• Jede Sekunde zählte: Dass Christian Eriksen seinen Zusammenbruch am Samstag überlebte, verdankt der dänische Fussballer hauptsächlich der raschen Hilfe seines Umfelds.
  • Die dramatischen Szenen machen bewusst, wie wichtig es ist, in Notsituationen ohne Zögern einzugreifen.
  • Mit diesen sechs Schritten können auch ungeübte Ersthelfer zu Lebensrettern werden.

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Simon Kjaer ist schon jetzt ein Held der EM 2021. Der Kapitän der dänischen Nationalmannschaft, der früher bei Wolfsburg spielte, reagierte goldrichtig und blitzschnell, als sein Teamkollege und Freund Christian Eriksen am Samstag mitten in der Partie gegen Finnland zusammenbrach. Noch bevor die dänischen Betreuer bei Eriksen eintrafen, hatte Kjaer ihn in eine stabile Seitenlage gebracht, nur wenig später spendete er Eriksens Freundin am Spielfeldrand Trost und leistete somit auch psychologische Hilfe.

Eriksen hatte einen Herzstillstand erlitten - warum, ist noch unklar. Sicher ist: Das schnelle Eingreifen, die Herzdruckmassage der Ärzte und der baldige Einsatz eines Defibrillators retteten ihm das Leben.

Die dramatischen Szenen machten allzu bewusst, wie schnell es gehen kann. Und wie wichtig es ist, in solchen Situationen schnell zu reagieren. Gerade in Notsituationen - die jederzeit und überall auftreten können - zögern aber viele Menschen. Ihr letzter Erste-Hilfe-Kurs liegt schon länger zurück, sie wollen nichts falsch machen.

Doch helfen kann jeder, betont Sonja Schäffer. Sie leitet bei den Johannitern im Regionalverband Ostbayern das Sachgebiet Ausbildung. Sechs Schritte sind für Ersthelfer wichtig.

1. Schritt: Überblick über die Notsituation verschaffen

Es kann auf dem Fussballfeld, aber auch auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn oder im Freibad passieren: Ein Mensch neben uns wird plötzlich ohnmächtig. Laut Schäffer geht es dann zuallererst darum, die Situation zu überblicken. Wichtig ist, herauszufinden, wer verletzt ist, ob es sich beispielsweise um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt oder ob es mehrere Patienten gibt. Möglicherweise kümmern sich bereits Umstehende um den Bewusstlosen, möglicherweise haben sie sogar schon einen Notruf abgesetzt.

2. Schritt: Hilfsbedürftige Person und sich selbst schützen

Wer die Fragen aus Schritt eins überprüft hat, widmet sich dem Patienten. Es geht nun darum, sowohl ihn, als auch sich selbst zu schützen.

"Der Ersthelfer muss darauf achten, dass er sich durch seine Hilfeleistung nicht selbst in Gefahr bringt", sagt Schäffer im Gespräch mit unserer Redaktion. Wer in einer Notlage nicht auf die Umgebung achtet – je nachdem, in welcher Situation man sich befindet, können das fahrende Züge und Autos oder herabfallende Gegenstände oder Stromleitungen sein – begeht einen Fehler, der fatale Konsequenzen haben kann.

Bei einer Unfallstelle auf der Strasse können eingeschaltete Warnblinker, ein aufgestelltes Warndreieck und Warnwesten Ersthelfer und Patienten vor Schlimmerem bewahren.

Erst wenn sichergestellt ist, dass keine Gefahr droht, sollte der Retter die Nummer 112 wählen und einen Notruf absetzen.

3. Schritt: Verletzte aus dem Gefahrenbereich retten - der Rautek-Griff

Befindet sich der Patient in einem Gefahrenbereich, den er nicht selbstständig verlassen kann, müssen Ersthelfer ihn in Sicherheit bringen. Auch hier gilt: Vor der Rettung auf Eigenschutz achten, sagt Schäffer. Das heisst: die möglicherweise noch eingeschaltete Zündung eines Autos ausschalten, die Handbremse anziehen sowie die Warnblinklichter einschalten.

Erst danach spricht der Ersthelfer den Verletzten an. Ist er bei Bewusstsein, kann die Gefahrenstelle aber nicht mit eigener Kraft verlassen, informiert der Retter ihn über das weitere Vorgehen.

Er kann ihn beispielsweise mit dem Rautek-Rettungsgriff bergen, damit werden Menschen aus verunglückten Autos gerettet. Allerdings sollten Helfer dafür möglichst das Einverständnis des Patienten einholen. Stimmt er zu, läuft die Bergung so ab:

  • Bewegen Sie den Sitz wenn möglich nach hinten, das schafft Platz.
  • Schnallen Sie den Verletzten ab und befreien seine Füsse von den Pedalen.
  • Drehen Sie den Patienten vorsichtig so, dass sein Rücken zu Ihnen zeigt.
  • Greifen Sie unter beide Achseln des Betroffenen hindurch und umfassen dessen gesunden Arm mit beiden Händen. Schäffer empfiehlt hierfür den sogenannten Affengriff: Dabei liegen Daumen und die übrigen Finger parallel nebeneinander auf dem Arm.
  • Heben Sie den Patienten möglichst rückenschonend an und setzten dessen Gesäss behutsam auf Ihrem Knie ab.
  • Ziehen Sie ihn weiter aus dem Fahrzeug heraus. Ein zweiter Helfer kann die Beine tragen.
  • Legen Sie den Verletzten auf einem flachen, sicheren Untergrund ab.

4. Schritt: Lebenswichtige Vitalfunktionen prüfen

Wenn sichergestellt ist, dass sich der Verletzte nicht in Gefahr befindet, werden seine Vitalfunktionen überprüft, also die lebenswichtigen Vorgänge im Körper wie Atmung und Blutdruck. Sie kontrollieren etwa, ob er bei Bewusstsein ist. Falls ja, ist es wichtig, den Betroffenen psychisch zu betreuen, ihn gegebenenfalls zu beruhigen.

Ist er nicht ansprechbar, vergewissern sich die Retter, ob er atmet, sagt Schäffer. Falls ja, bringen sie ihn in die stabile Seitenlage. Damit stellen Sie sicher, dass er nicht an Erbrochenem oder seiner eigenen Zunge erstickt. Wie die stabile Seitenlage aussieht, erklärt dieser Artikel im Anschluss an die sechs Schritte.

Ein Druckverband kann Blutungen stillen

Wenn eine Person nicht normal oder gar nicht atmet, sollten Ersthelfer zunächst den Rettungsdienst anrufen und anschliessend sofort mit der Wiederbelebung beginnen. Wie diese funktioniert, zeigt dieser Text ebenfalls im Anschluss an die sechs Schritte.

Bei Blutungen stillen Ersthelfer diese am besten mit einem Druckverband oder indem sie ein Tuch fest auf die Wunde pressen.

Alles, was die Helfer im vierten Schritt über den Patienten herausfinden, müssen sie möglichst detailliert dem Rettungsdienst beim Notruf mitteilen oder spätestens sobald er eintrifft. So können die Profis schneller und gezielter helfen, sagt Schäffer. Ausserdem rät sie dazu, die Vitalfunktionen mehrmals zu überprüfen, am besten alle ein bis zwei Minuten. Die Werte können sich nämlich verbessern oder verschlechtern.

5. Schritt: Den Notruf 112 wählen

Die Notrufnummer lautet 112, sie gilt nicht nur deutschland-, sondern auch europaweit, sagt Schäffer. Wer die Nummer wählt, muss die vier W-Fragen beantworten können:

  • Wo ist der Notfall passiert? Ersthelfer sollten den Ort möglichst genau angeben.
  • Was ist passiert? Hierbei geht es um den Hergang des Unfalls.
  • Wie viele Verletzte gibt es? Die Antwort auf diese Frage gibt den Rettern Auskunft darüber, wie viele Rettungsmittel sie benötigen.
  • Welche Verletzungen? Mit Informationen darüber können die Helfer möglichst gut vorbereitet zum Unfallort fahren. Ausserdem müssen sie wissen, ob der Patient bei Bewusstsein ist oder er im schlimmsten Fall wiederbelebt werden muss.

Wenn diese Fragen beantwortet sind, haben die Angestellten in der Rettungsleitstelle vielleicht noch Fragen. Deswegen sollten Ersthelfer nicht sofort auflegen, sondern so lange am Telefon bleiben, bis ihnen gesagt wird, dass das Gespräch beendet werden kann. Manchmal kann das Team der Rettungsleitstelle auch Tipps für die Wiederbelebungsmassnahmen oder die stabile Seitenlage geben.

6. Schritt: Verletzte beatmen oder Herz-Lungen-Massage anwenden

Diesen Schritt fassen die Johanniter unter dem Wort "Helfen" zusammen. Zur Erinnerung:

  • Eine bewusstlose Person, die noch atmet, muss in die stabile Seitenlange gebracht werden.
  • Falls sie weder atmet noch bei Bewusstsein ist, wenden Ersthelfer zur Wiederbelebung die Herz-Lungen-Massage so lange an, bis der Patient wieder atmet, oder bis die Rettungskräfte eintreffen.

Falls der Verletze Herzrhythmusstörungen hat, kann ein Defibrillator helfen. Die Gebrauchshinweise am Gerät zeigen, wie es angewendet wird. Der Defibrillator hilft statistisch gesehen in 25 Prozent der Fälle, so der Deutscher Rat für Wiederbelebung. Für die Suche nach dem Gerät sollte jedoch niemals die Herz-Lungen-Massage unterbrochen werden.

Psychische Erste Hilfe: Betroffene brauchen Schutz und Trost

Darüber hinaus müssen Helfer darauf achten, dass der Betroffene nicht auskühlt. Das kann passieren, wenn er nasse Kleidung trägt oder er nicht zugedeckt wird. Eine beschichtete Rettungsdecke schützt am besten vor Unterkühlung, aber auch eine Jacke wärmt.

Neben der körperlichen, spielt auch die psychische Betreuung des Patienten eine wichtige Rolle. "Psychische Erste Hilfe ist so gut wie immer anwendbar", sagt Sonja Schäffer. Retter können sich hierfür an die 4-S-Regel halten:

  • Sage, dass du da bist und was geschieht. Das zeigt dem Patienten, dass er nicht allein ist. Er muss wissen, was passiert, damit er sich beruhigen kann.
  • Schirme ihn vor Zuschauern ab. Menschen in Not sind verletzlich – und noch verletzlicher, wenn sie dabei beobachtet werden. Damit sie in ihrer ohnehin hilflosen Situation nicht zu einem Objekt werden, das begafft wird, sollten sie hinter einem Sichtschutz abgeschirmt werden. Alternativ können Retter den Schaulustigen Aufgaben geben, um sie fernzuhalten.
  • Suche vorsichtig Körperkontakt. Leichte Berührungen, zum Beispiel an der Hand oder der Schulter, können Patienten beruhigen und für sie angenehm wirken. Dabei ist es wichtig, dass Patient und Retter auf der gleichen Höhe sind, etwa am Boden sitzend oder liegend.
  • Sprich und höre zu. Beides wirkt beruhigend auf den Verletzten.

Stabile Seitenlage: der Verletzte ist bewusstlos bzw. nicht ansprechbar, atmet aber

Die stabile Seitenlage wird angewendet, wenn der Verletzte nicht ansprechbar ist, aber atmet. Nachdem der Ersthelfer sichergestellt hat, dass der Verletzte nicht gefährdet ist und nachdem er seine lebenswichtigen Körperfunktionen wie Atmung und Blutdruck überprüft hat, befolgt er folgende Schritte:

  • Knien Sie sich neben den Betroffenen.
  • Schauen Sie, dass seine Beine ausgestreckt sind.
  • Legen Sie den Arm des Patienten, der auf Ihrer Seite ist, im rechten Winkel mit der Handfläche nach oben ab.
  • Legen Sie den anderen Arm über seinen Brustkorb an seine Wange. Die Handinnenfläche zeigt nach aussen. Halten Sie diese Hand fest.
  • Greifen Sie mit Ihrer freien Hand das weiter entfernte Bein am Kniegelenk und drehen den Verletzten schonend auf die Seite. Dabei stützen Sie mit der anderen Hand den Kopf und führen ihn vorsichtig. Wird der Kopf des Patienten nicht geführt, kann sich die Halswirbelsäule gefährlich verdrehen. Das Gesicht des Betroffenen zeigt nun zu Ihnen.
  • Richten Sie das obere Bein so aus, dass der Oberschenkel etwa im rechten Winkel zur Hüfte liegt.
  • Korrigieren Sie die unten liegende Hand des Betroffenen so, dass dessen Mund leicht nach unten Richtung Boden zeigt. Erbrochenes kann so ablaufen. Ausserdem sollte der Kopf leicht nach hinten überstreckt werden. So öffnen sich die Atemwege.

Stabile Seitenlage: Wie Sie einem Menschen in Not helfen

Erste Hilfe kann Leben retten. Doch wie funktioniert sie? Ein Tutorial der Johanniter zeigt, wie Sie einen Menschen in Not in die stabile Seitenlage bringen. © YouTube

Spätestens nachdem sich der Patient in der stabilen Seitenlage befindet, setzen die Retter den Notruf ab.

Herz-Lungen-Massage: der Betroffene atmet nicht normal oder gar nicht mehr

Wenn eine Person nicht normal oder gar nicht atmet, sollten Ersthelfer zunächst den Rettungsdienst anrufen und anschliessend mit der Wiederbelebung beginnen:

  • Legen Sie den Patient auf den Rücken.
  • Knien Sie sich neben ihn und machen wenn möglich dessen Oberkörper frei.
  • Platzieren Sie Ihre Hand mit dem Ballen in der Mitte des Brustkorbs, die zweite Hand legen Sie auf Ihre andere.
  • Strecken Sie Ihre Arme durch und drücken senkrecht von oben fünf bis sechs Zentimeter tief.
  • Drücken Sie etwa zweimal pro Sekunde. So erreichen Sie die nötige Frequenz: Der Brustkorb sollte 100 bis 120 Mal in der Minute zusammengedrückt werden, was in etwa dem Takt von "Highway to Hell" oder "Stayin‘ Alive" entspricht.
  • Nach 30 Mal drücken können Sie mit der Beatmung beginnen.

Wie werden Menschen bei der Wiederbelebung richtig beatmet?

Für die Beatmung verschliesst der Ersthelfer die Nase des Betroffenen mit Daumen und Zeigefinger und überstreckt dessen Kopf leicht nach hinten. Anschliessend atmet er normal ein, umschliesst die Lippen des Patienten mit seinen eigenen und drückt die Luft in seiner Lunge in die des Patienten.

Schäffer rät, ihn etwa eine Sekunde lang gleichmässig zu beamten. Wenn sich der Brustkorb des Betroffenen danach wieder gesenkt hat, kann der Retter ein zweites Mal beatmen. Zwischen den Beatmungen sollte der Kopf ausserdem überstreckt bleiben.

Die Reanimation ist selbst für Ungeübte einfach, so der Deutsche Rat für Wiederbelebung. Demnach können Laien nichts falsch machen – ausser, sie tun nichts.

Die Herz-Lungen-Massage ist überlebenswichtig

Laut einer Statistik des Deutschen Rats für Wiederbelebung vom Januar 2020 sterben jedes Jahr rund 50.000 Menschen aufgrund eines Herz-Kreislauf-Stillstands. Die Überlebenschance liegt bei zehn Prozent. Dreimal so hoch wäre sie laut der Statistik, wenn Umstehende den Patienten wiederbeleben würden.

Auf diese Weise könnten Ersthelfer etwa 10.000 Leben mehr retten, so der Rat. Sie können mit der Wiederbelebung die kritischen Minuten bis zum Eintreffen der Rettungskräfte überbrücken.

Zahlen verdeutlichen, wie wichtig die Arbeit der Ersthelfer ist: Drei bis fünf Minuten nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand erleidet das Hirn Schäden, die nicht mehr repariert werden können. Erst nach durchschnittlich acht Minuten trifft jedoch der Rettungswagen ein – für manche Patienten ist es dann bereits zu spät.

Über die Expertin: Sonja Schäffe ist Leiterin des Sachgebiets Ausbildung bei den Johannitern im Regionalverband Ostbayern.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Sonja Schäffer, Johanniter
  • Deutscher Rat für Wiederbelebung: Faktenblatt Wiederbelebung, Herz-Kreislauf-Stillstand

Umfrage: Viele Deutsche trauen sich Erste Hilfe nicht zu

Wer in einer Notfallsituation schnell handelt und Erste Hilfe leistet, kann Leben retten. Doch in Deutschland glauben viele Menschen, dass sie dazu nicht in der Lage sind. 52 Prozent der Deutschen sind sich einer Umfrage zufolge unsicher, ob sie Erste Hilfe leisten könnten.
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