Deutschland feiert: Das Reinheitsgebot für Bier wird heute 500 Jahre alt. Doch Verbraucherschutzorganisationen warnen, dass im Gerstensaft meist mehr Zutaten enthalten sind, als viele vermuten. Und diese sind meist unerwünscht.
Wer hat's erfunden? Die Bayern. Vor 500 Jahren legten der bayerische Herzog Wilhelm IV. und sein Bruder Herzog Ludwig X. fest, dass Bier nur mit Wasser, Gerste und Hopfen gebraut wird. Hefe kam erst viel später ins Spiel.
Das Reinheitsgebot wurde aus zwei Gründen eingeführt. Zum einen haben viele Brauereien ihr Bier mit Stechapfel oder Tollkirsche gestreckt, vermutlich um Geld zu sparen. Diese Zutaten waren jedoch giftig. Mit dem Gebot sollte der Verbraucher geschützt werden.
Zum anderen sollte es als Marketing-Strategie genutzt werden. Brauereien wollten so vermitteln, dass das danach gebraute Bier am besten schmeckt.
Allerdings wurde das Gebot bereits wenige Jahre später wieder aufgeweicht. Brauereien durften Zutaten wie Koriander oder Lorbeer wieder zusetzen.
Der Begriff Reinheitsgebot kam erst viel später in der Geschichte auf. Im Jahr 1918 hatte der bayerische Landtagsabgeordnete Hans Rauch erklärt: "Wir halten fest am Reinheitsgebot, weil wir der Tradition treu bleiben."
Nicht alle lieben das Gebot
Und das hat sich bis heute gehalten. Obwohl das Gebot in aller Welt gelobt wird, sind nicht alle davon begeistert.
Verbraucherschutzorganisationen kritisieren, dass es eher ein Scheingebot ist: "Den Verbraucherinnen und Verbrauchern werden Pestizidrückstände bei Hopfen und Malz untergejubelt, und von den verschiedenen technischen Hilfsstoffen während des Produktionsprozesses erfahren sie nichts", so Lena Blanken, Expertin für Lebensmittelkennzeichnung bei "foodwatch".
Zusatzstoffe im Bier sind durch das Reinheitsgebot ausgeschlossen, aber es gibt verschiedene Hilfsstoffe. Brauereien setzen dem Bier beispielsweise Kunststoff zu, der die Haltbarkeit verlängert.
Produzenten verwenden zudem Kieselgur, um Trübstoffe zu filtern. Beide Stoffe gelten als gesundheitlich unbedenklich, auf der Inhaltsliste tauchen sie trotzdem nicht auf.
Hinzu kommt, dass Bauern beim Anbau von Hopfen und Getreide chemische Pflanzenschutzmittel verwenden, zum Beispiel Glyphosat. Diese Chemikalie lässt sich später noch im Bier nachweisen.
Brauereien müssen ausserdem Hopfen nicht im ursprünglichen Zustand verarbeiten. Sie können Hopfenextrakt nutzen. Dieser wird mit Ethanol und Kohlensäure hergestellt. Auch davon erfährt der Verbraucher nichts.
Damit das Reinheitsgebot tatsächlich reines Bier garantiert, müsse die Qualität der verwendeten Zutaten vorgegeben sein und der Einsatz von Hilfsstoffen transparent gemacht werden, so "foodwatch".
Zukunft des Biers in Gefahr?
Das Reinheitsgebot hat nicht nur Fürsprecher. "Wäre es nicht ehrlich, statt sich weiter an diesen Zombie zu klammern, das Reinheitsgebot sterben zu lassen und noch einmal neu aufzusetzen?", schreibt Moritz Gretzschel im Brau!Magazin.
Viele fordern, das Gebot aufzuweichen, da es zwar sauber, aber ein bisschen langweilig sei. Ausländische Bierexperten gehen gar davon aus, dass dies der Grund für den Rückgang des Pro-Kopf-Bierkonsums um fast ein Drittel in Deutschland sei.
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