stunden am Tag mit dem Erkrankten verbringen können und diese Zeit intensiv und positiv erleben", sagt Langhorst.

Richtige Diagnose ist wichtig

Wenn das Gedächtnis bei Partnern, Eltern oder Geschwistern nachlässt, fragen sich Angehörige, ob dies erste Anzeichen einer Demenz sind. Vergisst eine Person häufiger Namen oder Wörter, ist das noch kein Grund zur Panik.

"Kommt es hingegen öfters vor, dass jemand Verabredungen und Arzttermine vergisst, Gesagtes nach kurzer Zeit wiederholt oder die Orientierung nachlässt, sollten Angehörige hellhörig werden", sagt Marion Langhorst von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Insbesondere dann, wenn zusätzlich ein sozialer Rückzug und Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Dahinter kann Demenz stecken.

In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, in Österreich sind es rund 130.000 Menschen, in der Schweiz etwa 153.000 Betroffene. Die meisten davon haben eine Alzheimer-Erkrankung. "Als Demenz bezeichnen Fachleute die Symptome, die im Alltag auftreten. Alzheimer ist eine Erkrankung, die besonders häufig zu dieser Symptomatik führt", sagt Langhorst. Das bedeutet: Nicht jeder, der dement ist, hat also auch Alzheimer.

Bestimmte Verhaltensweisen können auf eine Demenz hindeuten: Die Brille liegt im Kühlschrank, die Milch lagert in der Badewanne. Wichtig ist dann, die Ursachen abzuklären. Denn Gründe für solche kognitiven Veränderungen gibt es viele.

"Dahinter können Hormonveränderungen oder eine schwere Depression stecken - auch Pseudodemenz genannt, aber auch Nebenwirkungen von Medikamenten, Flüssigkeitsmangel oder ein veränderter Druck des Gehirnwassers", sagt Langhorst. "Manche dieser Probleme können behandelt werden." Allerdings nur, wenn es eine Diagnose gibt und die Ursache feststeht.

Manche Menschen scheuen sich, zum Arzt zu gehen - auch aus Angst, dass sie ihre Eigenständigkeit verlieren. "Die Diagnose bedeutet aber nicht, dass man automatisch geschäftsunfähig ist", beruhigt Langhorst.

Hilfe holen und über die Krankheit informieren

Oft fällt es Angehörigen auch schwer, die Veränderungen als Krankheit zu akzeptieren. Häufig sorgen sich der Partner oder die Partnerin, dass die bisherige Aufgabenverteilung, die seit Jahrzehnten besteht, nicht mehr funktioniert. "Tatsächlich berichten Angehörige, dass sie Schritt für Schritt ihren Partner verlieren. Das ist sehr schmerzhaft", so Langhorst, die regelmässig am Alzheimer-Telefon Betroffene berät.

Doch verdrängen hilft da leider wenig. Tatsache ist: Alzheimer ist derzeit nicht heilbar. "Dennoch gibt es die Möglichkeit, Symptome abzumildern, indem man den Umgang mit Betroffenen verändert und seine Kommunikation an die Krankheit anpasst", sagt Langhorst. (dpa/af)

Hinweis

  • Alzheimer-Telefon, montags bis donnerstags von 9 bis 18 Uhr und freitags von 9 bis 15 Uhr, + 49-30-259-37-95-14.
  • Verbraucherzentrale, Ratgeber Demenz, 1. Auflage 2022, 200 Seiten, 19,90 Euro
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